30-Stunden-Arbeitsvertrag für Hochschulabsolventen

Hallo zusammen,

Ich bin 25 Jahre alt und werde in diesem Wintersemester meinen Bachelor im Studiengang Energiewirtschaft an einer Fachhochschule absolvieren.
Da ich aus persönlichen und finanziellen Gründen keinen Master anschließen möchte, werde ich mich im Laufe des nächsten Jahres also um einen Job kümmern.

Zur Zeit beschäftigt mich eine Frage, die ich hier gerne mal mit Euch besprechen möchte.

Ich bin kein Faulpelz, aber ich weiß meine Freizeit zu schätzen, und weil ich mich als sparsamen Typ kenne, der weiß, mit Geld umzugehen, weiß ich, dass ich mit dem Gehalt, das ich mit einer Teilzeitstelle verdienen würde, auch im Angesicht von Mietkosten, Verpflegung, Krankenkasse und Sonstigem, höchstwahrscheinlich auskäme. Für mich käme also z.B. ein 30-Stunden-Arbeitsvertrag finanziell durchaus in Frage. Wahrscheinlich könnte ich sogar noch einen kleinen Betrag monatlich auf die hohe Kante legen.

Jetzt ist es nur so, dass ich befürchte, dass die meisten Arbeitgeber, bei denen ich mich bewerben werde, vermutlich nicht gerade entzückt sein werden, wenn ich denen sage, dass ich gerne einen Teilzeit-Arbeitsvertrag oder einen 30-Stunden-Arbeitsvertrag hätte.
Ich finde, man bekommt im Studium und allgemein in unserer Gesellschaft das Gefühl vermittelt, dass man als junger Absolvent doch ehrgeizig sein, sich voll Tatendrang in die Karriere stürzen, am besten 50-60 Stunden die Woche zu arbeiten bereit sein muss, um überhaupt eine Aussicht auf eine Stelle zu haben. Hinzu kommt, dass meine Verhandlungsposition mit „nur“ einem Bachelor-Abschluss jetzt auch nicht die allerstärkste ist, so dass ich vielleicht froh sein muss, wenn mich überhaupt jemand nimmt. Immerhin kann ich Auslandserfahrung, recht gute Noten und (m.M.n.) auch Soft Skills vorweisen.

Ich studiere Energiewirtschaft, und ich finde, dass die Energiewirtschaft durchaus eine spannende und interessante Branche ist. Ich bin keineswegs ein fauler und desinteressierter Typ. Das ändert aber nichts daran, dass die Arbeit als Angestellter, zumal als Neueinsteiger, eben in (davon gehe ich aus) 90 Prozent der Stellen, wenn nicht mehr, Büroarbeit ist. Da kann die Branche, in der man arbeitet, noch so faszinierend sein: Arbeit im Büro nunmal Arbeit im Büro. Die Arbeit ist meist eintönig, und man hat wenig bis gar keine Bewegung und man blickt die meiste Zeit in die Röhre.

Daher stellt sich meinerseits die in meinen Augen berechtigte Frage:
Warum sollte ich einen 40(oder mehr)-Stunden-Arbeitsvertrag eingehen, wenn ich nicht so viel arbeiten muss, um leben zu können?
Für mich ist die Antwort eigentlich recht klar: Solange ich keine größeren Anschaffungen (Familie, Haus, etc.) plane, ist es aus finanziellen Gründen vollkommen überflüssig, so viel zu arbeiten. Der einzige Grund, so viel zu arbeiten, wäre also der, dass es von mir erwartet würde! Daher möchte ich Euch fragen:

Wie seht ihr das? Stimmt es, dass die meisten Arbeitgeber junge Absolventen nur in Mindestens-40-Stunden-Arbeitsverhältnisse aufnehmen, und dass andere Arbeitszeitverträge nicht gerne gesehen werden? Welche Nachteile, abgesehen von wahrscheinlich schlechteren Aufstiegschancen (und natürlich weniger Geld), könnten sich für einen durch einen 30-Stunden-Arbeitsvertrag ergeben?

Bin mal gespannt, was Ihr so dazu sagt! :smile:

Herzliche Grüße,
Der Befrager

Hallo, da hat die „neue“ Expertenvermittlung mal wieder ein „Ei“ gelegt.
Deswegen hier meine antwort: Keine Ahnung, kenne mich mit der Materie Deiner Frage nicht aus.

Hallo!

Warum sollte ich einen 40(oder mehr)-Stunden-Arbeitsvertrag
eingehen, wenn ich nicht so viel arbeiten muss, um leben zu
können?

