2 Prozent Verteidigung

Es ist ja nun auch nicht so, daß die USA das Geld, das sie für ihr Militär ausgeben, nur für Zwecke ausgeben, die der NATO oder gemeinsamen Einsätzen zu gute kommen. Umgekehrt wäre es mir aber neu, daß der europäische Teil der NATO seine Truppen dafür einsetzt, im Alleingang mißliebige Regime zu stürzen, den Zugang zu Rohstoffen zu schützen (bzw. den Markt dafür zu beeinflussen) oder - so ganz allgemein gesprochen - Weltpolizist zu spielen.

Insofern stellt sich mal die Frage, ob die Ausgaben diesseits und jenseits des Atlantiks so gut vergleichbar sind. Naja, eigentlich stellt sich die Frage nicht, wenn man mal für einen Moment darüber nachdenkt.

Ein Gegengewicht zu Rußland?

Hab ich was verpasst oder gibt es irgendwelche Anzeichen dass Rußland Deutschland den Krieg erklären könnte?

Du kannst Dir da auch jedes andere Land hindenken, aber wenn man die Historie, die Gegenwart und die mögliche Zukunft sowie die geographischen Gegebenheiten und die militärischen Möglichkeiten anschaut, dann fällt mir als potentieller Gegner, den man abschrecken können sollte, eigentlich nur Russland ein. Aber klar: man weiß natürlich nicht, was sich der Großherzog von Liechtenstein, der Irre aus Ankara und andere Autokraten in den nächsten 20 Jahren so ausdenken.

Tatsache ist, daß man sich von dem Gedanken lösen muß, daß die USA die Hand über Europa halten, auch wenn es mehr einen guten Grund gab und gibt, die NATO aus der Taufe zu heben, woran ja die USA auch aus Eigeninteresse nicht ganz unbeteiligt waren. Ich würde zwar behaupten, daß auch die USA auch heute noch davon profitiert, mit Westeuropa auch sicherheitspolitisch verbunden zu sein, aber das sieht man im Weißen Haus im Augenblick anders. Wobei man ja nie so genau weiß, was da wie gesehen wird - zumindest über einen Zeithorizont von mehr als zehn Minuten.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Russland Deutschland den Krieg erklärt, ist verschwindend gering. Erstens bezweifle ich, dass es eine Kriegserklärung geben würde und zweitens hat Russland wenig Interesse an Deutschland.

Ganz anders sieht es bei den baltischen Staaten aus, die seit 2004 Mitglied der NATO sind.
Die baltische Angst vor Russland

Russlands Präsident Wladimir Putin hat jüngst während seines
Wahlkampfauftrittes in Kaliningrad eine Frage aus dem Publikum
beantwortet welches Ereignis er in der russischen Geschichte am liebsten
rückgängig machen würde, kurz und knapp: „Den Zerfall der Sowjetunion.“
Der Grund: Bislang galten die USA als Sicherheitsgarant und
Rückversicherung für die baltischen Staaten gegen mögliche Aggression
aus Moskau.

Alle drei Länder haben zum Teil eine große russische Minderheit:
Litauen - 5,81 %
Estland - 25,48 %
Lettland - 26,9 %

Außerdem haben Estland und Lettland eine direkte Grenze mit Russland. Sollte also Russland der Meinung sein, mögliche Konsequenzen würden sich im Rahmen halten, stünde einem Einmarsch nichts im Wege.

Wie wahrscheinlich so ein Vorgehen ist, kann sich ja jeder in der Ukraine anschauen, wo Russland einen Teil militärisch besetzt hat und in einem anderen Teil einen blutigen Bürgerkrieg forciert bzw. aktiv daran teilnimmt.

Ich persönlich halte die Bedenken der baltischen Staaten weder für unbegründet noch für weit hergeholt.

Nur dass Rußland überhaupt keinen Grund hat Europa anzugreifen. Deutschland und einige andere europäische Länder sind Partner die Rußland durch Gaskäufe finanzieren - wer greift seine besten Kunden an? Putin macht auf mich einen berechenbaren Eindruck, er wird niemals Europa angreifen weil dann sofort Atombomben nach Moskau fliegen würden - klar kann er auch welche zurückschießen aber wer hätte am Ende etwas davon? Was sollte der Machthaber des größten Landes der Welt überhaupt davon haben ein Gebiet ohne nennenswerte Rohstoffe und ohne nennenswerte Produktionsanlagen einzunehmen - bei dem durch den Krieg auch noch die gesamte Infrastruktur zerstört wurde?

