1848 und 1968

Hallo, ich hätte da eine für mich knifflige Frage zu den deutschen Revolutionen. Kann man diese beiden politisch gescheiterten REvolutionen miteinander vergleichen? Bei der Revolution 1848 gab es 3 Strömungen, die Biedermaier, die Romantiker und die Nationalisten. Wie sah es nun bei der Revolution 1968 aus? Gab es dort auch mehrere oder vielleicht die gleichen Strömungen oder haben sie sich sogar untereinander vermischt? Ich würde mich freuen, wenn ihr mir helfen könntet, den Vergleich zu ziehen.

MFG
Hans

1968 ??? Revolution?

Hab ich was verpasst?

Gruß Max

Hi,

1968 fand keine Revolution statt. Die „68er Revolution“ wird nur so bezeichnet, um die tatsächlich tiefgreifenden Veränderungen dr Gesellschaft zu beschreiben, die in diesem Jahr einsetzten. Natürlich hatten diese Ereignisse auch eine politische Komponente, aber eine wirkliche Revolution war mehr der Anspruch als ein konkretes Ziel. Da waren die Autonomen der 70er Jahre schon deutlich zielgerichteter, wenn sie natürlich auch weit hinter der Bedeutung der 1848er Revolution zurückblieben und noch weitaus weniger erreichten als diese.

Gruß

Volker

1968 ??? Revolution?

Hab ich was verpasst?

Gruß Max

Ich muss mich erstmal entschuldigen, ich hab mich zu kurz gefasst. Mir ist bewusst, dass es falsch wäre, die 68er als eine Revolution zu bezeichnen, da man dies mit einem Herrschaftswechsel verbindet. Aber gesellschaftlich war sie ja recht erfolgreich. Es gibt viele gesellschaftliche Regeln, die dadurch geändert wurden. Man nehme die Frauenemanzipation (Alice Schwarzer) oder die „sexuelle Revolution“ (Oswald Knolle oder so ähnlich^^). Aber politisch gesehen hat sich nichts verändert.
Im Grunde sind die „revolutionen“ von 1848 und 1968 ja nur die Reaktionen der direkt nachfolgenden Generation. Mich persönlich würden jetzt die politischen Strömungen interessieren. In der „Revolution“ von 1848 gab es ja 3 politische Strömungen. Die Biedermeier (die sich politisch ausgeklinkt hatten), die Romantiker und die Nationalisten. Jetzt wollte ich versuchen, einen Vergleich zwischen den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eben jener Zeiten herzustellen.

Gruß
Hans

In der „Revolution“ von 1848 gab es ja 3
politische Strömungen. Die Biedermeier (die sich politisch
ausgeklinkt hatten), die Romantiker und die Nationalisten.

Hi,

das stimmt imho nicht. Von Biedermeier spricht man eigentlich erst nach 1848. Auf der politischen Ebene bedeutet diese Bezeichnung eine Haltung, die als Reaktion auf die gescheiterte Revolution verstanden wird: Angesichts des Misserfolgs und der darauf folgenden staatlichen Repression zogen sich Viele ins Privatleben zurück. Dass es natürlich auch während der Revolution Unbeteiligte und Unpolitische gegeben hat, steht außer Frage.
Die Romantik ist weniger eine politische als eine ideengeschichtlich-kulturelle Strömung, die allerdings sicher etwas mit der Revolution zu tun hatte, aber sie stand nicht im Gegensatz zum Nationalismus, sondern war ihm sehr nahe. Das zeigt sich unter anderem in der Wertschätzung des „deutschen“ Mittelalters oder des für authentisch germanisch gehaltenen Sagenschatzes.
Nationalistisch waren im Prinzip alle die Revolution tragenden Strömungen, da das Streben nach dem Nationalstaat ja gerade das progressive Element war, angesichts der Fürstenherrschaft.
Die politischen Gruppierungen während der Revolution waren anders gelagert und glichen bereits relativ stark unseren heutigen parteipolitischen Strömungen. Träger war das liberale Bürgertum, wobei sicher auch nicht-bürgerliche Schichten (Bauern, Handwerksgesellen usw.) eine Rolle spielten. Dieser Liberalismus war aber in der politischen Programmatik sehr stark gespalten, je nachdem, welche neue Staatsordnung man erreichen wollte. Außerdem gab es bereits eine kleinere Gruppe von Radikalen, sozusagen Sozialisten. Dann existierte ein starker konservativer bzw. monarchistischer Block, der die bestehenden Verhältnisse nur geringfügig ändern wollte. Außerdem begann sich auch der politische Katholizismus zu entwickeln, aus dem die Zentrumspartei entstehen sollte.

Gruß

Volker

Hallo, also erstmal vielen Dank. Ihr versorgt mich alle schön mit Informationen für mein Abitur:smile:
Zu den Biedermaiern: Die Bezeichnung ist insofern nicht korrekt, da das Wort zum ersten Mal 1855 auftaucht. Die deutschen Schriftsteller Ludwig Eichrodt und Adolf Kußmaul schreiben 1855 eine Parodie über das spießige Großbürgertum und Hauptakteur ist ein gewisser Gottfried Biermaier.
Außerdem würde ich nicht sagen, dass diese politische Zurückgezogenheit auf die gescheiterte Revolution 1848 zurückzuführen ist, sondern auf das Scheitern der franz. Revolution in Deutschland.

