Nuklearwaffen im ‚Miniformat‘, länger
Hallo Raimund,
2 Fragen:
- in der Schule habe ich gelernt, dass die kleinste Bompe,
die man bauen kann, die Bomben von Hiroshima und Nagasaki
sind. Kleiner ginge es nicht, das man eine bestimmte Menge an
angereichtertem Uran braucht, um die kritische Masse zu
erreichen.
Man nimmt eigentlich ungern Uran, sowohl U233 als auch U235 sind zwar spaltbar, wobei U233 kuenstlich hergestellt werden muss aus Thorium232 ueber Neutroneneinfang, aber beide haben schlechtere Neutroneneinfangsquerrschnitte und Reaktionszeiten (bis ein Atomkern nach Neutroneneinfang sich spaltet und weitere Neutronen freigibt), als Plutonium239. Zumindest fuer kleine Bomben und sehr grosse Bomben ist jeweils eine schnelle Reaktionskette einfach besser und man nimmt lieber Plutonium239. Bei kleinerm Bomben „verbrennt“ 239 einfach effektiver, das waere eine reine Materialersparniss und bei grossen Bomben zuendet eine Spaltungbombe eine Fusionsbombe und dabei muss alles schoen schnell gehen, um genuegend hohe Druecke und Temperaturen zu erreichen fuer die Fusion von Wasserstoff zu Helium. Die Masse, die man braucht fuer eine Spaltungsbombe liegt klassisch als kritische Masse in Kugelform bei rund 15-20 kg. („So gross wie eine Ananas“ aufgrund der hohen Dichte, so Heisenberg auf die Frage eines deutschen Offiziers nach einem Vortrag, aber bei naivem klassischem Design in den Koepfen von Laien). Aber mittels diverser Tricks kann man auch weniger spaltbares Material zur Zuendung, bis zur kritischen Masse bekommen. Die beliebteste Methode ist Beryllium. Beryllium setzt bei Einfang von einem Alphateilchen (ein Heliumkern) und auch bei Neutroneneinfang, abhaengig vom Berylliumisotop, relativ schnell mehrere Neutronen frei. Zuweilen gerne in Verbindung mit Polonium210 gemischt, welches ein starker Alphastrahler ist. Sehr gute Zuender fuer Kernwaffen enthalten Beryllium-Polonium210. Man laesst das spaltbare Material auf solch ein Gemisch zur Implosion bringen. Damit muss man nicht auf einige spontane Neutronen warten, die die Kettenreaktion in Gang bekommen, sondern hat sofort einen starke Neutronenquelle und jeder Zeitgewinn ist ein Gewinn an Effektivitaet, wie vollstaendig die Bombe ihr spaltbares Material auch umsetzt. Dient also als Neutronenvervielfaeltiger bzw. als Neutronenspiegel und mit einem guten Design der Sprengstofflinsen und solcher Neutronenmultiplikatoren kann man die benoetigte kritische Masse an PU239 bis auf den ein-kilo-bereich senken. Mit U235 geht so etwas nicht gaaanz so gut und U233 taugt, wenn ich mich recht erinnere, sowieso nur recht fuer Reaktoren wegen der langsamen Reaktionszeiten. Was man dann noch machen kann ist bestimmte Elemente bzw.deren Isotope jenseits von Pu239 zu benutzten, welche Neutronen noch „lieber“ einfangen und damit noch schneller spalten und wieder, neben 2-3 grossen Kernbruchstuecken, mehrere Neutronen freigeben. Aber diese Isotope sind weit schwieriger herzustellen via Erbruetung in Reaktoren und dann auch noch sehr kurzlebig mit Halbwertszeiten im Jahresbereich, d.h. sie strahlen auch stark, das so etwas nur im Experimentalbereich gemacht wurde, sprich es gibt keine Atomwaffen mit Elementen jenseits Plutonium, weil unpraktikabel.