Viele Leute arbeiten nicht (nur), weil sie es müssen, weil es der Arbeitgeber erwartet oder weil sie das Geld unbedingt brauchen, sondern weil sie ihre Arbeit mögen, also genau die Arbeit sehr gerne erledigen und sich (fast) jeden Tag wieder erneut auf die Aufgabe freuen.

Wirklich, sowas gibt’s und solche Aufgabe solltest du dir suchen.

Gruß
Wolfgang

Moin,

als Student bin ich mit knapp 500 - 600 DM gut klar gekommen und das Geld kam durch Jobs auch meist rein.
Als ich mit dem Studium fertig war, kriegte ich plötzlich ein Vielfaches dieses Geldes und kam auch damit klar.
Deine Ansprüche werden wahrscheinlich (schnell) wachsen, Du wirst vielleicht eine Partnerin kennenlernen, mit ihr diverse Dinge planen etc.

Das zum einen.
Zum anderen gibt es nur relativ wenige Arbeitgeber, die gerne Teilzeitstellen anbieten, denn die sind relativ teurer als Vollzeitstellen. Bei Anfängern ist das Zieren noch ausgeprägter, weil die erst mal eingarbeitet werden müssen.
Zudem bist Du ‚nur‘ Bachelor, die werden von vielen AG (noch) ungern eingestellt, denn die konkurrieren oft mit Technikern und die sind billiger und praxiserfahrener.

Fazit:
Schwierig!

Was ev. gehen könnte sind (befristete) Stellen an Hochschulen, aber da ist das Geld schon bei Volltzeitstellen weniger, zudem die Befristunug.
So was kann auf Dauer ganz schön nervig werden (eigene Erfahrung!).

Gandalf

Jetzt ist es nur so, dass ich befürchte, dass die meisten
Arbeitgeber, bei denen ich mich bewerben werde, vermutlich
nicht gerade entzückt sein werden, wenn ich denen sage, dass
ich gerne einen Teilzeit-Arbeitsvertrag oder einen
30-Stunden-Arbeitsvertrag hätte.

Es gibt genug Arbeitgeber die 80% Stellen ausschreiben.

Ich finde, man bekommt im Studium und allgemein in unserer
Gesellschaft das Gefühl vermittelt, dass man als junger
Absolvent doch ehrgeizig sein, sich voll Tatendrang in die
Karriere stürzen, am besten 50-60 Stunden die Woche zu
arbeiten bereit sein muss, um überhaupt eine Aussicht auf eine
Stelle zu haben.

Arbeitslosigkeit unter Akademikern gibt es defakto nicht und in allen großen Unternehmen (mal ausgenommen Berater) werden Überstunden bezahlt. Da die wenigsten Berufsanfänger im außertariflichen Bereich angesiedelt sind, werden Überstunden bezahlt. Das heißt der Arbeitgeber darf dafür Rückstellungen bilden die das Ergebnis schmälern. Darum ist dies eigentlich nicht im Interesse des Arbeitgebers.

Hinzu kommt, dass meine Verhandlungsposition

mit „nur“ einem Bachelor-Abschluss jetzt auch nicht die
allerstärkste ist, so dass ich vielleicht froh sein muss, wenn
mich überhaupt jemand nimmt. Immerhin kann ich
Auslandserfahrung, recht gute Noten und (m.M.n.) auch Soft
Skills vorweisen.

Du hättest immer noch die Möglichkeit einen Job mit einer normale 35-38h Woche anzunehmen und nach der Probezeit den Wunsch nach reduzierter Stundenzahl anzusprechen.

Ich studiere Energiewirtschaft, und ich finde, dass die
Energiewirtschaft durchaus eine spannende und interessante
Branche ist.

Die großen Versorger sind auch sehr gute Arbeitgeber. Allerdings wird da zu Zeit gespart. Die EEG Branche zahlt extrem schlecht und viele Firmen gehen gerade hops.

Für mich ist die Antwort eigentlich recht klar: Solange ich
keine größeren Anschaffungen (Familie, Haus, etc.) plane, ist
es aus finanziellen Gründen vollkommen überflüssig, so viel zu
arbeiten.

Die Frage wäre eher: Kommst du an einen besseren Vollzeitjob überhaupt noch ran wenn du mal ein paar Jahre weniger gemacht hast?

Wie seht ihr das? Stimmt es, dass die meisten Arbeitgeber
junge Absolventen nur in
Mindestens-40-Stunden-Arbeitsverhältnisse aufnehmen

SO gut wie keine größere Firma hat eine 40h Woche. Wir sind in Deutschland und nicht in CH wo 45h üblich sind.

und dass
andere Arbeitszeitverträge nicht gerne gesehen werden? Welche
Nachteile, abgesehen von wahrscheinlich schlechteren
Aufstiegschancen (und natürlich weniger Geld), könnten sich
für einen durch einen 30-Stunden-Arbeitsvertrag ergeben?

