1. Runde der Präsidentschaftswahlen in Frankreich

Hallo,

die Ergebnisse sind bekannt und diesmal lagen die vorherigen Prognosen auch treffsicher im Zielgebiet.

Was sind die Schlussfolgerungen aus der Wahl?

(A) Die Etablierten, die grossen Kräfte, die Konservativen/Republikaner auf der einen und die „Sozialisten“ (eigentlich Sozialdemokraten) auf der anderen Seite sind schwer beschädigt. Vor allem die „Sozialisten“ sind vollkommen abgeschossen worden. Ihr Kandidat Hamon wurde mit nur 6% quasi zerlegt. Der Konservative Fillon, dem der Filz in eigener Sache aus den Poren schoß (->Beschäftigung Ehefrau) hat sich mit 20% noch einigermaßen halten können. Aber im Vergleich zu den 27%, die der bereits unbeliebt gewordene Sarkozy in 2012 noch einfahren konnte, sind die 20% von Fillon ein Absturz.

Es zeigt sich ein enormer Frust des Wahlvolks an den grossen Volksparteien. Im Juni finden die Parlamentswahlen in Frankreich statt und es kann davon ausgegangen werden, dass dort diese beiden Parteien ähnlich abgewatscht werden, wenn auch die Sozialisten nicht so katastrophal.

(B) Die radikalen Kräfte der Ränder haben deutlich zugelegt. Dies gilt für den FN, aber richtig extrem für die Ultralinken, für die Mélenchon stand. Die Programme des FN und Mélenchons sind streng Anti-EU und Anti-Nato. Dies kommt viel deutlicher zum Vorschein als entsprechende Positionen bei der AfD und der Linkspartei in D.

© Macron, vorhersehbar der nächste französische Präsident, scheint die neue Erlöserfigur gegen das Establishment zu sein. Von 0 auf 100 in wenigen Monaten. Dabei hört man nicht selten solche Aussagen

Mann: „Er geht nicht auf den Grund der Dinge, mir ist das alles viel zu oberflächlich.“
Frau: „Zu vielen Themen hat er überhaupt keine konkreten Ideen, nur schöne Versprechungen!“
Mann: „Das ist nur Leere! Das ist nur Wind, was er macht, er spielt alles über die Emotion.“

Das hört sich doch sehr nach einem waschechten Populisten an. Schöne Bilder in die Luft gezaubert, enthusiastisch vorgetragen, mit zweckoptimistischer Vision. Aber ein Programm im eigentlichen Sinne hat er nicht. Das hat was von einer Mischung aus Tsipras und Trump. Dazu kommt jugendliche Ausstrahlung und ein telegenes Aussehen (hat sicher extrem gute Ergebnisse bei Frauen bis 40).

Er hat ja auch keine Partei hinter sich, sondern eine Bewegung gegründet. Eine, die enormen Zulauf erhält.

Was ist aber nun, wenn er Präsident wird und nach der Zauberei auf der Wahlkampfbühne und lauter „Yes, we can“-Anklängen auf dem Boden der Tatsachen landet? Wird aus ihm eine Art Pop-Star-Politiker für die Masse, die schöne Geschichten/Reden hören möchte. Gross gefeiert von den Medien der Mitte, geliebt von den Kameras, diskutiert in Lifestylemagazinen, ein hipper, junger Präsident (nur 39), aber ohne Substanz? Gar ohne Rückhalt?

Denn so ganz ohne Partei im Parlament ist es selbst für den franz. Präsidenten nicht einfach, seine hohe Machtfülle wirken zu lassen.

Wie wird das Machtgefüge Präsident/Parlament funktionieren? Etwa reibungslos? Oder wird die Republik eine unruhige Phase der Blockadepolitik durchleben?

Gruß
vdmaster

Heute geht der DAX (derzeit +2,1 %) wohl von Funktionierenden Verhältnis aus.

