Ezechiels Tempelvisionen
Hi.
Der 1. (Salomo’s) Tempel wurde von den Babyloniern zerstört und beherbergte die Bundeslade.
´Salomo´ ist, nicht anders als ´David´, höchstwahrscheinlich nur eine mythische Figur. Alle Angaben zu ´Salomo´ sind entweder frei erfunden oder, falls der Mythos über ihn unwahrscheinlicherweise einen wahren Kern hat, gewaltig übertrieben. So behauptet das Könige-Buch, er habe 1000 Ehefrauen und Konkubinen gehabt. Das wäre ja die komplette Bevölkerung von Jerusalem gewesen, welches laut den Archäologen Finkelstein/Silberman im 10. Jh. BCE nur ein Dorf mit etwa 1000 Einwohnern war.
Man kann also davon ausgehen, dass die Erzählungen über „David“ und „Salomo“, nicht anders als die Berichte über „Abraham“ und „Moses“, nur Erbauungs- und Propagandaliteratur sind, wenngleich auf hohem erzählerischen Niveau. Sie sind Teil des Deuteronomistischen Geschichtswerks (die Bücher Josua, Richter, Samuel und Könige) und wurden wohl zu dem Zweck verfasst, am Beispiel der fiktiven Gestalten David und Salomo die Folgen des Gehorsams und Ungehorsams gegen die Gesetze zu veranschaulichen, welche im Deuteronomium (5 Mose) aufgelistet werden.
Die Errichtung eines Tempels von der Art, wie er der Initiative des Salomo zugeschrieben wird, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit erst 200 Jahre später im Jerusalem des 8. Jh. anzusetzen, als die erforderlichen Mittel und Rahmenbedingungen gegeben waren. Z.B. war die Fläche Jerusalems bis zum Ende des 8. Jh. von zunächst 4 Hektar (um 1000) auf 60 Hektar und die Einwohnerzahl auf ca. 15.000 angestiegen. Der erste Tempel wurde im Jahr 586 durch ein Heer des babylonischen Königs Nebukadnezar II. vernichtet. Grund: Der König Judas, Zedekia, plante in Kooperation mit benachbarten Königtümern einen Aufstand gegen den babylonischen König, zu dem Juda und die anderen Staaten in einem tributpflichtigen Vasallenverhältnis standen.
Der 2. Tempel wurde von den Römern zerstört und die jüdischen
Mystiker erklären, dass er zum Schluss nicht mehr Sitz Gottes
war, da er sich wegen der „Verunreinigungen“ in seinen
himmlischen Palast zurückgezogen hat.
Welche Mystiker du meinst, ist mir nicht bekannt, aber das Motiv des Tempelverlassens durch Jahwe spielte schon im Zusammenhang mit dem Ersten Tempel eine Rolle, und zwar im Buch Ezechiel (Kap. 10), das dieser `Prophet´ im babylonischen Exil, also im 6. Jh. BCE, verfasste. Angeblich hatte er die Vision bereits vor der Zerstörung des Ersten Tempels, wie es sich für einen Propheten ja auch geziemt. Der Grund für den Auszug soll Jahwes Zorn über den polytheistischen Frevel in Juda im allgemeinen und im Jerusalemer Tempel im besonderen gewesen sein, in dem in der Königszeit nicht nur Jahwe, sondern vermutlich auch die Fruchtbarkeitsgöttin Aschera verehrt wurde.
Ab Kap. 40 beschreibt Ezechiel dann die angebliche Vision eines neuen, wiedererbauten Tempels, welche er nach der Zerstörung des Ersten Tempels hatte. Diesen wiedererbauten Tempel in Ezechiels Vision nennt man auch den ´Dritten Tempel´. Ich zitiere ganz unten den Beginn der angeblichen Vision.