Geringerer Rentenanspruch, da geringeres Gehalt.

Karriereverweigerer
Hallöchen,

Stichwort „Karriereverweigerer“, das Phänomen ist relativ neu aber gar nicht so selten.
Ich kann nur sagen, wenn es Deine Einstellung ist „Ich will so viel wie nötig, so wenig wie möglich arbeiten“ - das kann man durchaus respektieren.

Auch als Arbeitgeber respektiere ich das und habe lieber einen Kollegen vor mir, der 30 Stunden was leistet als einen, der 45 Stunden lang absitzt.

Da gab es eine Zeit, (weiß nicht ob das immer noch so ist) wo die Telekom sämtlichen neuen Mitarbeitern ausschließlich 32-Stunden-Verträge gegeben hat: Dort wärest Du mit Deiner Einstellung also auch gar nicht weltfremd :smile:

Leider kann man so was einfach nicht in allen garantieren, da man oftmals nicht so planen kann, dass ein Thema auch dauerhaft mit 30h im Sinne des Projekts vorangetrieben werden kann - insbesondere im Mittelstand, wenn man mit (End-)Kunden zu tun hat.

Allerdings gibt es noch die andere Seite der Medaille, die hier auch schon erwähnt wurde: Mit welcher Motivation arbeitet man überhaupt?

Wenn Du in der Arbeit eine Bestimmung und Form der Selbstverwirklichung findest, ist es Dir relativ wurscht, wie viele Stunden Du machst - wenn die Arbeit Dir jedoch lediglich als „Mittel zum Zweck“ dient, ist jede Stunde zuviel tatsächlich zuviel.

Du bist noch jung. Du solltest Deine Einstellung mit der 30-Stunden-Woche nicht als Dogma verfolgen.
Es ist besser, 40h/Woche mit lieben Kollegen in guter Atmosphäre bei spannenden Tätigkeiten zu verbringen, als 30h/Woche in einem Jammerloch skalvische Dienste zu erbringen, um seinen Lebensunterhalt dafür zu bekommen.

Viel wichtiger als die Frage nach der Menge der Arbeitsstunden ist die Frage nach der Tätigkeit und dem Arbeitsumfeld. Wenn man mit dem Laden gut klar kommt und der Chef einen nicht nur als Mitarbeiter, sondern als Mensch schätzt und achtet, dann geht es auch nicht um die Arbeitsstunden - dann findet man eine für alle Beteiligten vorteilhafte Lösung!

Gruß,
Michael

Hallo,

Arbeitslosigkeit unter Akademikern gibt es defakto nicht

nein? Trägt das einen anderen Namen, oder glaubst du tatsächlich, dass es keine arbeitslosen Akademiker gibt?

http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/neue…

Selbst da steht etwas von 2,5% in 2012 („de facto“ wäre für mich etwas unter 0,1%!), aber ich vermute, dass sich das auf Bezieher von ALG I beschränkt, denn die anderen können gar nicht erfasst werden. D. h. der tatsächliche Prozentsatz dürfte um einiges höher sein.

Etwas verwundert
Christa

Danke für die Antwort, Michael!

Hallöchen,

Stichwort „Karriereverweigerer“, das Phänomen ist relativ neu
aber gar nicht so selten.
Ich kann nur sagen, wenn es Deine Einstellung ist „Ich will so
viel wie nötig, so wenig wie möglich arbeiten“ - das kann man
durchaus respektieren.

Danke, dass Du als Chef so etwas respektieren kannst! :smile:

Auch als Arbeitgeber respektiere ich das und habe lieber einen
Kollegen vor mir, der 30 Stunden was leistet als einen, der 45
Stunden lang absitzt.

Da gab es eine Zeit, (weiß nicht ob das immer noch so ist) wo
die Telekom sämtlichen neuen Mitarbeitern ausschließlich
32-Stunden-Verträge gegeben hat: Dort wärest Du mit Deiner
Einstellung also auch gar nicht weltfremd :smile:

Das freut mich zu hören! :smile:

Leider kann man so was einfach nicht in allen garantieren, da
man oftmals nicht so planen kann, dass ein Thema auch
dauerhaft mit 30h im Sinne des Projekts vorangetrieben werden
kann - insbesondere im Mittelstand, wenn man mit (End-)Kunden
zu tun hat.

Allerdings gibt es noch die andere Seite der Medaille, die
hier auch schon erwähnt wurde: Mit welcher Motivation arbeitet
man überhaupt?