Dazu wird Putin wissen dass sich die USA (auch ohne NATO) ihre politische Macht in Europa nicht nehmen lassen werden. Die NATO könnte man also einfach abschaffen und wäre genauso sicher.

Trump scheint in einigen Punkten durchaus auf seine Berater (oder Lobbyisten) zu hören - z.B. wollte er die NATO abschaffen und jetzt will er dass diese gestärkt wird. Auch der Handelskrieg ist eher ein Säbelrasseln um den zu selbstsicher gewordenen Chinesen zu zeigen wer der Chef dieses Planeten ist.

Russland hat Europa angegriffen und die Ukraine war ein ziemlich großer Handelspartner für Russland. 2013 gingen ca. 24% (15 Mrd.) der ukrainischen Exporte nach Russland und bei den Importen kamen ca. 30% (23,2 Mrd.) aus Russland. Aus russischer Sicht war die Ukraine der drittgrößte Partner bei den Importen.

Wer sich die Annektion der Krim anschaut wird wohl kaum zum Schluss kommen, dass dort wirtschaftliche Überlegungen die treibende Kraft waren.

Die baltischen Staaten könnte Russland binnen weniger Stunden/Tage einnehmen, ohne dass es zu größeren Beschädigungen kommen würde. Außerdem frage ich mich an der Stelle, welche Rohstoffe oder nennenswerte Produktionsanlagen die Krim bietet.

Zur Ukraine ist noch zu sagen, dass sie zwar kein Mitglied der NATO war, aber im Budapester Memorandum die USA, GB und Russland sich verpflichteten, die Souveränität und die bestehenden Grenzen der Ukraine zu achten.

Der Preis für diese Verpflichtung war übrigens die Aufgabe von Atomwaffen seitens der Ukraine, womit mögliche künftige Sicherheitsgarantien gegenüber Staaten wie etwa Nordkorea deutlich an Wert verloren haben. Diesen Schaden sollte man imho nicht unterschätzen.

Wessen Atombomben? Trumps? Eher unwahrscheinlich, im Moment. Sehen wir es doch mal praktisch: hier eine Wirtschaft, die vom Export von Rohstoffen abhängig ist, dort funktionierende Ökonomien. Kunden bleiben letztere auch, wenn sie von Moskau auch direkt gesteuert werden (war zu Ostblockszeiten auch nicht anders).

So oder so: nicht umsonst schrieb ich Russland & Co.

Das ist Spekulation. Nennenswerte Produktionsanlagen haben wir derzeit jedenfalls durchaus - im Gegensatz zu einer nennenswerten Armee.

Frankreich, GB sind Atommächte, in D stehen auch ein paar Atombomben der Amis herum. Keiner würde einfach passiv zuschauen wenn Panzer in die EU einrollen.

In der Ukraine wurde die russische Minderheit teilweise stark unterdrückt, z.B. wurde die russische Sprache verboten. Dazu kommt dass die Ukraine Gas aus Russland viel billiger bekommen hat als z.B. Deutschland - und als sich die Ukraine dann von Russland abgewendet hat gab es natürlich keinen Freundschaftspreis mehr. Die ukrainische Regierung hat deshalb angefangen Gas aus den Pipelines zu stehlen welches für Deutschland bestimmt war. Was hätte Putin anderes machen können als einen Krieg zu beginnen?

Mit den baltischen Staaten ist diese Situation nicht vergleichbar, also gibt es keinen Grund für Russland sich diese wieder zu holen.

Wenn ein deutscher Politiker sagt dass er den 2. Weltkrieg bedauert weil dabei u.a. große Gebiete des Staatsgebiets verloren gingen bedeutet dies auch nicht dass die Bundeswehr ihre Panzer bald nach Polen schiebt (fahren werden die meisten ja nicht mehr).

Nur weil jemand Angst hat bedeutet dies nicht dass wirklich eine Gefahr besteht. Das Monster unter dem Bett hat bisher ja auch noch kein Kind umgebracht obwohl sich viele davor fürchten.

Die Krim war militärisch relevant - wie relevant ist das Baltikum?

Stimmt, aber dein Vergleich hinkt auch gewaltig.
Folgendes Szenario kommt deutlich näher: Ein deutscher Regierungschef wird gefragt, welches Ereignis er in der deutschen Geschichte am liebsten rückgängig machen würde. Seine Antwort: Der Zerfall des Dritten Reichs.

