Wieso keine europäischen Ratingagenturen?

In den letzten Jahren hat sich deutlich gezeigt,
dass die drei altbekannten Agenturen sich nicht
bewährt haben und parteiisch agieren.
Warum unterstehen diese keinerlei (internationalen) Kontrolle? Warum gibt es hier kein Pendant zu
IWF und WHO? Könnte man so eine Instrument nicht
innerhalb der UNO einrichten?

Erstmal zu deiner Frage in der Überschrift: Es gibt europäische Ratingagenturen. Fitch kommt z.B. aus London. Feri ist z.B. eine Ratingagentur aus Deutschland.

In den letzten Jahren hat sich deutlich gezeigt,
dass die drei altbekannten Agenturen sich nicht
bewährt haben und parteiisch agieren.
Warum unterstehen diese keinerlei (internationalen) Kontrolle?

Im gewissen Maß werden diese schon kontrolliert, aber wie soll deiner Meinung nach eine internationale Kontrolle aussehen? Was soll dort kontrolliert werden?
Es handelt sich um private Unternehmen, die anderen Unternehmen anbieten diese zu bewerten. Niemand ist gezwungen diese Dienstleistung zu nutzen.

Warum gibt es hier kein Pendant zu
IWF und WHO? Könnte man so eine Instrument nicht
innerhalb der UNO einrichten?

WHO steht für die Weltgesundheitsorganisation, die meinst wahrscheinlich die WTO. Der IWF und die WTO sind internationale Organisationen, natürlich sind die stark von der USA geprägt, aber dort hat Europa auch ein gewichtiges Wort mitzusprechen. Außerdem verstehe ich nicht was die WTO oder die UNO mit Ratingagenturen zu tun haben?

Hi,

Es handelt sich um private Unternehmen, die anderen Unternehmen :anbieten diese zu bewerten. Niemand ist gezwungen diese Dienstleistung :zu nutzen.

Ist das mit der Bewertung von Staaten resp. deren Papieren auch so? Haben Griechenland&Co um eine Bewertung gebeten?
Oder läuft das wie bei der Schufa?

Gruß
Cassius

Hi,

Es handelt sich um private Unternehmen, die anderen Unternehmen :anbieten diese zu bewerten. Niemand ist gezwungen diese Dienstleistung :zu nutzen.

Ist das mit der Bewertung von Staaten resp. deren Papieren
auch so? Haben Griechenland&Co um eine Bewertung gebeten?
Oder läuft das wie bei der Schufa?

Hallo Cassius,

Griechenland & Co zahlen sogar dafür, dass sie bewertet werden. Ist aber bisher ein ganz gewöhnlicher Vorgang. Mal schauen ob das in Zukunft weiterhin so ist.

Hi,

Mal schauen ob das in Zukunft weiterhin so ist.

Solange der Markt keine besseren Informationsquellen hat, wird es wohl dabei bleiben.
Vielleicht bildet sich auch ein echter Markt für Ratings. Der Ruf der jetzigen Platzhirsche ist ja doch ein wenig lädiert.

Gruß
Cassius

Hallo maydayfly,

es geht leider um Interessenkonflikte und Wahrscheinlichkeiten.

In einem immer härter werdenden Wettbewerb ist folgende Entwicklung eingetreten:

  • Banken haben sich fast abgewöhnt, selbst die Bonität des Schuldners kritisch zu prüfen. Lean banking war die Parole, warum kosten- und zeitaufwändig nochmal die Bonität des Schuldners prüfen, wenns die Ratingagentur schon getan hat?

  • Die Ratingagentur will den Auftrag zur Bewertung haben. Schon von daher gibt es per se einen Interessenkonflikt. Die Ratingerwartung des Schuldners muss „möglichst“ erfüllt werden. Schon ein halbe Ratingstufe Abweichung des Ergebnisses zu den Erwartungen des Schuldners/Auftraggebers führt immer wieder zu erheblichen Diskussionen (Jede Stufe niedriger kostet den Schuldner ja Geld…)

  • Weder Bank noch Ratingagentur wollen sich aufgrund des Wettbewerbs zu viele unangenehme Fragen an den Schuldner leisten. Der Auftrag muss schnell in die Bücher bzw schnell abgeschlossen werden (Zeitdruck hat hier System, denn der schlechte Schuldner weiß, dass er mit Zeitdruck Negativinformationen am Besten verschleiern kann). Wer zu unangenehm fragt, wird durch andere Anbieter (Banken/Privatgläubiger zur Kreditgewährung bzw Ratingagenturen zur Bewertung) abgelöst. Die kritische Bonitätsprüfung, wie sie der kleine Schuldner kennt, findet bei großen Unternehmen immer weniger statt. Wettbewerb macht es möglich!