Hallo,

das wäre ja nur das Börsen-Gehuste von wenigen Stunden. Und selbst falls dieser Anstieg die Reaktion auf die Vorwahl wäre, würde sie nur wiedergeben, dass man in D wirtschaftl. positiv gestimmt ist. Also ein Beruhigungseffekt evtl., da nicht beide Radikale von links und rechts die Vorwahl gewinnen, was sich auf die EU und den Euro massiv (bis zum Verschwinden für die Schwarzseher) hätte auswirken können.

Mir ging es aber um die innenpol. Entwicklung in Frankreich.

Gruß
vdmaster

Nachgang

Dass ihr jetzt mit Emmanuel Macron ein Jungspund den Rang abläuft, der sich zuvor noch nie einer Wahl gestellt hat und der sich wie sie als Kandidat „anti-système“ positioniert - nur am anderen Ende des Spektrums - muss sie, freundlich formuliert, irritieren.

WTF? Melenchon, Le Pen und Macron sind alle drei Anti-Establishment, wobei Melenchon den spektralen Gegenpol zu Le Pen einnimmt, während Macron die gemäßigte Mitte besetzt hält.

Offenbar hat man kürzlich ein neues Spektrum eingeführt und System setzt man nun mit der EU gleich. Nur in diesem „EU-Spektrum“ ist Macron tatsächlich der Gegenspieler der sich sehr einigen Paarung Melenchon/Le Pen.

Frage mal einen Franzosen was er dazu meint. Die Mehrheit
steht hinter Macron. Ob Macron doch eine Partei gründet ist was anderes.

Du hast Sorgen, die die Franzosen nicht haben, da sie ja
bekanntlich im Land wohnen und von den Ausland Franzosen unterstützt
werden.

Du solltest öfters Französische Zeitungen lesen um dir ein
Bild zu machen, Spiegel etc. zählen nicht.

Übrigens, ohne Progamm, wo wäre er?
Claude

Hallo Claude,

falls die Mehrheit der Franzosen hinter Macron stünde, dann hätte er über 50% abgesahnt.

Da sind noch nicht einmal die Nichtwähler berücksichtigt, über die ja seit einiger Zeit (->Referendum Türkei) das Märchen in Umlauf gebracht wird, dass sie wg. ihrer Unterhaltung eigentlich mit Nein abgestimmt hätten. Aber bei einem System mit Vorwahlen und dem üblichen Rexervoir von Nichtwählern wollen wir uns bei denen nicht mit Erklärungsansätzen verzetteln. :wink:

Jetzt, da es in die Stichwahl geht, wird Macron mit maximaler Wahrscheinlichkeit zum neuen Präsidenten gewählt werden. Dabei werden die wenigsten ihn für den besten Kandidaten halten, sondern nur für das kleinere Übel(vgl. wieder: sonst hätte er gleich >50% bekommen).

Aber ich will Dir Macron auch nicht vermiesen. Ausser Budenzauber und Populismus sehe ich bei ihm nur und ausschliesslich das prinzipielle Bekenntnis zur EU. Aber nicht einmal zur EU wie sie jetzt besteht, sondern zu einer vertieften EU. Am besten zu einer EU, die ihre Staatsschulden vergesellschaftet. Denn Macron würde nur zu gerne das franz. Defizit im Haushalt durch die deutsche schwarze Null (bzw. den kleinen Überschuss) deutlich mehr ausgleichen lassen als das nach bisherigem EU-Haushalt der Fall ist. :wink:

Das ist alllerdings Zukunftsmusik und da wird er sich vorerst die Zähne an der dt. GroKo ausbeissen, solange die SPD nicht überläuft bzw. die CDU mit Kündigungsdrohungen erpresst oder - weitaus schlimmer! - es im Herbst doch zu R2G käme.

Och, hier habe ich eine schöne Analyse der Befindlichkeiten des franz. Wählers und seiner Haltung zum Präsidentenamt selbst sowie im Hinblick auf Macron.

Deine These, dass die Auslandsfranzosen das Mutterland unterstützen, bezieht sich auf wirtschaftl. Aspekte? Gibt es dazu Zahlen? Ich bin mir nicht sicher, ob ich Dich in diesem Punkt richtig verstehe.

