Eine Anfrage zum Stichwort „Beziehungsunfähigkeit“ gibt Anlass, das Thema nochmal aufzugreifen und einen Überblick über die bedeutendsten und häufigsten Beziehungskiller zu geben.
Ich glaube, die Variante, wo „ich bin beziehungsunfähig“ nur benutzt wird, um sich elegant (und mit dem Motiv, Verletzung zu vermeiden, oder einfach aus Feigheit, Stellung zu beziehen) im wahrsten Wortsinn „aus der Affäre zu ziehen“, kann man sicher, weil durchsichtig, als Beitrag zum Thema abhaken.
Derweil gibt es tatsächlich eine Reihe von Persönlichkeitsstrukturen , die in einer Lebensgemeinschaft/Beziehung Wirkung - metaphorisch gesagt - wie Sprengstoff entfalten können. Oder zumindest wie Stinkbomben. Sie sind meist anfangs nicht erkennbar, daher machen sie sich erst bemerkbar, wenn der gemeinsame Lebensalltag einen breiteren Raum eingenommen hat, und also die Lebensgemeinschaft bereits zur Faktizität geworden ist.
Mit „Persönlichkeitstrukturen“ sind keineswegs einfach „Verhaltensmuster“ gemeint. Verhalten wird gelernt, und ist dementsprechend auch korrigierbar und verlernbar. Persönlichkeitstrukturen aber kaum. Sie sind lange in der Biografie angelegt und manche von ihnen, aber nicht alle, bereits in der frühesten Kindheit.
Grundsätzlich gilt aber: Beziehungs-Unfähigkeit sagt etwas aus über die Stabilität von Beziehungen, aber - so paradox das jetzt klingen mag - keineswegs über deren Dauer. So jedenfalls die Beobachtung aus Hunderten von Beziehungkonflikten bzw. Beziehungsbiographien.
Beziehungen setzen voraus, dass die Partner sich aufeinander zu beziehen imstande sind. Das wiederum setzt voraus, dass jeder in sich eine eigene stabile Persönlichkeit ist, die dem Anderen auf Augenhöhe zu begegnen imstande ist, also weder submissiv-servil, noch dominierend-herabwürdigend. Das heißt: Keiner von beiden darf es nötig haben, den anderen für seine eigene (emotionale!) Stabilität emotional auszusaugen (zu vampirieren) und keiner darf sich entsprechend emotional aussaugen lassen.
Auch gegenseitige Bewunderung darf nicht dazu führen, problematisch empfundene Eigenschaften des Partners (die gibt es in jeder Partnerschaft!) blauäugig zu übersehen oder unreflektiert zu überspielen. Sie müssen auch dann und wann und bei Gelegenheit zum Gegenstand kreativer und einvernehmlicher Auseinandersetzung machbar sein. Dann erst kann sich jeder der beiden als „ganzer Mensch“ in der Partnerschaft „aufgehoben“ und vertrauensvoll anerkannt fühlen.
Es gibt bereits einige „grundsätzlich“ formulierte Archiv-Artikel (meist aus dem Psychologie-Brett) von mir über damit zusammenhängende Anstöße aus Fragestellungen von Usern:
Beziehung - mal anders gesehen
Paradoxes Beziehungserleben: Bindungsangst und Verlustangst
Sowie eine der destruktivsten Beziehungs"techniken", die aber am schwersten zu durchschauen ist und daher oft von Außenstehenden schneller erkannt wird, als vom betroffenen Partner selbst - und die auch manchmal nicht mit vollem Bewusstsein vom handelnden Partner ausgeübt wird: Die emotionale Erpressung.
Emotionale Erpressung: Krankheit als Waffe
Emotionale Erpressung: Vorwürfe
Ferner der Grund, weshalb auch Beziehungs- Un fähigkeiten manchmal sehr lang dauernde, aber unstabile Lebensgemeinschaften bilden.
Dann nämlich, wenn auf beiden Seiten komplementäre destruktive Verhaltensweisen vorliegen, die folglich passen wie Topf und Deckel :
Ölkontrolle
Wie Topf und Deckel
Narzistische Kränkung
Ferner zur Rolle der Kindheit bei dieser FragestellungKindheit und Partnerschaft
wobei die gängigen „frühkindliche Störung“-Theorien auch - teilweise zurecht - heftig kritisierbar sind: Ursula Nuber: Der Mythos vom frühen Trauma ISBN 3-10-051922-1
Extrem instabile Beziehungen sind also solche, die bei passenden äußeren Anstößen („Trigger-Situationen“) entweder explosiv enden, oder in jahrelangen Quälereien dahinsiechen. Sie können also durchaus langlebig sein, besonders, wenn der eine Partner mit seinen Eigenschaften komplementär zu denen des anderen Partners passt. Im Folgenden sind die brisantesten Beziehungskiller aufgelistet. Bei einigen erkennt man auch die komplementären Eigenschaften, die wie Schlüssel und Schloss aufeinanderpassen und sich gegenseitig verstärken. Fast alle sind letztlich auch irgendwie miteinander gekoppelt (was aber hier nicht Thema ist):
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Die häufigste: Innere, ideologische Konflikte eines Beziehungspartners, oder sogar von beiden: Unvereinbare aber zugleich vorhandene eigene Idealvorstellungen von Beziehungstypen und/oder Partnern. Konflikte also, die nur zu bewältigen sind durch kognitive Entscheidungen, die aber irgendwann (Trigger-Situationen) zu Fall kommen bzw. nicht mehr eingehalten werden können. So z.B. Konflikt zwischen der Idee von Promiskuität oder Libertinage zugleich mit der Idee einer lebenslangen Treuebeziehung. Oder zwischen einem optimal fluktuierenden daily-life und geistigen, intellektuellen Bedürfnissen, die der Partner nicht teilen kann. Oder zwischen ungebundener Abenteuerlust und verantwortungsvollem family-life. Oder zwischen Kinderwunsch und entschlossener Kinderlosigkeit.