Gruß
hans

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In der „Revolution“ von 1848 gab es ja 3
politische Strömungen. Die Biedermeier (die sich politisch
ausgeklinkt hatten), die Romantiker und die Nationalisten.

Hi,

das stimmt imho nicht. Von Biedermeier spricht man eigentlich
erst nach 1848.

Wirklich?

Das Lexikon sagt was anderes:

„Biedermeier bezeichnet die unpolitische Restaurationszeit zwischen 1815 und 1848. Benannt wurde diese Epoche nach dem Dichter und Lehrer Gottlieb Biedermaier. Der Begriff bezieht sich zum einen auf die Wohnkultur und Kunst des Bürgertums, zum anderen auf die Literatur der Zeit, die beide häufig zu Unrecht als „hausbacken“ und unspektakulär galten.“ (aus: Wikipedia.de)

und

„Biedermeierzeit, etwa von 1815-48. Der bürgerlich bestimmte Biedermeierstil äußerte sich außer in der Kleidung v. a. in der Wohn- und Möbelkunst mit ihrer schlichten Behaglichkeit, ihren klaren, leicht geschwungenen Formen und ihrer Gediegenheit. Beschaulichkeit und gute Beobachtung kennzeichnen die Malerei.“ (aus: Brockhaus.de)

aber:

„Biedermeier [nach L. Eichrodts Gedichten »Biedermaiers Liederlust«, seit 1855]“ (aus: Brockhaus.de)

d.h. die Gedichte „Biedermaiers Liederlust“ sind ab 1855 erschienen. Die historische Epoche „Biedermeier“ war da aber bereits abgeschlossen.

Grüße
Heinrich

Die Ereignisse von 1848/49 waren mehr das Ende des Biedermeiers als dessen Beginn.

Die Ereignisse von 1848/49 waren mehr das Ende des
Biedermeiers als dessen Beginn.

Stimmt. Hast Recht. Da hab ich wohl was verwechselt. Naja, Künstlerpech.

Etwas spät zwar, aber vielleicht doch interessant?

1848 gab es mehr als 3 Strömungen, wenn man es denn so bezeichnen möchte. Es gab unter anderem die Konstitutionellen, sowohl radikal und liberal, die eben eine konstitutionelle Monarchie errichten wollten und im Frankfurter Paulskirchen-Parlament letzten Endes auch die Oberhand behielten. Dann gab es natürlich die Monarchisten, sogenannte Konservative, die für einen Fortbestand der bestehenden Machtverhältnisse eintraten, die liberalen und radikalen Demokraten sowie die liberalen und radikalen Republikaner. Zu letzteren zählten z.B. Gustav (von) Struve und Friedrich Hecker. In ihrer Gesamtheit sind die politischen Beteiligten nur schwer zu erfassen, da die Grenzen der politischen Forderungen ja verschwimmen. Hauptsächlich war man im Parlament, nach der schweren Einigung auf eine konstitutionelle Monarchie, damit beschäftigt, eine Verfassung für einen gesamtdeutschen Staat unter Ausschluss der deutsch-österreichischen Gebiete zu entwerfen. Als dies 1849 schließlich geschafft war, putschte der preußische König gegen das Parlament und alles endete in blutigen Kämpfen.

Man kann so gesehen für 1848 von einer Revolution sprechen, wie sie im allgemeinen Sprachgebrauch verstanden wird, denn sie schuf, wenn auch nur für kurze Zeit, eine politische Machtveränderung im Gebiet des heutigen Deutschlands. Dies trifft ja für 1968 nicht wirklich zu. Daher finde ich, kann man die beiden Ereignisse nicht nebeneinander stellen. Die Umwälzungen und Kämpfe von 1918/19 wären eher ein ähnliches Ereignis wie 1848/49. Studentische Revolten hat es schon im 18ten Jahrhundert gegeben, das ganze 19te Jahrhundert, mit Ausnahme des Zeitraums unter der Herrschaft Napoleons und ebenso auch im 20ten Jahrundert, in verschiedenen Ausmaßen und mit verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Veränderungen.

Die Revolution von 1848/49 fällt in die Biedermeierzeit, das stimmt. Mit ihr kam, zum Ende der napoleonischen Ära, auch die Romantik auf, welche sich vor allem im künstlerischen Bereich verbreitete. Ihr verdanken wir nicht nur großartige Landschaftsgemälde und bäuerliche Szenen, sondern auch ein paar der schönsten deutschen Volkslieder und Gedichte.
Der „deutsche“ Patriotismus und Nationalgedanke entstand während den sogenannten „Freiheitskriegen“ ab 1813, kulminierte kurz in der Revolution 1848/49 und wurde später, ab 1866 gefördert um die Reichsgründung voranzutreiben, angeblich auf Verlangen der deutschen Völker, sicher aber aus anderen politischen Interessen, nicht wahr, Herr Bismarck? ;o)