Kommt " es " wieder ?
Bertold Brecht
In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brannten in Wien 42 Synagogen und jüdische Bethäuser, zahllose jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden geplündert, zerstört und beschlagnahmt. 6547 Juden wurden festgenommen und 3700 davon in das Konzentrationslager Dachau verschickt.
Hinter all diesen Daten, Zahlen und Fakten steht jenes unsagbar grauenvolle Leid, das in der „Reichskristallnacht“, im „Novemberpogrom 1938“ jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern von den nationalsozialistischen Machthabern angetan wurde.
Diese Nacht vom 9. zum 10. November 1938 war kein Randphänomen der Geschichte des Dritten Reiches, sondern ein Geschehen, dem zentrale Bedeutung zukommt.
Die „Reichskristallnacht“ war eine Hauptstation auf dem Weg der verbrecherischen nationalsozialistischen Judenpolitik zum Völkermord.
Der Reichspropagandaminister Joseph Goebbels nützte das Attentat des 17jährigen Herschel Grynszpan auf den deutschen Diplomaten Ernst von Rath in Paris zum Aufruf zu einer von Partei und Staat getragenen reichsweiten Strafaktion gegen die Juden. Getarnt als „spontanen Ausbruch des Volkszorns“ schlugen die Nationalsozialisten zu und zeigten erstmals unverhüllt ihren auf die Juden gerichteten Vernichtungswillen.
Allzuviele opportunistische Mitläufer folgten, die Juden blieben ohne Hilfe dem verbrecherischen Treiben ausgeliefert.
Es waren wenige, die offenen Widerstand wagten. Es waren auch zu wenige, die ihre Mißbilligung äußerten, statt in den geifernden Chor einzustimmen. Dabei wäre gerade auch das immens wichtig gewesen.
So fand in der Woche vor dem 9. November 1938 in Kassel (heutige BRD) quasi ein Probelauf statt, bei dem ein regional begrenztes Pogrom inszeniert wurde.
Die Machthaber waren sich ihrer Sache ganz einfach nicht völlig sicher. Die Zustimmung und auch aktive Beteiligung der Bevölkerung übertraf alle Erwartungen der Nazis.
Was danach kam, ist allgemein bekannt: Auf die sukzessive Entrechtung der jüdischen Bevölkerung durch die Nürnberger Rassengesetze usw. und das Novemberpogrom folgten die Arisierungen, das Einpferchen in Ghettos, am Schluß die industrielle Vernichtung von Millionen Menschen – am Historikerstreit wieviele es waren, wollen wir uns nicht beteiligen.
Vom ehemaligen Aspangbahnhof sind die Wiener Juden in die Konzentrationslager gebracht worden.
Und wer es wissen wollte, hat Bescheid gewußt.
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Der vielen anderen Menschen, die durch das nationalsozialistische Regime gequält, drangsaliert, umgekommen und ermordet worden sind, wollen wir bei dieser Kundgebung ebenfalls gedenken: Linke, Menschen die gegen den Faschismus Widerstand geleistet haben, Homosexuelle, Sinti und Roma, sogenannte „Geisteskranke“ und sogenannte „Asoziale“ – Kriminelle und Obdachlose.
Ebenso all derer, die in Hitlers Raubkriegen umkamen – für die Hybris und den Größenwahn deutscher, aber auch österreichischer Politiker und Großindustrieller.
Denn in keinem Fall wollen wir die fatale Trennung der professionellen Vergangenheitsbewältiger mitmachen, die Trennung zwischen „unschuldigen“ Opfern (den wegen ihrer „rassischen“ Herkunft verfolgten) und solchen, wo irgendwie unausgesprochen immer mitschwingt, sie seien an ihrer Verfolgung auch noch selber schuld: Allen anderen. Es gibt für uns da keinen Unterschied: Es war dasselbe, unnötige – weil vermeidbare, durch genügend Gegnerschaft vermeidbare – Leid. Denn Menschen waren alle – und Menschen leiden unter Folter, Hunger, Zwangsarbeit; Menschen leiden, wenn sie merken, daß sie sterben müssen und das nicht wollen. Binsenweisheiten.
Wenn man aus der Geschichte etwas lernen kann, dann das:
Wir werden vergleichbares nicht mehr zulassen.
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Haider ante portas?
27% haben bei den letzten Nationalratswahlen FPÖ gewählt.
Jörg Haider sagt, er hat nie eine antisemitische Äußerung gemacht.
Die Aufregung in Israel versteht er nicht.
Szenenwechsel.
Herbert Schweiger, stellvertretender FPÖ-Obmann in der Steiermark, nennt 1990 vor Gericht Auschwitz ein „Lügendenkmal“.
Die Verluste an Juden hätten sich „in einem tolerierbaren Rahmen zwischen 300.000 und 400.000“ bewegt. „Woher kommen sonst die vielen Anträge auf Wiedergutmachung“, fragt er vor Gericht. „entweder die Juden sind vergast worden, oder sie leben. Wenn sie solche Anträge stellen, dann leben sie und können sie nicht vergast worden sein.“
1990, das ist lange her? So lange wie 1942?
Damals sind die Wiener Jüdinnen und Juden vom Aspangbahnhof in die Vernichtungslager gebracht worden.
Jörg Haider hat diese Vernichtungslager einmal im Parlament launig „Straflager“ genannt.
Was war denn das Verbrechen derer, die in diesen Lagern bestraft worden sind?
Eine solche Partei gehört nicht laenger in die Regierung. So einfach ist das.
Eine Partei, die in schreienden Farben „Stop der Überfremdung!“ plakatiert, die muß ausgrenzt werden.
Weil es Menschen gibt, die Angst davor haben. „Ausländische“ Menschen, aber auch Österreicherinnen und Österreicher, die sich fürchten.
Daß „es“ wieder passiert.
Und weil in diesem Österreich, in dem zur Nazizeit von Östereichern unbeschreiblich grausliche Verbrechen begangen worden sind, niemand mehr Angst haben soll.
Die Geschichte wiederholt sich nicht?
Die Verbrechen des Nationalsozialismus sind einzigartig? Ja, das glauben wir auch.
Ein Haider-Regime wäre etwas völlig anderes.
Aber ein autoritäres Regime wird es sein und die Angst, die die Menschen davor haben, genügt: Dagegen anzugehen.
Menschenverachtend in seinen Worten und Taten wird es sein, so ein Regime.
Peter Müller, FPÖ Obmann in Bad St. Leonhard, 1990: „Wir bauen schon wieder Öfen. Aber nicht für Sie Herr Wiesenthal. Sie haben im Jörgl seiner Pfeife Platz.“
Sonst noch Fragen?