Hallo Jule,
ich glaube, diese freundliche, sanfte Interpretation des Textes sagt mehr über dich aus als über die Johannesstelle. Es gibt andere Christen, die diese Stelle viel schärfer, viel ausschließender interpretieren (und sich genau wie du sicher sind, Gottes Willem nahe zu sein).
ich sehe das noch etwas anders. Ich verstehe es so, dass der
Text in die Situation der Christen der etwas späteren
Generationen spricht, die nicht diese direkten Erfahrungen mit
dem Auferstandenen machten, die die ersten Christen so
beflügelt hatten, und die sich vielleicht fragten, ob und wie
sie trotzdem glauben können.
Na klar, es gibt zum einen Christen, die glauben, direkte Gotteserfahrungen zu machen (was ich für Wahnvorstellungen halte), zum anderen Christen, die das Problem haben, dass sie Gott nicht direkt wahrnehmen.
Ich finde es ziemlich wichtig, dass in Thomas ein Zweifler in
der Bibel aufgehoben ist. Und Thomas dient als Brücke, als
Wegbereiter: Schaut, ihr könnt auch glauben, wenn Ihr am
Anfang nicht dabei wart (wie Thomas bei der ersten Erscheinung
Jesu) und auch, wenn Ihr nicht sicher seid - Thomas ging es
auch so, und er ist dann sogar der erste, der das persönliche
Bekenntnis zu Jesus auspricht (" mein Herr und mein Gott!").
Also ich finde es problematisch, eine Geschichte, deren Historizität mehr als zweifelhaft ist, als Beleg für irgend etwas zu nehmen. Die ganze Geschichte lässt sich ja sehr plausibel auch als Mythos erklären, der um die Person Jesu entstanden ist (deren Historizität ich für plausibel halte, aber auch das ist nicht sicher). Und das Grundproblem war eben damals wie heute: Gott ist nicht zu sehen! Wie trickreich, sich dann auszudenken, dass man auch „glauben darf“, wenn man nix sieht!
Ich es problematisch, Menschen einzureden, dass sie an etwas glauben, was gar nicht wahrnehmbar ist. Das redet mir auch jeder Wahrsager, jeder Sekten-Guru ein und jeder abergläubische Mensch ein. Der große Fortschritt der Menschen war es doch seit der griechischen Antike zu lernen, realistisch, an Erfahrungen orientiert, logisch und rational zu denken.
Wenn mein Blinddarm entzündet ist, möchte ich nicht Eidechsenblut auf meinen Bauch geschmiert bekommen sondern von einem fähigen Operateur das Teil rausgenommen bekommen, wenn ich in ein Flugzeug steige möchte ich, dass der Mechaniker Ahnung von Motoren hat und keine Teufelsbeschwörungen durchführt!
Ich weiß, nun wird jeder Christ sagen, Aberglaube sei doch etwas ganz anderes. Stimmt aber nicht! Das Grundprinzip ist das Gleiche!
Ich glaube übrigens an der fliegende Spaghettimonster, Und an dieses Monster darf man auch glauben, wenn man es nicht sieht und seine Existenz für sehr unplausibel hält …
Karl