5. Gebot —> Mordverbot

Alo,
im hebr. und griechischen Grundtext wird im 5. bzw. 6 Gebot von „morden“ gesprochen, also, „du sollst nicht morden“, was zu, „du sollst nicht töten“, einen eklatanten Unterschied macht, denn morden ist ja eigenmächtig töten (aus niederen Beweggründen). Klar, dass das frevelhaft und strafwürdig ist.
Töten ist also nur im Prinzip verboten, wenn es, wie gesagt, eigenmächtig geschieht. Im Auftrag Gottes oder eines Herrschers (Bellum Justum) ist deswegen töten kein Verstoß gegen das 5./6. Gebot.
Gibt, es eine Langfassung oder Original-Übersetzung, wo diese Umstand zwischen morden, eigenmächtigen töten, ‚normalem töten‘, frevelhaften töten usw. deutlich wird oder hat hier jemand eine tiefergehende Kenntnis, des Zusammenhangs.

MfG
Tragant

Hallo,

soviel ich mich erinnere, ist die Unterscheidung vom hebräischen Ursprungstext her nicht so klar möglich. Das hebräische Wort an dieser Stelle wird nicht deckungsgleich mit den deutschen Begriffen verwendet. Weder Morden noch Töten treffen also exakt zu.
Klar ist, dass die entgrenzte Bedeutung von Töten, die im Grunde sogar die Aktivitiäten des eigenen Immunsystems zum Frevel werden ließen, nicht gemeint ist, aber auch nicht die Engführung auf vorsätzlich heimtückische Handlungen.

Gruß
Werner

Hallo,
sozusagen aus zweiter Hand: (hat mir mal ein Hebräisch-Professor erläutert) könnte man „morden“ hier beziehen auf - wie du schon sagtest - eine Kriegshandlung (also ich darf den Gegner in einem berechtigten,im ursprünglichen Sinne „Krieg auf der Seite Gottes“ töten) und auf Menschen, die ihrerseits gegen Gottes Gebote verstoßen haben (also war dies eine Fürsprache für die Todesstrafe). Es darf nicht aus „niederen Beweggründen“ wie auch im Sinne unseres Gesetzes festgelegt passieren.
Wie gesagt, dies nur weitergesagt.

Gruß eiawell

Grob gesagt (und aus christlicher Sicht dargestellt):

  1. Es gibt nur einen hebräischen Urtext für die 10 Gebote, der griechische ist schon wieder ein Abschrift.

  2. Die 10 Gebote finden sich im Alten Testament zwei Mal (2. Mose 20 und 5. Mose 5), und in beiden Fällen wird das Verb „razach“ benutzt. Das ist schonmal ein gutes Zeichen :wink:.

  3. Das wird mit „morden“ oder „tot schlagen“ übersetzt - aber nicht ausschließlich mit einem beabsichtigten Töten. So nimmt Gesenius in seinem Wörterbuch z.B. an, daß in 4. Mose 35,6 ein unbeabsichtigter Todesfall vorliegt, der auch mit diesem Verb beschrieben wird.
    Das Problem ist, daß sich die Bedeutung der Vokabeln oftmals nur ungefähr rekonstruieren läßt, da sich Begriffe und Bedeutungen im Laufe der Zeit verändern und verschieben. Wenn es also nicht irgendwo eine Stelle im AT gibt, in der aus dem Kontext eindeutig hervorgeht, was gemeint ist, wird es ungemein schwierig, dazu eine sichere Aussage zu treffen.

  4. Meines Wissens gab es dazu im Judentum folglich auch die entsprechenden Diskussionen, ab wann man von einem „Morden“ im Sinne des Gebotes sprechen kann, und was nicht darunter fällt. Vergleichbar der Unterscheidung im deutschen Recht, das für einen Mord die Absicht, für einen Totschlag den Affekt und für eine fahrlässige Tötung die unglücklichen Umstände (auch nur grob gesagt) als Kriterium ansetzt.
    Davon abgesehen gibt es auch zahlreiche Belegstellen gottbefohlener Kriege, in denen natürlich geplant und gewollt getötet wurde, ohne daß gegen das Gebot verstoßen würde.

Martinus

Immunsystem ???
Hallo auch,

Klar ist, dass die entgrenzte Bedeutung von Töten, die im
Grunde sogar die Aktivitiäten des eigenen Immunsystems zum
Frevel werden ließen, nicht gemeint ist, …

Und die alten Hebräer wussten schon was über das Immunsystem des Körpers? Oder wurde das später dazu gedichtet?

Fragt sich
Laika

  1. Es gibt nur einen hebräischen Urtext für die 10 Gebote, der
    griechische ist schon wieder ein Abschrift.

Naja, genaugenommen ist auch der hebräische „Urtext“ eine Abschrift aus dem ägyptischen Buch der Toten…
Da drinn stehen die 10 Gebote 1:1, sind nur etwas anders formuliert.