Ich könnte nur eine mit sehr vielen Bildern „lesen“. Ich kann kein Französisch.

In der Stichwahl und in wenigen Wochen im Palais de l’Élysée. Wo ist denn sein Programm? Mehr als ein paar sehr grobe Rahmenpunkte hat man noch nicht gehört.

Gruß
vdmaster

Von einer Googleübersetzung hast Du noch nie gehört :flushed:
Da sollst einen Button geben. :stuck_out_tongue_winking_eye:

Könnte die Le Figaro oder Le Monde ans Herz legen.

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Hallo,

wenn, es Dir nicht in den Kram passt, wirst Du plötzlich blind.

Weltweit haben die Börsen positiv reagiert, wie erwartet. Und nicht nur die Börsen. Der Dax steht zur Zeit bei plus 3.12 Prozent. Die einzigen Parteien, die in Deutschland Macron nicht gratuliert haben waren Die Linken und die AfD. Das passt!

Ich habe an anderer Stelle geschildert, warum es zu den Wahlergebnissen kommt (Österreich, Holland, Frankreich). Wir müssen dem orange Deppen dankbar sein!

Wie Macron einschlägt, kann keiner wissen. Er will 150.000 Beamte einsparen und die Wirtschaft (besonders den Arbeitsmarkt) reformieren. Beides ist bitter nötig.

Unruhe wird es vor allem durch die Gewerkschaften geben.

Gruß, Hans-Jürgen Schneider

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Da kommt nur unverständlicher Mist raus. Gerade aber bei der Berichterstattung über pol. Themen kommt es auf die sprachl. Finessen an.

Erst lesen, dann denken, dann antworten.

Diese Reaktionen waren vorauszusehen. Teile der AfD werden Le Pen gratuliert haben und die Linkspartei schmollt eben, weil der Ausbruch des Radikalsozialismus in Frankreich doch nicht erfolgen wird. Wie die drauf sind, kann man am Verhalten bzgl. Venezuela sehen.

Noch einmal: Die Entwicklung des DAX spiegelt nur wieder, dass die Anleger ein Szenario abgewendet sehen und wirtschaftlich mit Macron keine Probleme sehen.

Mir ging es um die innenpol. Balance zwischen Macht des Parlaments und Macht im Palast. Denn Macron ist der erste Outsider seit … Ewigkeiten. Deutlich bequemer dürfte das herumpräsidieren sein, wenn die eigene Hausmacht auch im Parlament den Ton angibt.

… was er aber nicht allein entscheiden kann. Und auch aus seiner Zeit als parteiloser Minister hatte er den Spitznamen „Makrönchen“ weg, weil er zwar grosse Ankündigungen machte, aber nur kleine umsetzte.

Und die sind in F deutlich gewaltgeneigter als hierzulande.

Die AntiFa hat sich gestern ja schon in Paris ausgetobt. Die waren wohl aus dem gleichen Grund angesäuert wie die Linkspartei.

Ein Sieg Le Pens war nie ernsthaft vorausgesagt worden, aber als hypothetische Möglichkeit befürchtet worden. Zugelegt hat sie und auch der FN wird bei den Parlamentswahlen gehörig hinzugewinnen. Von daher ist sie schon stärker gewichtet als zuvor. Was man von den Etablierten nicht sagen kann. Interessant wird noch die Frage sein. ob die Partei des Linken ebenfalls so heftig zulegt. Denn bislang waren sie ein Leichtgewicht.

Und das nennst du radikal? Was genau ist denn daran radikal, wenn man gegen eine Nato ist (mit Diktaturen wie Türkei) oder gegen eine EU? Schließlich haben sehr sehr viele Bürger diese beiden Parteien gewählt. Alle radikal?

Franz

Ja, das Wahl-Ergebnis war erwartet. Dass die Börsen nun positiv reagieren, bedeutet was? Eine Spekulation ist erfüllt?