Was würde so eine Aussage wohl an internationalen Reaktionen auslösen?

Bis gerade eben hast du immer nur von rein ökonomischen Gründen für einen russischen Angriff gesprochen…
Für die militärische Relevanz genügt ein Blick auf die Karte. Das Baltikum würde die Oblast Kaliningrad auf dem Landweg mit dem Rest Russlands vereinen.
In Kaliningrad befinden sich unter anderem die Radarstation Pionersky, die erst kürzlich modernisiert wurde und als Teil des Voronezh Radarnetz ein Herzstück des russischen Rakten-Frühwarnsystems im Westen ist. Zudem befindet sich dort das Hauptquartier und der wichtigste (und einzige eisfreie) Flottenstützpunkt der Baltischen Flotte.
Mit den dortigen S-400 Batterien verfügt Russland über eine starke Luftabwehrtruppe während mit der Iskander eine schlagkräftige Offensivwaffe, die auch atomare Sprengköpfe tragen kann. Beide Waffensysteme gehören zu dem besten, was russische Rüstungsschmieden zu liefern haben und machen die strategische Bedeutung Kaliningrads deutlich.

Die sogenannte Suwalki-Lücke (das Gebiet zwischen Weißrussland und Kaliningrad) gilt gemeinhin als Achillesferse der NATO und spielt bei militärischen Planspielen auf beiden Seiten eine wichtige Rolle. Nach einer Studie der amerikanischen RAND Corporation könnten russische Streitkräfte binnen 36-60 Stunden jeglichen Widerstand ausschalten und vor Tallinn und Riga stehen. Die Studie listet auch die Optionen der NATO im Falle eines Angriffs auf und davon ist (zumindest für den Westen) keine erstrebenswert.

tl;dr: Das Baltikum spielt eine extrem wichtige Rolle im strategischen Denken der NATO und Russland. Die NATO hat nicht grundlos 2016 die Enhanced Forward Presence ins Leben gerufen. Die NATO-Battlegroup Lithuania steht unter deutschem Kommando und im Falle eines russischen Angriffs stünden 450 deutsche Soldaten an vorderster Front.
Aber ja, veilleicht fürchten sich hier alle nur vor dem Monster unter Bett…

Putin hat schon immer gesagt dass er der SU hinterhertrauert - wieso das jetzt, nachdem er es nochmal gesagt hat, ein Skandal sein soll erschließt sich mir nicht. Die SU war nicht demokratisch und allgemein gab es viel berechtigte Kritik - aber sie mit dem 3. Reich zu vergleichen ist schon ein klein wenig übertrieben.

Da Rußland mit Kaliningrad bereits eine militärische Basis in dem Gebiet hat sind weitere Landgewinne dort nicht relevant.

In einem Krieg spielen Landesgrenzen keine Rollen mehr - die russische Exklave ist also sehr leicht von Rußland erreichbar.

Die Frage bleibt aber - was hätte Putin angesichts des Verhaltens der Ukraine anders machen können?

Womit du offenbar klüger als alle russischen und westlichen Militärexperten zusammen bist…

Genau. Ist ja nichts einfacher als Nachschub und Truppen durch vom Feind kontrolliertes Gebiet zu bringen.

Eventuell keinen souveränen Staat überfallen, kein fremdes Staatsgebiet annektieren und keinen Bürgerkrieg anzetteln, bei dem kein Zivilflugzeug mit 298 Opfern abgeschossen wird?

Die Situation in der Ukraine hab ich weiter oben kurz beschrieben - die Details kannst Du in zahlreichen Büchern nachlesen. Was hätte Putin machen sollen? Nichts?

Wenn es zu einem Krieg kommt spielen Landesgrenzen meist keine großen Rollen mehr - woher Du genau weißt dass im Kriegsfalle das Baltikum nicht von Rußland eingenommen werden könnte um die Nachschubroute zu sichern weißt wohl nur Du.

Wenn dir außer den oben genannten Dinge (Krieg, Mord, Bruch des Völkerrechts) als einzige Alternative ‚nichts‘ einfällt, kann ich dir wirklich nicht helfen. Sei aber versichert, dass es dazwischen eine ganze Reihe von Optionen gibt.