Hallo Martinus,

Vergleichbar der Unterscheidung im deutschen Recht, das
für einen Mord die Absicht, für einen Totschlag den Affekt und
für eine fahrlässige Tötung die unglücklichen Umstände (auch
nur grob gesagt)

unter Totschlag fallen nicht nur Affekthandlungen, sondern auch ein geplantes Umbringen!

Von „Mord“ spricht der Jurist, wenn besondere Merkmale wie Heimtücke, besondere Grausamkeit oder niedrige Beweggründe vorliegen.
Gruß!
Karl

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Hallo Tragant,

Gibt, es eine Langfassung oder Original-Übersetzung, wo diese
Umstand zwischen morden, eigenmächtigen töten, ‚normalem
töten‘, frevelhaften töten usw. deutlich wird oder hat hier
jemand eine tiefergehende Kenntnis, des Zusammenhangs.

eine Detailerklärung findest Du in 2.Mo.21,12-32
http://www.diebibel.de/

Gruss Harald

Hallo,

Und die alten Hebräer wussten schon was über das Immunsystem
des Körpers? Oder wurde das später dazu gedichtet?

Das war eine nicht ernst gemeinte Überspitzung, da die Aktivitäten des Immunsystems ja keine zu verantwortende kontrollierbare Handlung sind.

Gruß
Werner

Alo,
okay, gibt es den Übertragungen dieser etwas anders formulierten Abschrift aus dem ägyptischen Buch der Toten und sind die ins Netz gestellt ?

Mit mordlosenen Grüssen
Tragant

Von den alten Hebräern zu den Künstlern

Und die alten Hebräer wussten schon was über das Immunsystem
des Körpers? Oder wurde das später dazu gedichtet?

Hallo,

im Gegensatz zu meinem Nachschreiberling, der den oben zitierten Gedanken ins „Unernste“ verschiebt, halte ich die Erkenntnis für eine geradezu zentrale der Evolution. Um auf die Frage direkt zu reagieren: Ja, die alten Hebräer wussten schon was über das Immunsystem des Körpers! Meine Behauptung mag zunächst einige in Erstaunen versetzen, aber der oben zitierte Satz wäre aus meiner Perspektive gesehen voll zu bejahen, soll heißen: Ja, der Begriff „Immunsystem“ wurde später dazu gedichtet!

Meine Begründung ist Folgende: Jedes Tier - und da beziehe ich schon die höchst ärgerlichen schwarzen Würmer, die ich täglich bzw. meine Isebill ums Haus herum und um die Terrasse und im Haus selber zusammenkehre, dass diese schwarzen Würmer schon genau wissen, was ihrem „Immunsystem“ gut tut und was ihnen schadet, und zwar ohne den Begriff „Immunsystem“ zu kennen.

Das, was ein kleiner schwarzer Wurm schon WEISS, was ihm gut tut und was ihm schadet, wussten auch schon die alten Hebräer und wissen auch schon alle Tiere und alle Babys dieser Welt, ohne dass sie den erdichteten wissenschaftlichen Begriff „Immunsystem“ dazu nötig hätten. Es bleibt dabei, was Nietzsche über die „fröhlichen Wissenschaftler“ sagte:

Es sind Künstler (Begriffe-Erfinder richtiger gesagt)!

Gruß
C.

Hallo Tragant,
im Netz gibt es die komplette Übersetzung des Papyrus Ani
von E.A. Wallis Budge, datiert auf 1240. Ergänzt um Übersetzungen z.B. des Papyrus Nu. Das Original kannst Du Dir hier anschauen.

Der entspechende Abschnitt:

Hail, Usekh-nemmt, who comest forth from Anu, I have not committed sin.
Hail, Hept-khet, who comest forth from Kher-aha, I have not committed robbery with violence.
Hail, Fenti, who comest forth from Khemenu, I have not stolen.
Hail, Am-khaibit, who comest forth from Qernet, I have not slain men and women.
Hail, Neha-her, who comest forth from Rasta, I have not stolen grain.
Hail, Ruruti, who comest forth from heaven, I have not purloined offerings.
Hail, Arfi-em-khet, who comest forth from Suat, I have not stolen the property of God.
Hail, Neba, who comest and goest, I have not uttered lies.
Hail, Set-qesu, who comest forth from Hensu, I have not carried away food.
Hail, Utu-nesert, who comest forth from Het-ka-Ptah, I have not uttered curses.
Hail, Qerrti, who comest forth from Amentet, I have not committed adultery, I have not lain with men.
Hail, Her-f-ha-f, who comest forth from thy cavern, I have made none to weep.
Hail, Basti, who comest forth from Bast, I have not eaten the heart.
Hail, Ta-retiu, who comest forth from the night, I have not attacked any man.
Hail, Unem-snef, who comest forth from the execution chamber, I am not a man of deceit.
Hail, Unem-besek, who comest forth from Mabit, I have not stolen cultivated land.
Hail, Neb-Maat, who comest forth from Maati, I have not been an eavesdropper.
Hail, Tenemiu, who comest forth from Bast, I have not slandered [no man].
Hail, Sertiu, who comest forth from Anu, I have not been angry without just cause.
Hail, Tutu, who comest forth from Ati (the Busirite Nome), I have not debauched the wife of any man.
Hail, Uamenti, who comest forth from the Khebt chamber, I have not debauched the wife of [any] man.
Hail, Maa-antuf, who comest forth from Per-Menu, I have not polluted myself.
Hail, Her-uru, who comest forth from Nehatu, I have terrorized none.
Hail, Khemiu, who comest forth from Kaui, I have not transgressed [the law].
Hail, Shet-kheru, who comest forth from Urit, I have not been wroth.
Hail, Nekhenu, who comest forth from Heqat, I have not shut my ears to the words of truth.
Hail, Kenemti, who comest forth from Kenmet, I have not blasphemed.
Hail, An-hetep-f, who comest forth from Sau, I am not a man of violence.
Hail, Sera-kheru, who comest forth from Unaset, I have not been a stirrer up of strife.
Hail, Neb-heru, who comest forth from Netchfet, I have not acted with undue haste.
Hail, Sekhriu, who comest forth from Uten, I have not pried into matters.
Hail, Neb-abui, who comest forth from Sauti, I have not multiplied my words in speaking.
Hail, Nefer-Tem, who comest forth from Het-ka-Ptah, I have wronged none, I have done no evil.
Hail, Tem-Sepu, who comest forth from Tetu, I have not worked witchcraft against the king.
Hail, Ari-em-ab-f, who comest forth from Tebu, I have never stopped [the flow of] water.
Hail, Ahi, who comest forth from Nu, I have never raised my voice.
Hail, Uatch-rekhit, who comest forth from Sau, I have not cursed God.
Hail, Neheb-ka, who comest forth from thy cavern, I have not acted with arrogance.
Hail, Neheb-nefert, who comest forth from thy cavern, I have not stolen the bread of the gods.
Hail, Tcheser-tep, who comest forth from the shrine, I have not carried away the khenfu cakes from the Spirits of the dead.
Hail, An-af, who comest forth from Maati, I have not snatched away the bread of the child, nor treated with contempt the god of my city.
Hail, Hetch-abhu, who comest forth from Ta-she (the Fayyum), I have not slain the cattle belonging to the god.

Also - wie Du siehst, ist der biblische Dekalog eindeutig eine „etwas anders formulierte Abschrift“ dieses Textes, nicht wahr? Nur halt ein bißchen schlampig abgeschrieben.

Mit den 42 ‚negativen Bekenntnissen‘ (Ich habe nicht …) werden übrigens die 42 göttlichen ‚Beisitzer‘ der Maat beim Totengericht adressiert.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Vergleichbar der Unterscheidung im deutschen Recht, das
für einen Mord die Absicht, für einen Totschlag den Affekt und
für eine fahrlässige Tötung die unglücklichen Umstände (auch
nur grob gesagt) als Kriterium ansetzt.

Dieses deutsche Recht gibt es so nicht.

  1. Für Mord ist keineswegs Absicht erforderlich. Es reicht jede Form von Vorsatz, auch direkter Vorsatz und sogar bedingter Vorsatz (Eventualvorsatz).

http://de.wikipedia.org/wiki/Eventualvorsatz

Letztlich ist Mord ein Totschlag, wenn besondere Umstände vorliegen:

http://dejure.org/gesetze/StGB/211.html

Dazu kann dann z.B. auch die Absicht gehören, eine andere Straftat zu verdecken. Für den Einsatz eines gemeingefährlichen Mittels aber kommt es darauf nicht.

Totschlag ist schlicht und ergreifend die vorsätzliche Tötung, die kein Mord und kein Töten auf Verlangen ist. Auch hier reicht Eventualvorsatz. Affekt ist kein Tatbestandsmerkmal.

http://dejure.org/gesetze/StGB/212.html

Effekt kann ausnahmsweise den Vorsatz ausschließen. Während also z.B: ein Mord aus Affekt denkbar ist, kann es sein, dass eine Strafbarkeit wegen Totschlags gerade am konkreten Affekt ausscheidet.

http://books.google.de/books?id=oYGc7HtcKmgC&pg=PA23…

Fahrlässige Tötung hat nichts mit unglücklichen Umständen zu tun, sondern damit, die im Verkehr erforderliche Sorgfaltspflichten zu verletzt. Im Fall einer Tötung also:

http://dejure.org/gesetze/StGB/222.html

Mit Mord und Totschlag hatte ich mir etwas falsch gemerkt, stimmt. Danke nochmal. Aber was ist denn der Unterschied zwischen Absicht und Vorsatz?

Martinus