Meine Hauptmotivation zu arbeiten, ist, Geld zu verdienen. Das kann man wohl kaum leugnen. Daneben lag meiner Entscheidung für die Branche der Energiewirtschaft die Motivation zugrunde, durch meine Arbeit einen Beitrag zum Umweltschutz leisten zu können.

Wenn Du in der Arbeit eine Bestimmung und Form der
Selbstverwirklichung findest, ist es Dir relativ wurscht, wie
viele Stunden Du machst - wenn die Arbeit Dir jedoch lediglich
als „Mittel zum Zweck“ dient, ist jede Stunde zuviel
tatsächlich zuviel.

Ok, für einen selbständigen Unternehmer, der sein eigenes Ding macht, ist es sicherlich erfüllend, zu arbeiten. Aber wer für einen Chef arbeitet, und das 40 Stunden die Woche im Büro… Ich meine: nicht umsonst wird man für Arbeit bezahlt. Ist ja auch ganz logisch: Wenn die Arbeit riesigen Spaß machen würde, bräuchte man nicht dafür bezahlt werden, sondern würde es freiwillig machen. Ich behaupte nicht, dass Arbeit immer mühselig und langweilig sein muss. Sicher gibt es auch interessante und spannende Tätigkeiten. Aber ich kann mich auch außerhalb der Arbeit mit spannenden und interessanten Tätigkeiten umgeben, und da habe ich naturgemäß mehr Freiheit als in der Firma.

Du bist noch jung. Du solltest Deine Einstellung mit der
30-Stunden-Woche nicht als Dogma verfolgen.

Vielleicht muss ich zur Erklärung meiner Person sagen, dass ich kein allzu materialistisch orientierter Mensch bin, und jemand, der den Erwartungen unser Leistungsgesellschaft nicht einfach so konform werden möchte. Vielleicht klingt das für manch einen jetzt nach Langzeitstudent, Kiffer oder Hippie oder so. Aber ich bin einfach jemand, der sich nicht mit seinem materiellen Errungenschaften (teures Auto, etc.) beweisen muss, dementsprechend weniger Geld vermieden muss, und der seine Freizeit lieb hat. Und das ist meiner Meinung nach kein allzu verwerfliches Dogma.

Es ist besser, 40h/Woche mit lieben Kollegen in guter
Atmosphäre bei spannenden Tätigkeiten zu verbringen, als
30h/Woche in einem Jammerloch skalvische Dienste zu erbringen,
um seinen Lebensunterhalt dafür zu bekommen.

Viel wichtiger als die Frage nach der Menge der Arbeitsstunden
ist die Frage nach der Tätigkeit und dem Arbeitsumfeld. Wenn
man mit dem Laden gut klar kommt und der Chef einen nicht nur
als Mitarbeiter, sondern als Mensch schätzt und achtet, dann
geht es auch nicht um die Arbeitsstunden - dann findet man
eine für alle Beteiligten vorteilhafte Lösung!

Leider gibt es keine Garantie für liebe Kollegen, gute Atmosphäre und spannende Tätigkeiten. Und aus lieben Kollegen werden auf der Arbeit können auch schnell mal nicht-so-liebe Kollegen werden, Stichwort: Office-Politics.
Aber bei letzteren stimme ich Dir zu. Du hast Recht damit, dass es natürlich auf die Firma ankommt. Über eine harmonische Arbeitsatmosphäre wäre ich natürlich sehr glücklich, und ich glaube, ich könnte in 30 Stunden in einer harmonischen Arbeitsatmosphäre wahrscheinlich auch mehr Leistung erbringen als in 40 Stunden unharmonischer Arbeitsatmosphäre. Wenn die Chemie stimmt, geht das, davon bin ich überzeugt! :smile:

Es hat mich gefreut, deine Antwort zu lesen!

Herzliche Grüße,
(ebenfalls) Michael

Hi Michael,

hier machst du meiner Meinung nach einen Denkfehler:

Ich meine: nicht umsonst wird man für Arbeit bezahlt. Ist ja
auch ganz logisch: Wenn die Arbeit riesigen Spaß machen würde,
bräuchte man nicht dafür bezahlt werden, sondern würde es
freiwillig machen.

Man wird nicht bezahlt, weil der AG etwas braucht um den AN zum Arbeiten zu „überreden“. Sondern man bekommt seinen Anteil davon ausbezahlt, was du geleistet hast und was deine Arbeit eingebracht hat. Die Summe, die du verdienst, hängt davon ab wie „außergewöhnlich“ und gefragt deine Fähigkeiten sind. Etwas, das „jeder“ kann, wird weniger gut bezahlt werden. Etwas, bei dem viel Verantwortung übernommen werden muss, wird besser bezahlt.