Franz

Ganz grauslich darbt die britische Börse dahin, seit diesem Brexit. Wie erwartet :joy:

Ich denke, dass die Regierung nun auch ein Parteidurchsetzungsgesetz auf den Weg bringen wird, welches alle Parteien gegen Strafandrohung zur politisch korrekten Scheinheiligkeit einer GroKo verpflichtet. Alles wird gut.

Franz

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Nein, die Parteien sind per se schon die Ränder ihres Spektrums.

Das hat mit der Haltung zur EU oder NATO erst einmal nichts zu tun. Ich wollte nur aufzeigen, wie sehr sie sich in zwei durchaus zentralen Punkten einig sind.

Über die TÜR habe ich mich schon mehrfach geäussert. IMHO hätte man sie bereits aus der NATO rauswerfen sollen, als sie anlässlich des Zypernkonflikts die Hälfte der Insel zuerst besetzten und de facto anschliessend durch Kolonisierung (Ansiedlung von Festlandstürken) dauerhaft okkupierten.

Genauso hätte die TÜR niemals Kandidat für den Beitritt zur EU werden dürfen. Die Kriterien erfüllten sie noch nie, unabhängig von meiner Meinung, dass sie nur wg. mit dieses Restzipfel auf dem europ. Kontinent per se nichts in der E-U zu suchen haben.

Nun sind Jahrzehnte vergangen und es hat sich bis auf gelegentliches Tauwetter nichts wesentliches geändert. Die TÜR zu hofieren war damals ein Wunsch der USA. Die Gründe, so militärstrategisch sinnvoll sie damals gewesen sein mögen, ziehen ebenfalls seit Jahrzehnten nicht mehr.

Und die Haltung der EU, dass man nun u.U. darüber diskutieren würde, ob man vielleicht noch darüber sprechend muss, dass man ggf. erwägen sollte den Beitrittsprozess mal wieder vorübergehend aus Eis zu legen, zeigt nur die völlige Unfähigkeit der EU auch mal Nägel mit Köpfen zu machen.

Jetzt wird eben so getan, als wäre die Einführung der Todesstrafe dann aber auch wirklch die allerletzte rote Linie, die Erdogan keinesfalls überschreiten darf. Bis er es macht … dann werden neue, nicht existente Grenzen aufgezeigt. Die EU lässt sich wie ein völlig verblödeter Ochse am Nasenring durch das Dorf ziehen. Keine Eier, kein Hirn und kein Rückgrat.

Sowas sendet aber auch das Signal an andere Staaten, dass sie uns nach Belieben auf der Nase herumtanzen können und eben keine Konsequenzen zu tragen haben. Bei verständigen Herrschaftssystemen (richtige Demokratien) mag das eine angemessene Form der Diplomatie sein. Bei anderen HSen eben das genaue Gegenteil, weil es als Schwäche ausgelegt wird und auch Schwäche ist.

Gruß
vdmaster

Gleich eine Harmonisierungsrichtline auf EU-Ebene.

Und dann erkundigt man sich nochmal beim Erdogan, ab wann genau man von Putschversuchen halluzinieren „darf“. :stuck_out_tongue_winking_eye:

Das ist ein Minus von 26% :sunglasses::wink:

Unvergessen der Antrittsbesuch von Merkel bei Hollande, nachdem sie sich vor der Wahl klar für Sarkozy bekannt hat. Diesmal hat sie sich bewusst nicht vorentschieden. Sie macht zwar viele Fehler, aber nicht alle mehrfach.

Franz

Warte erst mal den Mittwoch ab, wenn die EU ihr Sorgenfreipaket „Soziales“ präsentieren wird. Da können wir dann so richtig ablästern! Da wird alles, was du bislang noch als radikal links bezeichnest, jenseits von rechts sein. Die EZB druckt schon wie wild…

Franz

Hey, 28,6% für den Sozialisten Hollande in 2012 und 2017 nun 6,4% für den Sozialisten Hamon.

Das klingt fast nach 100%iger Erfüllung des Plansolls … falls sie geplant auf die Null zusteuerten.

Btw erinnert es an den Absturz der niederländischen Sozialdemokraten.