1.Weltkrieg-Welcher Ansicht ist Thomas Nipperdey

…zur Schuldfrage des 1.Weltkrieges?
Was sind seine Argumente ?
Hier ist sein Text :

Der Historiker Thomas Nipperdey 1991:
„Der Krieg, die deutsche Kriegsbereitschaft und die Krisenpolitik waren nicht eine Folge des deutschen Systems. … Auch in den parlamentarischen Ländern waren Kriegsbereitschaft und Kriegsentscheidung einerseits Sache der Exekutive, und überall spielten die Militärplanungen eine bedeutende und verhängnisvolle Rolle. … Zwei Dinge gelten für alle und diese Gemeinsamkeit bewirkt ein Stück weit den Eindruck vom blinden Verhängnis: Alle glaubten sich in der Defensive, und alle waren kriegsbereit. Alle überschätzten die eigene existenzielle Bedrohung, alle unterschätzten den kommenden Krieg. … Der Krieg kam, weil alle oder einige am Frieden verzweifelten, nicht weil alle oder einige zum Krieg unter allen Umständen entschlossen waren. Und wenn man die Spielräume, die Entscheidungsfreiheit der Handelnden bedenkt, so haben alle Anteil an der Zuspitzung der Krise, wenn auch unterschiedlich an dem Scheitern der Krisenbewältigung, an dem Ende des Friedens. Darum sprechen wir vom Ausbruch, nicht von der Entfesselung des Ersten Weltkrieges.“

Dankeee im voraus :smile:

Hallo Girly_Girl_1996: „Amtlich“ heißt es ja, daß Deutschland „an allem“ Schuld war und die deutschen Militärköppe waren, die nichts Anderes im Kopf hatten, als Krieg zu führen. Nipperdey sagt nun: Nein, nein - auch in den anderen (parlamentarischen Ländern war man so weit gerüstet und drauf und dran, bei nächstbester Gelegenhreit in den Krieg zu ziehen. Dasbei haben sie nicht gewußt oder bedacht, was fa auf sie zukommt - und alle fühlten sich im Recht (sowieso wie bei jedem Krieg. Und dann war´s fast zwangsläufig, daß der Krieg ausbrach, sagt Nipperdey, und nicht, daß eine kriegswilde Macht den Krieg entfesselt hat.

Ich glaube, er weitgehend Recht, wobei mir bei der Erörterung über den Ausbruch des ersten Weltkriegs die Rolle Österreich-Ungarn stets zu kurz kommt. Ö-U wollte doch,wenn ich´s richtig sehe, Genugtuung für den Mord am Thronfolgerpaar in Sarajewo. Und, wie ich sehe: Sehr überzogen.

Hoffentlich hilft´s. Dank für Dein Vertrauen. Grüße

Bin da nicht der richtige Ansprechpartner, meine Interessen sind Vor- und Frühgeschichte

Hallo,
also ich verstehe den Text so, dass die Schuld nicht im deutschen Regierungssystem zu suchen ist und auch nicht an einer Begeisterung für den Krieg zu messen ist. Er begründet den Ausbruch des 1. WK durch die Haltung der Menschen, die keinen Sinn im Frieden sehen konnten.

Man kann seine Feststellung mit dem Ausbruch einer schweren Krankheit vergleichen: Wenn es allen egal ist, dass eine Krankheit auszubrechen droht und sich keiner darum kümmert Vorbeugungen zu treffen, dann bricht schließlich die Krankheit aus.

Die Schuldfrage kann man also so verstehen, dass es nicht darum geht, dass der Krieg begonnen wurde, sondern es geht darum, dass er nicht verhindert wurde.

Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen.
Tschüss!

Hallo Girly Girl,

ich versteh Deine Frage nicht. Thomas Nipperdey erklärt doch sehr klar, was er als Schuldfrage sieht.

In der Schule habe ich gelernt, dass die Schüsse von Sarajewo und das von Kaiser Franz Josef gestellte, nicht erfüllbare Ultimatum, den Anstoß zum 1. Weltkrieg gaben. Und hier kommen nun die Argumente von Herrn Nipperdey zum Zuge. Es war doch schon immer so, dass viele eigenen Interessen der Länder diese veranlassten, sich am Kriegsgeschehen zu beteiligen bzw. Länder durch Verträge verpflichtet waren, dem einen oder anderen Land beizustehen.

Der zweite Weltkrieg war eigentlich dann nur noch eine Fortsetzung des 1. Weltkrieges. Die in Versailles beschlossenen Repressalien für die Verlierer, nämlich Deutschland, führten zu Arbeitslosigkeit und Armut. So war es ein Leichtes, die geschundenen Bürger mit großen Versprechungen in die Arme von Hitler zu treiben und für neue Kriegshandlungen zu begeistern.

Mizzerl

Um die Schuldfrage zu beantworten werde ich kurz darlegen wie sich die Sache meines Wissens nach abgespielt hat. Dann werde ich auf den Text des Kollegen eingehen.

