*lang*
Hi
Das ist natürlich nicht ganz so einfach, als Erwachsene betrachtet man vieles einfach anders.
Mein Verhältnis zu meinen Eltern war auch nicht immer einfach - das sind zwei verschiedene Dinge, meine Mutter ist sehr cholerisch und autoritär, das war nicht leicht, aber dabei ging es meist um andere Sachen, auf emotionaler Ebene.
Als ich klein war haben meine Eltern mit immer vorgelesen oder selbst Geschichten und Märchen erzählt, wir sind Bücher durchgegangen und einige konnte ich so auswendig, das andere meinten, ich könne schon lesen. Tatsächlich konnte ich schon lesen als ich in die Schule kam, nur Schreiben habe ich dann gelernt.
ich habe eine furchtbare Handschrift, also haben meine Eltern sich hingesetzt und mit mir Schreibübungen gemacht, durchaus mit Druck - nur wenn du x mal y schreibst bekommst du z. Das hat aber auf lange Sicht nicht gefruchtet. ich schreibe wunderschönes Chinesisch, meine Handschrift in Latein ist immer noch eine Katastrophe. Das hatte keine miesen Konsequenzen - ich wurde weiterhin angehalten schön zu schreiben und mir wurde beigebracht, auf Karten u.ä. Dingen schön zu schreiben. Das dauert zwar ewig und meine persönlichen Notizen sind kryptisch, aber es hat zumindest etwas gebracht.
Von der Grundschule erhielt ich eine Empfehlung für Gymnasium oder Realschule.
Ich hatte die freie Wahl und weil alle die ich kannte auf die Realschule gingen, bin ich auch dahin gegangen. Ich hatte immer Mobbingprobleme und dann die Wahl, in eine völlig neue Klasse zu kommen oder in eine wo Leute aus meiner Grundschule waren. Meine Eltern wussten besitmmt, dass das keine gute Idee war, aber ich durfte frei entscheiden und ich ging in die Klasse mit alten Gesichtern.
Die folgenden drei Jahre waren die schlimmsten meines Lebens.
Aber ich hatte diese Wahl im Glauben an die Menschheit gemacht. Ich wurde enttäuscht, ja, aber ich glaube jetzt noch an das Gute im Menschen und oft habe ich Recht - hätten meine Eltern mir damals vorgeschrieben das Menschen sich nicht ändern können und alles furchtbar wird wenn ich nicht woanders hingehe, ich glaube, ich wäre ein ganz anderer Mensch geworden.
Meine Noten waren im Keller, ich hatte sechsen auf dem Zeugnis, mir ging es überhaupt nicht gut. Aber meine Eltern haben mich getreten und sie haben die Schule getreten, so dass ich die Klasse schließlich wechseln konnte. Das erste Jahr lief nicht wirklich gut, aber meine Eltern machten keinen Druck. Sie machten mir immer wieder Mut, mich auf die Aufgaben zu konzentrieren und besser zu werden - Helfen konnten sie mir bei vielen Dingen nicht mehr.
Ich musste nie Angst haben nach Hause zu kommen. Ich habe mich mal zuhause auf dem Klo eingeschlossen weil ich eine Fünf mit nach Hause brachte und die anderen mich dusselig geredet hatten. Erst danach habe ich gemerkt wie überflüssig das war - ich habe NIE Strafen für schlechte Noten erhalten, ich habe auch nie Geld für gute Noten erhalten - manchmal gab es andere Belohnungen, aber nie standardgemäß. Meine Eltern haben mir immer klar gemacht, dass ich für MICH lerne. Und so war ich mit MIR unzufrieden, wenn die Noten schlecht waren. Vor meine Eltern musste ich nie Angst haben. Im ersten Jahr der neuen Klasse wäre ich gleich sitzen geblieben, aber damals gab es noch die Nachprüfung - ich konnte Mathe ausgleichen wenn ich eine eins in Geschichte schaffte, und wir haben den ganzen Tag geübt, geübt, geübt. Das machte mir auch klar, wie dringlich die Situation war. Die Prüfung habe ich geschafft, denn ICH wollte nicht meine neue Klasse verlieren.
Ich bin ganz von alleine gut geworden. Ich war den Mobbing Stress los und fand Unterstützung bei Lehrern und in der neuen Klassengemeinschaft. Ich war nie eine Sportskanone, ich war nie ein Mathegenie, aber meine Noten in Chemie, Bio, Geschichte und Co. rissen alles raus, den Abschluss habe ich als Klassenbeste gemacht. Ein Lob geht hier auch an einen Sportlehrer - die meisten haben mich wegen meines Gewichts immer nieder gemacht, nie konnte ich mehr als eine vier erreichen. Einer jedoch hat auch bewertet wie man mitmachte, ob man die Regeln einhielt, ob man sich wirklich Mühe gab - da gab es bessere Noten und das hat mich aufgebaut, ich habe festgestellt, dass Hockey und Rugby Spaß machen und man nicht nur Fußball spielen muss. Darin war ich gut, das hat mir auch in der Klasse geholfen öfter in Teams gewählt zu werden.
Zwischendrin habe ich ein Praktikum als Metallbauer (früher Schlosser) gemacht, eigentlich wollte ich zwar Goldschmiedin werden… aber naja. Ich fand das auch toll, mein Vater hat mich unterstützt und mir danach weitere handwerkliche Fähigkeiten beigebracht (er selbst ist Hobbyschreiner).