  • aber alles ist doch geprüft vom Wirtschaftsprüfer, sodass man die geprüften Zahlen des Schuldners doch nur fix fix in ein Analyseprogramm einzuspeisen braucht und schon wissen alle die Bonität… Schön wärs! Auch die Wirtschaftsprüfer sind im Interessenkonflikt. Sie werden von dem bezahlt und beauftragt, den sie prüfen sollen :wink:. Wer zu unangenehm wird, wird ersetzt durch einen anderen WP. Also werden „Bilanzierungsspielräume“ immer wieder dramatisch genutzt bzw gnadenlos auch betrogen (es gibt namhafte Beispiele von Weltkonzernen dazu). Dieser Interessenkonflikt ist inzwischen zunehmend auch erkannt und wird aber erst sehr zaghaft diskutiert. Eine Reform widerspricht wohl einem angloamerikanischen Denken über eine „freien Welt“. Und dort spielt eben was die Finanzmärkte betrifft nun mal die Musik, weshalb sich auch die deutsche Bilanzierungspolitik (Imparitätsprinzip = Gläubigerschutzgedanke im Vordergund anstatt Aktionärsinteresse im Vordergrund) nicht durchsetzen konnte (nur damit es keine Missverständnisse gibt, auch in Deutschland gibt es falsche Bilanzen und die beschriebenen Interessenkonflikte).

  • Staaten und erst recht Banken als Schuldner wurden bisher kaum auf Herz und Nieren geprüft. Es war (und ist) „name lending“ = Geld auf den guten Namen des Schuldners bzw der „Organisation“ der er angehört, geben. Banken hat man beuwsst eine sehr „schwammige“ Bilanzierungspolitik überlassen, um große Ergebnisschwankungen zu vermeiden, die das Vetrauen in die Banken erschüttern könnten :wink: . Schauen Sie sich einmal eine Bankbilanz an. Wo finden sie detailliert, was diese Bank so treibt?

  • Wie wahrscheinlich ist es, dass ein großer internationaler Weltkonzern insolvent wird? Die Wahrscheinlichkeit wird als sehr gering angesehen. Selbst wenn wir das Paket, das wir als Banker in der Hand halten, schon als Bombe erkennen, glauben wir, die Zündschnur ist noch lange genug, den Deal zu machen, den Bonus dafür mitzunehmen, die nächste Karrierestufe zu nehmen, den Arbeitgeber zu wechseln. Das alles geht heute so schnell, dass die Bombe noch lange nicht hoch gegangen ist (Sanierungskredite überbrücken immer wieder die Not über Jahre). Der gestreckte Bonus verhindert das nicht wirklich.

  • Und nicht zu vergessen, das Gleichgewicht zwischen Markt und Risikoseite bei den Banken ist durch die o.g. Entwicklungen erheblich in die Schieflage geraten. Die Marktleute erhalten hohe Boni und Karriereschübe - die Risikoleute erhalten dagegen Gehälter, die schon ohne Bonus wesentlich niedriger sind. Incl. Bonus oft nur ein Bruchteil des Marktniveaus. Folge: Neue gute Banker gehen auf die Marktseite. Dazu kommt, dass Personal auf der Risikoseite abgebaut wird und die durchschnittliche Prüfungzeit pro Kredit reduziert, zentraliesiert/globalisiert/anonymisiert wird. Wettebwerb um den günstigesten Kredit ohne Personalkosten für Risikoprüfung!

Sorry, war etwas ausschweifender, denn Ratingagenturen und Banken sind kommunizierende Röhren. Man muss das Gesamtbild sehen.

Also was tun?

Schwer zu sagen. Es gibt keine einfachen Lösungen für diese Probleme. Staatliche Aufsicht versagt nur allzu oft (die Banken wurden ja von den Staatsaufsichten bisher auch nicht richtig und erfolgreich überwacht).

Zunächst sollte man sich dieser Probleme einmal wirklich in einem breiten Konsens bewusst werden, denn das ist die erste Voraussetzung, um Lösungen zu finden. Das findet kaum statt. Stattdessen gibt es Ersatzschuldige. So wird das nix…

Offen gesagt, sind mir die ratingagentutren „relativ“ egal. Wenn ein Gläubiger meint, er könnte dieser Agentur vertrauen und sein Geld basierend auf diesem Urteil anlegt, dann ist das seine Entscheidung. Auch das ist Wettbewerb.

Anders sieht das bei Banken aus. Sie erhalten Gelder treuhänderisch und müssen damit sorgsam umgehen. Klar könnte auch ein Wettbewerb um die seriöse Bank, die die Spargelder auf der Passivseite der Bankbilanz am Besten verwaltet, dieses Problem lösen, aber es gibt eben den Interessenkonflikt zur Aktiva der selben Bankbilanz, ebendiese Spargelder möglichst Hochverzinslich (netto, also NACH Risikokosten) auszuleihen/zu investieren. Hinzu kommen die Dominoefekte durch die Verflechtungen der Banken (gegenseitige Forderungen).

Also muss die Bankenkontrolle, die Bankorgansation (Ansätze dazu gibt es bei Basel II/III) und die Rechnungslegung der Banken grundlegend verändert werden. Das ist entscheident!