Also man kann auch Waffen mittels besseren Sprengstofflinsen (schnelle und gute Kompression zur Zuendung) und Neutronenverfielfachern mit nur wenigen hundert Gramm bis 1-2 Kilo zur Zuendung bringen. Das sagt aber nur etwas ueber die maximale erreichbare Energie aus und die liegt dann im Bereich von 300 t bis 5 kt TNT. Denn auch mit 15-20 kg U235 oder Pu239 kann man ohne Probleme statt Sprengkraefte bei gleicher Masse wie Hiroshima (ca. 15 kt) jeden beliebige kleinere Sprengkraft erreichen, aber auch geringfuegig hoehere Sprengkraft, denn die ersten Bomben waren relativ schmutzig, sprich sie nutzen ihr spaltbares Material schlecht.
Nun kann man aber das ganze mit einer Fusionswaffe boosten, indem man einfach schweren Wasserstoff (D) und superschweren Wasserstoff (T) zur Fusion bringt. Statt T nimmt man Lithium6. Bei Neutroneneinfang spaltet es sich und man bruetet noch waehrend der Kernspaltung T. Mischt man D und Li6 geschickt bei, kann man jede Spaltungswaffe boosten. Sprich mit 1 kg Pu239 und T/Li6-Beigabe und Neutronenverfielfachern Sprengkraefte von mehreren bis zigdutzenden kt TNT erreichen. Die Neutronen bei Fusion von D/T zu Helium4 sind sehr schnell, haben eine hohe kinetische Energie von 14 MeV. D+T->He4(3.6MeV)+n(14MeV). Diese schnellen Neutronen koennen auch U238 spalten. Man baut es daher zuweilen in den Mantel von Fusionswaffen ein. Bei der ersten supergrossen Wasserstoffbombe, „Mike“ mit gut 10 Mt, brachte das U238 , gespalten mit schnellen Neutronen aus der DT-Reaktion, die meiste Energie, naemlich 70 Prozent.
Beide Seiten im kalten Krieg haben solche „Mininukes“ im Kilo- und subkilobereich TNT entwickelt. Die US-Armee soll Rucksackbomben haben, so sagt man. 1-2 Kilo Kernwaffenmaterial, mehrere Kilo Sprengstoff, mehrere Kilo Elektronik/Technik, mehrere Kilo Abschirmung und der Rucksack als Traeger und schon ist ein 50-Kilo-schwerer Atombombenrucksack fertig. Man erzaehlte sich folgenden Witz. Wenn ein todsterbenstrauriger GI in die Kneipe kommt, sich sinnlos seinen Kummer besaeuft und einen riesigen Rucksck beihat, dann sollte man mit dem Auto ein paar Kilometer Abstand nehmen.
Die eigentliche „beliebste“ Baureihe fuer Mininukes der USA ist die B61-Serie, Plutonium239. Wie es bei den Russen und anderen aussieht, weiss ich nicht genau. Von dieser Serie gibt es mehrere Varianten und sie sind alle mehr oder weniger skalierbar in der Sprengkraft von 300 t TNT bis 300 kt TNT. Sie haben einen Strahlungszuender, dass heisst, dass sie zwei Bomben enthaelt. Simpel gesagt: Die erste Bombe ist ummantelt mit Sprengstofflinsen und die zweite mit Plastik, alles ist in einem Hohlraum aus Blei oder aehnlich. Die erste Waffe zuendet mittels Sprengstoff, deren Licht und mehr noch Roentgenlicht wird vom Blei(schweres Metall!!!) reflektiert und verdampft die Plastikummantelung (—> hoher Druck und Temperatur) der zweiten Bombe und dadurch wird diese noch besser zur Implosion bzw. zur Zuendung gebracht. Das ganze wird wieder mit DT geboosted, sprich zwei Kernspaltungswaffen und die eine ist eigentlich mittels DT bzw. mit D-Li6 eine Fusionswaffe mit Spaltungsbooster.
Die B61-Serie sollte die City-Buster-Serie B53 (im Mt-Bereich bis 9 Mt abloesen bzw. ergaenzen als taktisches Arsenal statt strategisch. Heutzutage sind die City-Buster sinnlos, man moechte kleine Bomben haben gegen Bunker und Bergfestungen. Die klassische rein chemisch arbeitende bunkerbrechende Bombe GBU28 wiegt 2 t und mit ca. 320 kg Sprengstoff kommt sie auf ca. 380 kg TNT. Die B61-11 aber kommt auf nur 300 kg Gewicht, aber auf eine Sprengkraft von 300 t bis 300 kt, also 1000 - 1 000 000 mal so hohe Sprengkraft wie eine GBU28.