Wenn es nach deiner Definition ginge, müsste ein Müllmann ja mit am besten bezahlt werden, da man viel „Motivationsgeld“ braucht. Berufe, die Spaß machen wie zB. Fußballprofi (ja, die Beispiele sind blöd, aber sie sollen nur zeigen, dass das Gehalt nicht proportional zum Motivationsgrad steht) müssten ja dann ein geringes Gehalt bekommen, da die Ausübung an sich ja schon Spaß macht und für andere ein Hobby ist. Tatsächlich ist es aber andersrum. Warum?

Vielleicht muss ich zur Erklärung meiner Person sagen, dass
ich kein allzu materialistisch orientierter Mensch bin, und
jemand, der den Erwartungen unser Leistungsgesellschaft nicht
einfach so konform werden möchte. Vielleicht klingt das für
manch einen jetzt nach Langzeitstudent, Kiffer oder Hippie
oder so. Aber ich bin einfach jemand, der sich nicht mit
seinem materiellen Errungenschaften (teures Auto, etc.)
beweisen muss, dementsprechend weniger Geld vermieden muss,
und der seine Freizeit lieb hat. Und das ist meiner Meinung
nach kein allzu verwerfliches Dogma.

Auch wenn ich ganz anders ticke als du und ein 30-Stunden-Vertrag für mich nicht in Frage käme, kann ich deine Meinung nachvollziehen. Du setzt eben deine Prioritäten anders. Es kommt nur etwas seltener vor (denke ich) und daher reagieren manche vielleicht mit Unverständnis. Ein Chef sowieso, denn der möchte natürlich sehen, dass die Arbeit für dich an allererster Stelle steht und du wenn’s hart auf hart kommt auch fleißig Überstunden machst :smile: Mein Chef ist da anders, der erinnert meine Kollegen und mich regelmäßig daran, dass es noch ein Leben neben der Arbeit gibt und man doch mal Feierabend machen soll. Ich muss zugeben, dass mich das jedes Mal irritiert, das passt nicht in mein „Weltbild“.

Wie wäre es, wenn du einfach mal ausprobierst, wie ein Chef darauf reagiert? Bewirb dich anfangs bei Firmen, die für dich nicht die erste Wahl sind. Im Vorstellungsgespräch rückst du mit deinem 30-Stunden-Wunsch raus und schaust, wie dein Gegenüber reagiert. Falls er entsetzt reagiert, ist es nicht so schlimm, du wolltest den Job ja eh nicht haben. Du nimmst auf jeden Fall Erfahrung mit aus dem Gespräch und kannst nichts verlieren (außer ein bisschen von deiner Freizeit *g* die aber bestimmt gut investiert sein wird). So kannst du üben, wie weit du gehen kannst.

Falls die Chefs überwiegend negativ darauf reagieren, würde ich einen annehmen, auch wenn 40 Stunden im Vertrag stehen. So hast du erstmal einen Fuß in der Tür und kannst deinen Chef davon überzeugen, dass du die Arbeit auch in 30 Stunden gut erledigst, wofür andere vielleicht länger brauchen. Oder du handelst erstmal Homeoffice heraus um schließlich auf 30 Stunden runterzugehen. Aber so ist erstmal der Anfang gemacht.

Viel Erfolg bei deinen Bewerbungen!
Steffie

Passend dazu fällt mir die Geschichte vom zufriedenen Fischer von Heinrich Böll ein:

In einem Hafen an einer westlichen Küste Europas, liegt ein ärmlich gekleideter Mann in seinem Fischerboot und döst. Ein schick angezogener Tourist legt eben einen neuen Farbfilm in seinen Fotoapparat, um das idyllische Bild zu fotografieren: blauer Himmel, grüne See mit friedlichen, schneeweißen Wellenkämmen, schwarzes Boot, rote Fischermütze. Klick. Noch einmal: klick, und da aller guten Dinge drei sind und sicher sicher ist, ein drittes Mal: klick.