Außerdem muss das System der Wirtschaftsprüfung grundsätzlich geändert werden. Auch bei der Rechnungslegung gibt es Änderungsbedarf.

Details würden hier zu weit führen (wurde eh schon zu lang :wink:.

Offen gesagt, ich sehe die wesentlichen Einsichten und Veränderungen nicht - leider…

Schönen Gruß von

ikarusfly an maydayfly :wink:

Hello again,

wen es zur Ergänzung zu meinen vorgenannten Ausführungen interessiert:

Sehe gerade in der FAZ von heute im Wirtschaftsteil

  • Seite 12 einen Artikel von Prof. Christian Müller und Johannes Suttner zum Thema Interessenkonflikt der Wirtschaftsprüfer. Es bedurfte wohl einer gigantischen Finanzmarktkrise bis die leider nur vereinzelten jahrzehntelangen Rufe nach einem Einschreiten erhört werden. Indes ist weder der im EU Grünbuch vorliegende Vorschlag zur Reform noch die von den vorgenannten Verfassern des Artikels vorgeschlagene Verschärfung des Kündigungsrechts ausreichend. Besser als nichts, aber eben nicht ausreichend.

  • Seite 14 einen Artikel von den Professoren Tim Büthe und Walter Mattli zum Einfluss der Deutschen auf die internationalen Rechnungslegungsvorschriften. Die hier beschriebene Bündelung/Angleichung der deutschen Interessen ist sicher wünschenswert, aber doch eher ein netter Versuch gegen allzu mächtige Gegenspieler.

Schönen Gruß von

ikarusfly

Ratingagenturen unterliegen strengen Kontrollen. Von deren Gründung angefangen bis zum Tagesgeschäft. Ratingagenturen müssen nachweisbar, nachvollziehbare Ergebnisse liefern - die prüfbar und schlüssig sind.

Diese Agenturen müssen sich doch gegen Milliardenklagen juristisch absichern. Immerhin bewerten sie nicht den Greisler von nebenan.

Ich glaube das Problem liegt eher darin, dass der Ratingagenturenmarkt Gefahr läuft zu einem Monopol zu erstarren und hier der Wettberwerb unter den Agenturen nichtmehr gewährleistet scheint. Was zu un-ökonomischen Folgen führt…

Festhalten würde, vielleicht zum Thema der 3 altherbekannten, dass zumindest eine davon Mehrheitlich einen Französischen Eigentümer dahinter hat…

Hier ein neuer update:

Die Diskussion um den „freiwilligen Verzicht“ der Banken zeigt, wie Paradox die Märkte inzwischen reagieren. Es spielt gar keine Rolle mehr, wie gut oder schlecht Griechenland wirklich ist, entscheidend ist einzig, dass die EU Staaten helfen und ein Zahlungsausfall nicht offiziell bescheinigt werden darf. Die Märkte trauen sich selbst keine Bonitätsprüfung mehr zu. Sie wollen einfach keinen D wie Default (= Zahlungsausfall) von den Rating Agenturen sehen, also muss er einfach umgangen werden. Die Realität - also die WIRKLICHE Zahlungsfähigkeit - spielt keine Rolle mehr. Die Märkte wollen keinen D sehen, um sich nicht vor ihren eigenen Reaktionen selbst zu erschrecken…

Schizophrener geht es kaum noch…(Mutter mach bitte die Küchentür zu, ich kann nicht sehen, wie Du Dich abschuftest). Es bleibt „name lending“ - es bleibt, dass „die Märkte“ auf das Rating der Rating Agenturen reagieren (sogar selbst wenn sie wissen, dass es falsch ist). Hier der aktuelle Artikel zum window dressing:

http://www.faz.net/artikel/C30638/ratingagenturen-de…

Ist solchen Märkten noch zu helfen?

Außerdem: FAZ Wirtschaftsteil von heute (Seite 18): Ja die „Aufsichtsbehörden“ sehen auch das Problem des Interessenkonflikts der Wirtschaftsprüfer und der Wirtschaftsausschuss des britischen Oberhauses wirft den Wirtschaftsprüfern vor, mit Pflichtverletzung und Fahrlässigkeit zur Finanzkrise beigetragen zu haben. Sieh an, wir nähern uns doch tatsächlich 2 bis 3 Jahre nach dem Finanzdebakel einigen Ursachen für die Krise?

Ach ja und noch etwas zeigt der Artikel: Wir wundern uns, dass die Aktionäre nicht die Wahrheit über die Bonität des Unternehmens wissen wollen. Wir wundern uns tatsächlich darüber? Für einen Aktionär ist eine schlechte Nachricht über das Unternehmen, an dem er beteiligt ist, eben für ihn eine wirklich schlechte Nachricht, es sei denn, er erfährt sie vor allen anderen (Presse, andere Aktionäre, Öffentlichkeit). Sollte er sie später erfahren, zieht er es mit Sicherheit vor, dass die Nachricht gar nicht erst entsteht…

http://www.faz.net/IN/INtemplates/faznet/default.asp…

So staunen wir weiter

Schönen Gruß von

ikarusfly