Der amerikanische Kongress hat 1994 ein Gesetz verabschiedet, das es den Atomwaffenlaboratorien explizit verbietet, Sprengköpfe zu entwickeln, die eine Sprengkraft von weniger als fünf Kilotonnen haben. Die B61-11 wurde von Los Alamos National Laboratory (LANL) 1997 entwickelt/fertiggestellt mit Auftrag im Jahre 1995. Man sagt ganz einfach, dass sie ein Umbau der B61-7 ist zum Bunkerbrecher. Sprich von der reinen Bombe via Rakete/Artillerie/Flugzeug zum Bunkerbrecher. So ist es auch. Sie wurde auch nie getestet, ist eine eine Modifizierung der B61-7 mit den Maßen: 3.59 Meter lang, 34 Zentimeter im Durchmessern, Gewicht 315 kg und einem Aequivalent von 300 t bis 340 kt TNT, frei justierbar ad hoc.
Von der B61-Serie gibt es ca. 600 bis 740 im US-Arsenal und bei den Russen wird es aehnlch aussehen. Wobei kein Unterschied bei Kernwaffen zwischen 100 oder 1000 Stueck besteht wie wir alle wissen, auch wenn wir hier von „kleinen“ Bomben reden und nicht von Citybustern im Mt-TNT-Bereich.
Bomben im Aktenkofferformat kann ich mir schlecht vorstellen. Nimm einen grossen Aktenkoffer und ein sehr gutes Design und komme auf 30 kg fuer eine 300t-TNT Bombe und man schleppt sich ab. Faellt irgendwie auf, spaetestens am Flughafen, siehe Roentgenkontrolle . Also das ist eher ein Koffer bzw. man braucht einen Koffer mehr denn eine riesige Aktentasche fuer eine zuendbare Minibombe im 300t-TNT Bereich mit 1-2 kg spaltbarem Material. Mehrere Kilo Sprengstoff, dazu diverse Elekronik, Abschirmung fuer die Strahlung liegt auch im Kilo-Bereich, dazu die Tasche selbst. Unter, na sagen wir 20 kg geht gar nichts mit dem Mindestdurchmesser von 25 cm und einer Laenge und Breite von 50 cm. Solche Bomben wird es bis dato nicht geben und da bin ich mir sicher. Insofern stimmt es nicht was Barkley mit einer Damenhandtasche meint. Man bekommt es nach einiger Zeit der Entwicklung, wer die Mittel hat, in einen grossen mit mittleren Aktenkoffer und der wiegt sehrt viel *g*
Solche Bomben sind nicht, auf gar keinen Fall also, von Terroristen baubar, selbst wenn man ihnen alles Material zur Verfuegung stellt. Auch nicht von Staaten wie Pakistan oder Indien in den naechsten Jahren, selbst wenn sie wollten, es sei denn jeweils 10-20 Physiker und Ingenieure laufen mit Akten und Produktionsmittels ueber von den Russen oder den Amis. Denn das Design solcher Waffen und die Sprengstofflinsen sind sooo gut, dass es wirklich ein grosses Geheimnis ist, sie zu bauen und alles andere als einfach. Siehe auch andere Postings von mir in diesem Brett aktuell.
Indien und Pakistan verfuegen nur ueber wenig bessere Waffen als es die Bomben auf Japan waren. Das wirklich gute Design, die Materialien/Reinheitsgrade/Sprengstoffe, Physik wie Hydrodynamik und die ingenieurstechnische Leistung wie Werkzeuge zur Herstellung haben nur die USA und Russland und evtl. noch China GB Frankreich.
Terroristen kommen wohl als allerletztes von allen konventionellen und ABC-Waffen an Mininukes, chemische Anschlaege hingegen kann jeder selbst machen im Eigenbau. Man braeuchte fuer einen simplen Giftgasanschlag mit Chlorgas im Lueftungsschacht eines Hochhauses von der Idee zur Ausfuehrung 24 Stunden und minimal 20 bis zu 1000 Euro.
- Weiss jemand mehr darüber und gibt es Möglichkeiten dieses
oben erwähnte Gesetz auszuhebeln?
Hope that helps, mit besten Gruessen, Peter