Das spröde, fast feindselige Geräusch weckt den dösenden Fischer, der sich schläfrig aufrichtet, schläfrig nach seiner Zigarettenschachtel angelt. Aber bevor er das Gesuchte gefunden, hat ihm der eifrige Tourist schon eine Schachtel vor die Nase gehalten, ihm die Zigarette nicht gerade in den Mund gesteckt, aber in die Hand gelegt, und ein viertes Klick, das des Feuerzeuges, schließt die eilfertige Höflichkeit ab. Durch jenes kaum messbare, nie nachweisbare Zuviel an flinker Höflichkeit, ist eine gereizte Verlegenheit entstanden, die der Tourist - der Landessprache mächtig - durch ein Gespräch zu überbrücken versucht.
„Sie werden heute einen guten Fang machen.“
Kopfschütteln des Fischers. „Aber man hat mir gesagt, dass das Wetter günstig ist.“ Kopfnicken des Fischers.
„Sie werden also nicht ausfahren?“ Kopfschütteln des Fischers, steigende Nervosität des Touristen. Gewiss liegt ihm das Wohl des ärmlich gekleideten Menschen am Herzen, nagt an ihm die Trauer über die verpasste Gelegenheit. „Oh? Sie fühlen sich nicht wohl?“ Endlich geht der Fischer von der Zeichensprache zum wahrhaft gesprochenen Wort über.
„Ich fühle mich großartig“, sagt er. „Ich habe mich nie besser gefühlt.“ Er steht auf, reckt sich, als wollte er demonstrieren, wie athletisch er gebaut ist. „Ich fühle mich phantastisch.“
Der Gesichtsausdruck des Touristen wird immer unglücklicher, er kann die Frage nicht mehr unterdrücken, die ihm sozusagen das Herz zu sprengen droht: „Aber warum fahren Sie dann nicht aus?“ Die Antwort kommt prompt und knapp.
„Weil ich heute morgen schon ausgefahren bin.“ „War der Fang gut?“
„Er war so gut, dass ich nicht noch einmal auszufahren brauche. Ich habe vier Hummer in meinen Körben gehabt, fast zwei Dutzend Makrelen gefangen.“

Der Fischer, endlich erwacht, taut jetzt auf und klopft dem Touristen auf die Schulter. Dessen besorgter Gesichtsausdruck erscheint ihm als ein Ausdruck zwar unangebrachter, doch rührender Kümmernis. „Ich habe sogar für morgen und übermorgen genug!“ sagte er, um des Fremden Seele zu erleichtern. „Rauchen Sie eine von meinen?“
„Ja, danke.“

Zigaretten werden in Münder gesteckt, ein fünftes Klick. Der Fremde setzt sich kopfschüttelnd auf den Bootsrand, legt die Kamera aus der Hand, denn er braucht jetzt beide Hände, um seiner Rede Nachdruck zu verleihen. „Ich will mich ja nicht in Ihre persönlichen Angelegenheiten mischen“, sagt er, „aber stellen Sie sich mal vor, Sie führen heute ein zweites, ein drittes, vielleicht sogar ein viertes Mal aus, und Sie würden drei, vier, fünf, vielleicht sogar zehn Dutzend Makrelen fangen. Stellen Sie sich das mal vor!“
Der Fischer nickt.
„Sie würden“, fährt der Tourist fort, „nicht nur heute, sondern morgen, übermorgen, ja, an jedem günstigen Tag zwei-, dreimal, vielleicht viermal ausfahren - wissen Sie, was geschehen würde?“
Der Fischer schüttelt den Kopf.
„Sie würden sich in spätestens einem Jahr einen Motor kaufen können, in zwei Jahren ein zweites Boot, in drei oder vier Jahren könnten Sie vielleicht einen kleinen Kutter haben, mit zwei Booten oder dem Kutter würden Sie natürlich viel mehr fangen - eines Tages würden Sie zwei Kutter haben, Sie würden…“, die Begeisterung verschlägt ihm für ein paar Augenblicke die Stimme, „Sie würden ein kleines Kühlhaus bauen, vielleicht eine Räucherei, später eine Marinadenfabrik, mit einem eigenen Hubschrauber herumfliegen, die Fischschwärme ausmachen und Ihren Kuttern per Funk Anweisung geben, sie könnten die Lachsrechte erwerben, ein Fischrestaurant eröffnen, den Hummer ohne Zwischenhändler direkt nach Paris exportieren - und dann…“ - wieder verschlägt die Begeisterung dem Fremden die Sprache.

Kopfschüttelnd, im tiefsten Herzen betrübt, seiner Urlaubsfreude schon fast verlustig, blickt er auf die friedlich hereinrollende Flut, in der die ungefangenen Fische munter springen. „Und dann“, sagt er, aber wieder verschlägt ihm die Erregung die Sprache. Der Fischer klopft ihm auf den Rücken wie einem Kind, das sich verschluckt hat. „Was dann?“ fragt er leise.
„Dann“, sagt der Fremde mit stiller Begeisterung, „dann könnten Sie beruhigt hier im Hafen sitzen, in der Sonne dösen - und auf das herrliche Meer blicken.“
„Aber das tu ich ja schon jetzt“, sagt der Fischer, „ich sitze beruhigt am Hafen und döse, nur Ihr Klicken hat mich dabei gestört.“

Tatsächlich zog der solcherlei belehrte Tourist nachdenklich von Dannen, denn früher hatte er auch einmal geglaubt, er arbeite, um eines Tages einmal nicht mehr arbeiten zu müssen, aber es blieb keine Spur von Mitleid mit dem ärmlich gekleideten Fischer in ihm zurück, nur ein wenig Neid.

