Nachlassendes Seh- aber auch Hörvermögen kann zu einer Verunsicherung des Hundes führen. In diesem Alter wäre das durchaus nicht ungewöhnlich.
Weitaus stärker wirkt sich aber in den meisten Fällen das Verhalten des Menschen aus. Ein (in Variationen) oft typischer Verlauf:
Der Hund zeigt Meideverhalten angesichts der Dunkelheit. Der Mensch wendet sich dem Hund zu und beginnt besorgt-freundlich auf ihn einzureden. Er lockt, packt Leckerchen aus und motiviert, geht ein paar Schnittchen nach vorn, dann wieder zum Hund, zupft mal kurz an der Leine, blubbert wieder auf den Hund ein usw.
Der Hund als Rudeltier versteht dieses Verhalten völlig anders als der Mensch dies beabsichtigt hat. Selbst verunsichert, erlebt er seinen zweibeinigen Partner plötzlich als völlig durch den Wind. Was beim Hund ankommt, ist mitnichten liebevolle Zuwendung, sondern starke Unsicherheit beim Menschen.
Die Schlussfolgerung für den Hund: Wenn der so viel Schiss hat und nicht weiß, was zu tun ist, setz ich keine Pfote mehr nach draußen, wenn’s dunkel ist.
Auch wenn der Hund ein Problem mit nachlassender Fähigkeit seiner Sinnesorgane hat - bzw. gerade wenn dies der Fall ist, braucht er in erster Linie eines: Sicherheit durch den Menschen.
Heißt: Verändere dein Verhalten. Leine den Hund ganz normal an und dann geh’ ganz normal raus. Fordere ihn einmal (!) motivierend zum Mitkommen auf und dann gehe los. Der Hund wird sich sträuben, denn er hat nun schon ein Weilchen gelernt, dass es anscheinend gefährlich ist, im Dunkeln rauszugehen.
Aus diesem Grund hilft nur, ihn mitzuziehen. Wenn der Hund ein Geschirr trägt, ist das überhaupt kein Problem. Wichtig ist, nicht zu zögern und nicht nachzugeben, sondern entschlossen weiterzugehen.
Unbedingt fröhlich-freundlich dabei bleiben, denn es gibt keinen Grund für Ärger. Du musst der Fels in der Brandung sein, der Anführer, der in diesem Moment dem Hund beweisen muss, dass da draußen kein Dinosaurier lauert.
Dreh dich nicht zum Hund um, quassle nicht auf ihn ein. Ein zweites, motivierendes „Auf geht’s!“ ist erlaubt, mehr nicht. Der Hund wird irgendwann aufhören, sich zu wehren und die ersten zögerlichen Schritte machen. Dies wird sofort mit einem (!) „Fein!“ gelobt, ohne aber in weiteres Geblubber zu verfallen.
Stattdessen geht’s zügig weiter. Der Hund muss die Erfahrung machen können, dass ihm tatsächlich nichts passiert und dass du weißt, was gemacht wird. Wenn du aufgibst, erzielst du den völlig gegenteiligen Lerneffekt und hast den Hund noch weiter verunsichert.
Bedeutet: Wenn du dich entschließt, das zu tun, musst du es auch durchziehen. Wenn das Meideverhalten noch nicht sehr gefestigt ist, genügt oft schon ein einziges Mal. Am nächsten Abend wird der Hund bereits viel weniger Gegenwehr zeigen.
In drei bis fünf Tagen sollte das Problem gelöst sein.
Jule