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Maligne Persönlichkeitsstörungen ganz allgemein (weil sie ja gerade in brisantem Beziehungsverhalten bestehen). Die „Paarung“ von →: Bordeline PS mit → Narzisstischer PS ist interessanterweise auffallend häufig. Auch oft lang dauernd, aber tagtäglich an der Abbruchkante.
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Zwanghaftes Kontrollverhalten - einhergehend mit extremer, als existenzbedrohlich erlebter und daher oft mit Aggression beantworteter Eifersucht
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Verschmelzungswahn - einhergehend mit extremer, als existenzbedrohlich erlebter und daher oft mit Aggression beantworteter Verlustangst, die die Ketten um die Beziehung immer enger zieht, was (insbesondere, wenn es beiderseitig vorliegt) zu regelrechten symbiotischen Beziehungen führt, die sich sukzessive nach außen isolieren, sich aber innerlich emotional aushöhlen.
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Verlustangst ist jedoch zugleich eines der stärksten Bindemittel in Beziehungen. Aber eines, das sich eben nur auf die Dauer auswirkt, nicht auf die Stabilität. Sie ist Sprengstoff, weil sie dazu führt, dass bereits erkannte trennungsrelevante Unverträglichkeiten einbetoniert werden. Hierzu gehört btw. auch die Angst, ein Lebensideal (z.B. eine Ehe zu führen, als „verheiratet“ zu gelten, auch soziale Sicherheit usw.) aufgeben zu müssen. Das bindet, aber es ist Sprengstoff, weil es nur äußerlich-formell, nicht inhaltlich-emotional bindet.
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Emotionale Erpressung - „wenn du dich anders verhältst, als ich will, muss ich leiden“ (siehe die Artikel-Links oben), fatalerweise meist gepaart mit der Partnereigenschaft der Bereitschaft zur Opferrolle - wo nach und nach Eigenschaften, Vorlieben, Interessen, Begeisterungen usw. aufgegeben werden, weil sie in das engere Weltbild des Partners nicht hineinpassen
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Bereitschaft zur Opferrolle - wo nach und nach Eigenschaften, Vorlieben, Interessen, Begeisterungen usw. aufgegeben werden, weil sie in das engere Weltbild des Partners nicht hineinpassen
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Konfliktunfähigkeit - insbesondere die Weigerung, Stellung zu beziehen, Verhalten zu begründen, Fehler einzugestehen, Unfähigkeit, Kritik anzuerkennen und Konsequenzen daraus zu ziehen, Unfähigkeit, problematische Gefühlslagen dialogisch auszuagieren, aber eben auch komplementär dazu - die Unfähigkeit bzw. fehlender Mut, Kritik zu äußern, „nein“ zu sagen und „ich will das nicht!“ zu sagen
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Defizitäres dialogisches Verhalten generell - Unfähigkeit, sich dem Partner verstehbar zu äußern, sich (und seine Gefühle oder andere Anliegen) dem Partner zu vermitteln, Gesprächsblockaden, Verweigerung des problemorientierten, lösungsorientierten Gesprächs (der häufigste Trennungsgrund von Frauen von ihren Männern: „Er spricht nicht mit mir“, „Er lässt nicht mit sich reden“)
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Fehlende Bereitschaft zur Empathie (Einfühlungsvermögen). Hier ist vorausgesetzt: Empathie ist etwas, was man tut oder nicht tut, und nicht, wie oft gemeint, eine Begabung, die man halt nicht hat, wenn man sie nicht hat. Es bedeutet, sich neben der eigenen Sichtweise, Erlebensweise, damit zu beschäftigen und zu lernen, wie der Partner sieht und erlebt, und dies dann im Umgang miteinander zu berücksichtigen und sie als gleichwertig neben der eigenen Erlebensweise gelten zu lassen. Viele glauben, dass die eigene Beurteilung, Bewertung, weil immer richtig und angemessen, selbstverständlich auch die des Anderen sein müsse. Und wenn das nicht so sei, dann stimme mit dem Anderen etwas nicht. Wie der Partner urteilt, sieht, erlebt, kann man aber nur von diesem erfahren, man kann es nicht aus Büchern lernen. Eine Geige erfordert einen anderen Umgang als ein Klavier und ein Klavier einen anderen als eine Geige. Viele Permanent-Konflikte basieren auf der Verweigerung der Einsicht und Anerkennung, dass der Partner mit anderen Augen sieht und in anderen Schuhen steht.
Dasselbe Konfliktpotential erzeugt aber auch der, der das Einfühlen übertreibt, das empathisch Erfasste des Anderen über die eigene Erlebensweise stellt und sich somit selbst beschneidet und unterdrückt.
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Dazu kommt natürlich noch das ganze Gebiet des konfliktschwangeren sexuellen Verhaltens. Ob man Schwierigkeiten hat, Unstimmigkeiten schnell abzugleichen. Ob man Präferenzen hat, die der Andere nicht mitzumachen bereit ist. Die Scheu, diesbezügliche Problem zur Sprache zu bringen. Das Aufeinandertreffen von erfahrenen und unerfahrenen Partnern usw. usw.