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Arbeitslosigkeit unter Akademikern gibt es defakto nicht

nein? Trägt das einen anderen Namen, oder glaubst du
tatsächlich, dass es keine arbeitslosen Akademiker gibt?

Es gibt fast keine. Von Vollbeschäftigung spricht man bei einer ALG-Quote von 3,5%. Dann gibt es quasi nur noch Übergangsarbeitslosigkeit und sehr wenige Fälle von Langzeitarbeitslosigkeit, die meist in Verbindung mit psychischen Erkrankungen/Suchterkrankungen steht.

Unter Akademikern haben wir eine ALG Quote von unter 2,5% und das inklusive aller Geisteswissenschaftler, Architekten und Mediendesigner. Das ist defakto nur noch Übergangsarbeitslosigkeit.

Selbst da steht etwas von 2,5% in 2012 („de facto“ wäre für
mich etwas unter 0,1%!), aber ich vermute, dass sich das auf
Bezieher von ALG I beschränkt, denn die anderen können gar
nicht erfasst werden. D. h. der tatsächliche Prozentsatz
dürfte um einiges höher sein.

Der tatsächliche Prozentsatz dürfte meiner Meinung nach noch deutlich niedriger liegen, da die Schwarzarbeit in manchen Branchen erheblich ist.

Unter Akademikern haben wir eine ALG Quote von unter 2,5% und
das inklusive aller Geisteswissenschaftler, Architekten und
Mediendesigner. Das ist defakto nur noch
Übergangsarbeitslosigkeit.

Von einem Taxi- oder Kellnerjob in den anderen? Da dürfte der UP mit einem 30h-gehalt seine Ansprüche nicht mehr erfüllen können.

Der tatsächliche Prozentsatz dürfte meiner Meinung nach noch
deutlich niedriger liegen, da die Schwarzarbeit in manchen
Branchen erheblich ist.

Welche Schwarzarbeit erledigt man denn typischer weise als Akademiker?

Hallo Steffie,

hier machst du meiner Meinung nach einen Denkfehler:

Ich meine: nicht umsonst wird man für Arbeit bezahlt. Ist ja
auch ganz logisch: Wenn die Arbeit riesigen Spaß machen würde,
bräuchte man nicht dafür bezahlt werden, sondern würde es
freiwillig machen.

Man wird nicht bezahlt, weil der AG etwas braucht um den AN
zum Arbeiten zu „überreden“. Sondern man bekommt seinen Anteil
davon ausbezahlt, was du geleistet hast und was deine Arbeit
eingebracht hat. Die Summe, die du verdienst, hängt davon ab
wie „außergewöhnlich“ und gefragt deine Fähigkeiten sind.
Etwas, das „jeder“ kann, wird weniger gut bezahlt werden.
Etwas, bei dem viel Verantwortung übernommen werden muss, wird
besser bezahlt.

Wenn es nach deiner Definition ginge, müsste ein Müllmann ja
mit am besten bezahlt werden, da man viel „Motivationsgeld“
braucht. Berufe, die Spaß machen wie zB. Fußballprofi (ja, die
Beispiele sind blöd, aber sie sollen nur zeigen, dass das
Gehalt nicht proportional zum Motivationsgrad steht) müssten
ja dann ein geringes Gehalt bekommen, da die Ausübung an sich
ja schon Spaß macht und für andere ein Hobby ist. Tatsächlich
ist es aber andersrum. Warum?

Ok, stimmt auch wieder, da geb ich Dir Recht.

Wie wäre es, wenn du einfach mal ausprobierst, wie ein Chef
darauf reagiert? Bewirb dich anfangs bei Firmen, die für dich
nicht die erste Wahl sind. Im Vorstellungsgespräch rückst du
mit deinem 30-Stunden-Wunsch raus und schaust, wie dein
Gegenüber reagiert. Falls er entsetzt reagiert, ist es nicht
so schlimm, du wolltest den Job ja eh nicht haben. Du nimmst
auf jeden Fall Erfahrung mit aus dem Gespräch und kannst
nichts verlieren (außer ein bisschen von deiner Freizeit *g*
die aber bestimmt gut investiert sein wird). So kannst du
üben, wie weit du gehen kannst.