Der unmittelbare Auslöser für den 1. Weltkrieg war der erfolgreiche Anschlag auf das österreichisch-ungarische Thronfolgerpaar in Sarajevo (Ein Treppenwitz der Geschichte ist, dass die Attentäter mehr Freiheit für die slawischen Völker forderten, aber genau jenen Mann erschossen, der sich dafür einsetzen wollte). Darin sahen die Regierung und die Militärs in Wien die Möglichkeit mit den Serben aufzuräumen und das Habsburgerreich zu vergrößern. Darum wurde Belgrad ein Ultimatum gestellt, dessen Annahme ein Ende der Souveränität Serbiens bedeutet hätte. Gleichzeitig holte man sich in Berlin die Rückversicherung, dass das Deutsche Reich im Kriegsfall, gemäß den geschlossenen Verträgen, zu Österreich-Ungarn stehen würde. Aus Berlin kam die Antwort, dass man, egal was kommen möge zu Österreich-Ungarn stehen würde. Dieser „Blankoscheck“ wurde dazu genutzt um Deutschland die alleinige Kriegsschuld zuzuweisen.

Als Belgrad kurz vor ablaufen des Ultimatums alle Bedingungen bis auf eine annahm schrieb Wilhelm II, das kein Krieg nötig sei. Allerdings waren auf österreichischer Seite die Kriegsvorbereitungen zu diesem Zeitpunkt schon voll angelaufen, wenn nicht schon abgeschlossen, weil man sowieso: „…mit den Serben aufräumen…“ wollte und man auch gar nicht damit gerechnet hat, dass Belgrad so weitreichende Zugeständnisse machen würde. Ich glaube, dass da Russland, als „Großer Bruder“ da Druck auf Belgrad ausgeübt hat.
Da nicht alle Bedingungen erfüllt wurden marschierte Österreich-Ungarn in Serbien ein und setzte so den Bündnismechanismus in Gang, der dazu führte, dass aus dem Balkankonflikt ein europäischer Krieg wurde der sich dann zum 1. Weltkrieg ausweitete.
Dieser Bündnismechanismus kam durch die Politik Wilhelms II. zustande. Er wollte für Deutschland einen „Platz an der Sonne“ erkämpfen und rüstete dafür auf. Dadurch fühlten sich vor allem Frankreich, das im Krieg 1870/71 gegen Deutschland verlor und Groß Britannien, dass um seine Vormachtstellungauf den Weltmeeren fürchtet, bedroht. Frankreich und Großbritannien schlossen sich zur Entente cordial, zu der dann auch Russland stieß (Triple Entente), zusammen. Bismarck, der von Wilhelm II entlassen worden war, dagegen war darauf bedacht das Deutsche Reich mit vielen Bündnissen nach allen Seiten ab zusichern.

Als nun Österreich-Ungarn in Serbien einmarschierte, sah sich Russland veranlasst dem kleinen Bruder zu helfen. Allerdings hatte Russland auch ein großes Interesse dass der österreichisch-ungarische Einfluss auf dem Balkan nicht zu groß wurde, denn Russland betrachtete den Balkan als sein Einflussgebiet. So setzte sich die Bündnismechanik in Bewegung.
Ich denke, dass das Zitat des Kollegen Nipperdey richtig ist, allerdings glaube ich, dass man damit die Schuldfrage nicht erklären kann. Es gilt heute als erwiesen, dass das Deutsche Reich nicht die alleinige Schuld am Ausbruch des 1. Weltkrieges hat. Auch in Österreich-Ungarn gab es Kriegstreiber. Offiziere die im Krieg bessere Karrierechancen sahen und Politiker die „mit Serbien aufräumen“ wollten. Diese Kriegstreiber taten das Ihrige um eine Beilegung der Krise zu verhinder. Auch ich bin der Meinung, dass sich damals alle in der Defensive sahen, wirtschaftlich wie militärisch, obwohl das Deutsche Reich dabei war Frankreich sowohl beim Bevölkerungswachstum, als auch der Industrieproduktion zu überholen. Die Entscheidungsträger sahen das aber genau umgekehrt und wollten den Krieg gegen Frankreich so schnell wie möglich.

Hallo,
diese Frage habe ich beantwortet. Offenbar wurde die Antwort aber nicht registriert. Da ich offen gestanden, keine Lust verspüre, alles nochmals zu schreiben, nur kurz. Wenn ich meine Büchersammlung zum Thema Erster Weltkrieg und „Kriegsschuld“ überblicke, muss ich bekennen, dass sicn diese Frage im rahmen dieses Forums nicht beantworten läßt. Ich schätze Thomas Nipperdey. Ich habe von ihm gelesen. Aber ein Spezieliat für den Ersten Weltkrieg ist er nicht.
Viele Grüße
Rolf bürgel

Ich interpretiere diesen Text so:
Nicht nur Deutschland allein war schuld am Ausbruch des Krieges, auch in anderen, auch demokratischen Ländern, waren die Handlungsorgane des Staates bereit zum Krieg. Alle trugen ihre Teil dazu bei, dass der Krieg am Ende unausweichlich war.

Lies mal Christopher Clark’s Schlafwandler. Clark schreibt darin, dass die Forderungen der Österreichisch-Ungarischen Regierung nach Aufklärung des Mordes am Thronfolger nicht weitreichender waren, als das Ultimatum der Nato an Serbien 1999. Unter Anderem wurde gefordert und von den Serben abgelehnt, österreichische Beamten zur Aufklärung des Falles ins Land zu lassen, weil man den begründeten Verdacht hatte, dass die Attentäter vom serbischen Königreich unterstützt wurden (Die Waffen waren aus serbischen Militärbeständen, die Attentäter hatten Kontakt zum serbischen Geheimdienst).