Zunächst aber zur ersten Vision mit einer von mir zusammengefassten Vorgeschichte des angeblichen göttlichen Auszugs, dann der Auszug in Kap.10 selbst (fettmarkiert):
Das Auszugskapitel ist Teil der mit Kap. 8 beginnenden „Entrückungsvision“ von Ezechiel, die er angeblich 592 BCE im Exil in Babylon erlebte, ein Jahr nach seiner „Berufungsvision“, welche im Kap. 1 beschrieben wird. Zu diesem Zeitpunkt war Jerusalem und sein Tempel noch nicht zerstört. Ezechiel, verheirateter Abkömmling einer judäischen Priesterfamilie, war in der Exilantengruppe als Prophet (d.h. Seher) schon anerkannt. Als „die Ältesten“ dieser Gruppe ihn eines Abends besuchten, fiel Ezechiel in eine prophetentypische visionäre Ekstase. Laut überliefertem Text von Kap. 8 hat ihn „ein Mann“ an den Haaren gepackt und nach Jerusalem versetzt:
(Ez 8,3) … und er reckte aus gleichwie eine Hand und ergriff mich bei dem Haar meines Hauptes. Da führte mich ein Wind zwischen Himmel und Erde und brachte mich gen Jerusalem…
„Wind“ ist eine missverständlicihe Übersetzung für hebr. „ruach“, das an dieser Stelle auf eine übernatürliche immaterielle, also geistige Kraft weist.
In Jerusalem angekommen, werden dem Propheten von Jahwe die dortigen „Sünden“ gezeigt in Gestalt von „Götzen“-Verehrung und Sonnengott-orientierter Gebetspraxis. Jahwe kündigt an, das Volk von Jerusalem aus „Grimm“ zu vernichten. Im Kap. 9 erscheinen sechs bewaffnete Männer und ein unbewaffneter Mann in einem Leinengewand als Vollstrecker von Jahwes Vernichtungswillen. Die sechs Männer haben die Aufgabe, alle Einwohner zu erschlagen. Der siebte Mann im Leinengewand hat zunächst die Aufgabe, alle Einwohner, welche gemäß dem Willen von Jahwe weiterzuleben verdienen, mit einem Kreuz auf der Stirn (das Tau-Zeichen) zu markieren, damit die Bewaffneten sie verschonen.
In Kap. 10 findet der göttliche Auszug statt. Hier wird auch die eigentliche, von Ezechiel beabsichtigte Funktion des Mannes im Leinengewand klar: Er soll auf Befehl von Jahwe Jerusalem vernichten, indem er glühende Kohlen über die Stadt schüttet.
Ezechiels Plot ist einfach: Der Prophet sieht den Mann den Tempel betreten, die Kohlen (vom Altar) nehmen und wieder herauskommen. Dann sieht er, wie sich Jahwe vom Kerubenthron im Tempelinnern erhebt und an der Tempelschwelle niederlässt, wobei sein „Lichtglanz“ den Vorhof erfüllt. Anschließend begibt sich Jahwe - als leuchtende Wolke zu denken - zum Osttor des Tempels. Von da aus verlässt er die Stadt und landet auf einem östlichen Berg, vermutlich dem Ölberg. Auf diese Weise liegen alle Stationen Jahwes auf einer geraden, nach Osten verlaufenden Linie (= Ost-West-Ausrichtung des Tempels): Thron - Tempelschwelle - Osttor - Ölberg.
Ab Kap. 40 werden dann jene Visionen geschildert, die man als Ezechiels „Vision des Dritten Tempels“ bezeichnet:
_40 1 Im fünfundzwanzigsten Jahr unserer Gefangenschaft, im Anfang des Jahres, am zehnten Tag des Monats, im vierzehnten Jahr, nachdem die Stadt eingenommen war, eben an diesem Tag kam die Hand des HERRN über mich und führte mich dorthin, –
2 in göttlichen Gesichten führte er mich ins Land Israel und stellte mich auf einen sehr hohen Berg; darauf war etwas wie der Bau einer Stadt gegen Süden.
3 Und als er mich dorthin gebracht hatte, siehe, da war ein Mann, der war anzuschauen wie Erz. Er hatte eine leinene Schnur und eine Messrute in seiner Hand und stand unter dem Tor.
4 Und er sprach zu mir: Du Menschenkind, sieh her und höre fleißig zu und merke auf alles, was ich dir zeigen will; denn dazu bist du hierher gebracht, dass ich dir dies zeige, damit du alles, was du hier siehst, verkündigst dem Hause Israel.
5 Und siehe, es ging eine Mauer außen um das Gotteshaus ringsherum. Und der Mann hatte die Messrute in der Hand; die war sechs Ellen lang – jede Elle war eine Handbreit länger als eine gewöhnliche Elle. Und er maß das Mauerwerk: Es war eine Rute dick und auch eine Rute hoch.
6 Und er ging zum Tor, das an der Ostseite lag, und ging seine Stufen hinauf und maß die Schwelle des Tores: eine Rute tief._
(usw.)
Chan