Falls die Chefs überwiegend negativ darauf reagieren, würde
ich einen annehmen, auch wenn 40 Stunden im Vertrag stehen. So
hast du erstmal einen Fuß in der Tür und kannst deinen Chef
davon überzeugen, dass du die Arbeit auch in 30 Stunden gut
erledigst, wofür andere vielleicht länger brauchen. Oder du
handelst erstmal Homeoffice heraus um schließlich auf 30
Stunden runterzugehen. Aber so ist erstmal der Anfang gemacht.

Das sind ehrlich gesagt keine schlechten Vorschläge! Das hatte ich bisher noch nicht geplant, aber jetzt wo Du es sagst, klingt das sinnvoll und machbar. Danke für die Vorschläge! :smile:

Viel Erfolg bei deinen Bewerbungen!
Steffie

Vielen Dank, Steffie, für Deine inspirierende Antwort! :smile:

Passend dazu fällt mir die Geschichte vom zufriedenen Fischer
von Heinrich Böll ein:

Interessanterweise kenne ich die gleiche Geschichte in einer anderen Fassung:

http://rinerakan.blogspot.de/2010/10/mexican-fisherm…

Liebe Grüße,
Michael

Von einem Taxi- oder Kellnerjob in den anderen?

Ja natürlich. Die haben selbstverständlich nicht alle ihren Traumjob. Kann man heute auch kaum von ausgehen wenn man Journalismus studiert.

Welche Schwarzarbeit erledigt man denn typischer weise als
Akademiker?

Beratung, Programmierung,… und natürlich die normale Schwarzarbeit im gering qualifizierten Bereich wie du schon oben darstellst.

Ja natürlich. Die haben selbstverständlich nicht alle ihren
Traumjob. Kann man heute auch kaum von ausgehen wenn man
Journalismus studiert.

Wie gesagt, solche Jobs wird der UP nicht meinen.

Beratung, Programmierung,… und natürlich die normale
Schwarzarbeit im gering qualifizierten Bereich wie du schon
oben darstellst.

Das sind bestimmt riesige Fallzahlen.

Hi 
du  gehtst davon  aus  wie  es  im  Moment  auf  dem  Arbeitsmarkt  aussieht .
Was aber  ist  in  ein  paar  Jahren ? wenn  du zb  Fam haben solltest und  die  gut bezahlten Stellen  an  die vergeben  sind  die  heute  zu gelangt  haben ,- Was  erzählst  du  dann  deiner  Fam … wir  können  uns das  nicht  leisten  weil  Papa damals weniger Stunden  machen  wollte ?? nicht  falsch verstehen ,  es  wird  immer alles teurer und dann  auf  Verdienst verzichten ??? Ausserdem bekommst  du mit  mehr  Gehalt / Verdienst  auch mehr Rentenpunkte auf  die  du ebenfalls verzichtest 
Ich  würd  das nehmen wo  ich  aufsteigen  und  auch  gut  verdienen kann 
Lg
Ducm3fahrer

Hi,

super, ich nehm dich sofort!
Zahl dir 3/4 Gehalt und fordere 100% Leistung, besser gehts für mich als Chef nicht!

Als Neueinsteiger bei mir und überhaupt im Job, hast du ja von der eigentlichen Arbeitsbelastung keine Ahnung, Überstunden sind mit der angeblich übertariflichen Bezahlung (bist ja butscheler) schon eingeschlossen und ich als Chef gebe dir viel „Verantwortung“.

Unter 60h in der Woche kommst du nicht aus dem Büro…

Grüße
miamei

Hallo,

insgesamt stimme ich dir zu. Zur Motivation möchte ich aber gerne noch folgendes anmerken: Ich arbeite inzwischen auch nur noch 30h im Hauptberuf und habe noch eine kreative Nebentätigkeit. Natürlich könnte man mir jetzt unterstellen, dass ich den Hauptberuf nur wegen des Geldes bzw. der Sozialversicherung mache. Das stimmt aber nicht! Ich mache beide Tätigkeiten gerne und gut! Sowohl körperlich (sitzende vs. gehende Tätigkeit) als auch geistig (mehr Freude, Anregungen, Kreativität in beiden Bereichen) profitiere ich von der Abwechslung und ausgeglichener bin ich dadurch auch. Der Hauptgewinn ist für mich, dass ich „Abstand“ gewinne, dadurch vieles differenzierter und aus neuen Perspektiven sehe.

Ich kann daher Arbeitgebern nur raten, Teilzeittätigkeiten zu unterstützen und zu fördern!

Viele Grüße!