Es ist direkt schade, dass dir wohl völlig entgeht, dass du mit diesem Satz alles bisher von dir gesagte ad absurdum führst…

Rußland hätte zusehen sollen wenn die russische Minderheit in der Ukraine unterdrückt wird und die Ukraine das Gas aus den Pipelines stiehlt? Denkst Du die USA hätten zugesehen wenn z.B. Mexiko US-Amerikaner die in Mexiko leben unterdrückt und Gas von den USA stiehlt?

Im Kriegsfalle… das bedeutet nicht, dass ein Krieg wahrscheinlich ist.

Eine schon zigmal widerlegte russische Lüge gepaart mit einem (hypotetischen) Whataboutismus gegen die böste USA. Ein Schmankerl…

Wie gesagt, es ist wirklich schade.

So, an der Stelle verabschiede ich mich. Hat wie immer Spaß gemacht :slight_smile:

Zur Unterdrückung der russischen Sprache:

Du behauptest, dass es massenweise Alternativen zum Krieg gegeben hätte aber willst keine einzige nennen?

Schon seltsam, dass Du Dich ausgerechnet verabschiedest wenn es deutlich wird dass es eben keine wirkungsvolle Alternative gegeben hätte.

Das bezieht sich auf ein Gesetz vom Mai 2017. 2017. :smirk:

Sanktionen, Visa sperren, die UN einschalte, din IGH anrufen, Strafzölle, Lieferstop von Gas, Menschenkette entlang der Grenze, Energetiker über die Krim abwerfen…machen wir es kurz:
ALLES IST BESSER ALS AUS HEITEREM HIMMEL EINEN KRIEG MIT TAUSENDEN OPFERN ANZUZETTELN

Ich hoffe das war jetzt nicht zu subtil, aber die Position, der Krieg in der Ukraine wäre alternativlos, widert mich einfach nur an.

Aber zurück zum Thema: Ich verabschiede mich von hier, weil du a) keinen einzigen Beleg für deine Behauptungen bringst und b) deinen Standpunkt jedes Mal änderst, sobald du widerlegt wirst.

  1. Putin hat kein Interesse am Baltikum
  2. Ok, Putin hat gesagt, er möchte verlorene Gebiete zurückholen, aber Russland würde Europa nie angreifen
  3. Ok, Russland hat Europa angegriffen, aber Gebiete ohne wirtschaftliche Bedeutung müssen sich nicht sorgen
  4. Ok, auch Gebiete mit strategischer Bedeutung müssen sich sorgen. Aber das Baltikum ist strategisch unwichtig
  5. Ok, das Baltikum ist strategisch wichtig, aber Russland könnte es sowieso leicht einnehmen
  6. Ok, die NATO hat dort Truppen, aber reden wir jetzt doch lieber über die Ukraine

Jedes Mal änderst du deinen Standpunkt und wenn du gar nicht mehr weiter weißt, wechselst du einfach das Thema. Und wenn ich den Themenwechsel nicht mitmachen möchte, bin ich der Doofe in der Geschichte? Träum weiter…

Bereits 1994 wurde vom ukrainischen Parlament ein Referendum verworfen welches in einem überwiegend russischsprachigen Gebiet russisch als zweite Amtssprache etablieren wollte. Das ist der gleiche unterdrückende Stil den zuvor die SU angewandt hat - also ohne Logik und nur auf Macht basiert.

Lieferstop von Gas? Wenn die Pipeline nach Europa durch die Ukraine geht und die Ukraine daraus bereits Gas entwendet hat…

Was interessiert die Ukraine die UNO oder der IGH? Die Beschlüsse dieser Institutionen wurden schon von vielen Staaten ignoriert. Sanktionen und Strafzölle schaden beiden Handelspartnern, außerdem hat die Ukraine die EU als Alternative.

Visa sperren? Welcher Ukrainer muss denn so dringend nach Rußland dass die Regierung ihre Entscheidungen deshalb revidiert?

Aber eine Menschenkette entlang der Grenze hätte sicherlich was gebracht :slight_smile:

Keiner findet einen Krieg gut - aber es gibt Situationen in welchem dies das einzige verbleibende strategische Mittel ist.

Zu den Unterstellungen: Ok, ich hab Europa geschrieben anstatt EU plus Schweiz, Norwegen und Island. Es war im Kontext aber klar dass politische Allianzen (also Nato-Mitgliedschaft oder EU-Land) eine größere Rolle spielen als die geographische Zugehörigkeit zu einem Kontinent.

Die restlichen Dinge dichtest Du mir an, les nochmal genau die Konversation.