Hallo Wolfgang,
Aggressive Rabattaktionen rufen bei mir die genau gegenteilige
der von den Machern erhofften Reaktion hervor. Ich hab’ wenig
Lust, mich in Gesellschaft der so angelockten Sorte Publikum
aufzuhalten und noch weniger Lust
auf-geschenkt-noch-zu-teuer-Produkte.
das ist für mich durchaus nachvollziehbar, nur scheinen weite Teile der Bevölkerung anders zu ticken.
Ungeachtet dessen
erinnere ich mich vage, in den letzten Jahren irgendwas von
Problemen bei Praktiker gehört zu haben. Wenn ich in
grenzenloser Naivität davon ausgehe, daß das
Praktiker-Management auch irgendwas mitbekommen hat, passen
die Nachrichten auf N3 von heute ins Bild. Demnach wurden 50
Mio. € für Berater ausgegeben. Falls die Meldung zutrifft, ist
es eine der klassischen Methoden, den Patienten vor seinem
absehbaren Ableben noch einmal kräftig zur Ader zu lassen.
Beratungsbedarf für solche Beträge gibt es schlicht nicht. Wer
sowas macht, fährt ein Unternehmen vorsätzlich an die Wand und
stößt sich dabei rechtzeitig gesund.
Ich kann nachvollziehen, daß diese Beträge erschreckend hoch anmuten und Inkompetenz des Managements vermuten lassen. Allerdings sind in solchen Situationen Berater (leider) unumgänglich. Zum einen helfen Berater, unpopuläre Maßnahmen bei Betriebsrat und Gesellschaftern durchzusetzen, weil ein Berater immer neutraler wirkt als das Management. Zum anderen befand sich das Unternehmen schon so lange und tief in der Krise, daß Kreditgeber schon aus Eigenschutz (Stichwort Insolvenzverschleppung) ab irgendeinem Punkt die Kreditvergabe an eine positive Fortführungsprognose geknüpft haben, die Sanierungsfähigkeit und -Würdigkeit bestätigte.
Nicht zuletzt fallen 50 Millionen bei einem Unternehmen mit einem Umsatz von 3 Mrd. nicht wirklich ins Gewicht, wie auch die von mir aufaddierten Verluste von rd. 700 Mio. Euro in 4 Jahren zeigen.
Wenn ein Unternehmen seit Jahren rote Zahlen schreibt, sollte
die Leitung eigentlich merken, dass irgendwas am Konzept nicht
paßt. Für solche Erkenntnis sollte niemand Jahre benötigen.
Auch diese Einschätzung kann ich nachvollziehen, aber ich weiß auch aus Erfahrung, daß es eben nicht so einfach ist, wie man als Außenstehender meint. Schon der Weg zur Erkenntnis, daß die Ertragsschwäche kein vorübergehendes Problem darstellt, sondern Ursache einer strategischen Fehlausrichtung ist, dauert länger als nur ein paar Monate. Man sollte dabei auch immer berücksichtigen, daß eine strategische Neuausrichtung nichts anderes bedeutet, als daß man als Management Fehlentscheidungen und -Einschätzungen eingestehen muß. Dies ist schon in inhabergeführten Unternehmen ein langer und oft schmerzhafter Prozeß, bei einem börsennotierten Unternehmen mit betriebsfremden Investoren ein noch ungleich schwierigerer.
Wenn man sich dann dazu durchgerungen hat, das Ruder herumzureißen, ist es oftmals zu spät, d.h. die Mittel sind knapp und die Managementkapazitäten schon durch die akute Krisenbewältigung gebunden. Hinzu kommt, daß Personal und Gesellschafter in dieser Phase oft schon das Vertrauen in das Management verloren haben und einer neuen Strategie auch aus diesem Grunde grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen. Die Folge sind Wechsel im Management, langwierige Diskussionen und Verhandlungen und schließlich das Engagieren von Beratern (siehe oben).
Ein erster Strategiewechsel fand bei Praktiker 2006/2007 mit dem Erwerb von Max Bahr statt, also etwa ein Jahr nach den ersten Verlusten und gut zwei Jahre nach dem Absprung von Metro. Es folgten Veränderungen im Management und 2011 dann die Entscheidung, einen Großteil der Praktiker-Märkte auf das Max Bahr-Konzept umzustellen. Beide Schritte zeigen, daß man sich bei Praktiker durchaus Gedanken gemacht hat und Alternativen erprobte. Daß das ganze nicht schneller ging, ist schlicht und ergreifend der Größe des Unternehmens und den schon seit Jahren knappen liquiden Mitteln geschuldet.
Im übrigen ist ja auch schon die Rabattitis ein Versuch gewesen, die strategische Zwickmühle aufzulösen. Ich habe zwar schon vor Urzeiten prognostiziert, daß man das Problem der Überkapazitäten und niedrigen Margen nicht mit einem Verdrängungswettbewerb über die Preise wird lösen können, aber es war allemal ein Versuch und möglicherweise (dafür kenne ich das Unternehmen nicht gut genug), die einzige machbare/finanzierbare Alternative.
Ich habe schon Unternehmen erlebt, die ihre Strategien von mehr oder weniger heute auf morgen geändert haben und das auch relativ schnell umsetzten. Nur waren das keine Supertanker mit 3-4 Mrd. Euro Umsatz, starkem Betriebsrat, externen Eigenkapitalgebern und fünfstelliger Belegschaft, sondern Unternehmen mit 10-20 Mio. Umsatz, geschäftsführendem Gesellschafter und Mitarbeitern, die ihrem Arbeitgeber teilweise schon seit Jahrzehnten durch dick und dünn gefolgt sind. All dies war bei Praktiker nicht gegeben und so kann ich die Abläufe und die Langwierigkeit der Veränderungen durchaus nachvollziehen.
Nebenbei: es gibt kaum Unternehmen dieser Größenordnung, die aus einer Strategiekrise am Ende gestärkt hervorgehen. Viel häufiger ist jahrelanges Siechtum mit anschließender Pleite oder Zerschlagung. An Namen seien nur Karstadt, MAN Roland, Holzmann, Schlecker, Opel, Escada, Karmann und Qimonda genannt.
Gruß
C.