Meine Mutter wollte eigentlich, dass ich den Bürobedarf, den sie führte, übernehme. Das wäre ideal gewesen. Aber ich bin schlecht in Mathe und hasse telefonieren, es fällt mir schwer auf Leute zuzugehen, auch verbal - als ich sagte, dass ich aufs Gymnasium will, hatte ich volle Unterstützung. Ein wenig traurig war meine Mutter natürlich schon. Es gibt viele Sachen die sie versucht hat mir beizubringen (z.B. Handarbeiten, Kaufmännisches) die einfach nicht gefruchtet haben. Irgendwie fällt da der Apfel weit vom Stamm.
Hier wurde es etwas schwieriger. Meine beiden Eltern sind Nicht-Akademiker und mein Vater verstand überhaupt nicht, warum ich als Mädchen denn auch noch studieren wollte und noch dazu so obskure Sachen - das drehte sich über die Jahre von Chemie über Deutsch/Geschichtslehrerin über Entwicklungshelferin hin zu Arabisch/Chinesisch.
Auf dem Gymnasium waren meine Noten ganz in Ordnung, in Mathe stürzte ich völlig ab (bei einem Lehrer, der uns „Realschulabschaum“ nannte und meinte, wenn man kein Mathe kann, sollte man gar nicht aufs Gymnasium). Meine Eltern haben das mit Sorge betrachtet, mit Sorge aber nicht mit Wut, und als -ich- dann sagte, es geht nicht mehr so weiter, bekam ich Nachhilfe. Die musste ich mir mit ihrer Unterstützung selber suchen, aber sie haben sie bezahlt. Das hat geholfen aber nichts gerettet XD
Meine Eltern halfen mir hier vor allem, in dem sie mich in Ruhe ließen. Auf privater Ebene knallte es zur Genüge - Pubertät halt. Ich musste mir aber um nichts anderes Sorgen machen - meine Mutter hat mir „Haushalt“ zwar beigebracht, aber ich musste lange nicht viel machen. Dabei krachte es auch oft, weil meine Mutter wollte, dass ich die Treppe putze, was ich bis heute nicht gern tue XD
Aber wir sind dann überein gekommen, weil ich Hausarbeit gemacht habe, die mir gefallen hatte - ich wasche z.B. total gerne und habe auch meine Leidenschaft fürs Kochen gefunden.
Ich habe schließlich Chinesisch (Idee meiner Mutter) und Religionswissenschaft (meine Leidenschaft) studiert. Das musste mein Vater erstmal verdauen, ich merkte immer, dass er skeptisch war, aber er hat nichts negatives gesagt. Meine Mutter hielt mir den Rücken, auch vor der Verwandtschaft, denn da der „Stammhalter“ gerade vollversagte _sollte_ aus mir natürlich auch nichts werden *rolleyes*.
Erste Einschnitte kamen als ich mich entschied, auch noch Koreanistik und Theologie (letzteres zwangsweise) zu studieren. Da bekamen meine Eltern langsam nervöse Zuckungen.
Das erste Semester ging gut, im zweiten fiel ich in Chinesisch durch und verlor ein Jahr - das war meine erste, große Niederlage. Ich war einfach ausgebrannt - burn out kam da gerade erst auf. Nun drehte sich das um: Ich hatte mir die Suppe eingebrockt, also hieß es auch auslöffeln seitens meiner Mutter. Ich habe weiter gemacht und soviel Koreanisch studiert wie ich wollte, ich wusste dann aber schon, dass ich dieses Studium nicht beende. Mit RelWiss war ich im 5. Semester fertig, etwas länger hat es gedauert weil ich auf meinen Chinesischkurs warten musste. Schlussendlich war der Abschluss super.
Ab hier wusste ich, dass ich mit Ehrgeiz alles schaffe. Den Ehrgeiz haben meine Eltern mir eingepflanzt, denn eigentlich bin ich ein fauler Mensch - wenn für meinen Lebensunterhalt gesorgt wäre würde ich lange schlafen und nur arbeiten wenn mich etwas wirklich fasziniert
Aber da das nicht so ist, wollte ich alles aus mir herausholen. Für MICH. Weiles MEINE Zukunft ist und ich sie forme, egal was kommt. DAS haben meine Eltern mir beigebracht, sie haben mir den Rücken gestärkt, sie haben mich gelenkt, aber nie, niemals nicht sind sie bösartig geworden.
(Ich habe durchaus mal eine gelangt bekommen, oder den Hintern versohlt als ich kleiner war, das ging aber mehr um soziale Situationen bei denen ich mir echt was geleistet habe, wobei der Sinn natürlich nicht gegeben war- diese sozialen Situation verstand ich als Kind schließlich gar nicht.)
Ich habe durchaus Druck gespürt, nicht zu wenig - das waren die hohen Erwartungen, die meine Eltern hatten. Ich musste keine Angst haben, dass sie mich nicht mehr lieben, wenn ich sie nicht erfülle - aber irgendwie wurde das übertragen und ich habe nun hohe Erwartungen an mich selbst. Wenn ich mich selbst enttäusche bin ich frustriert und arbeite ohne Unterlass dafür, dass wieder zu verbessern. Ich will immer das Optimum aus mir herausholen, das habe ich eindeutig von meiner Mutter - und auch, dass ich mich dabei manchmal kaputt mache.
Im Gegensatz zu ihr hatte ich aber durch die gute Fürsorge und auch das erweiterte Wissen, das man heute hat, die Gelegenheit zu lernen wie wichtig die Work-Life-Balance ist und daran zu arbeiten.
Ich habe neben dem Studium an der Uni gearbeitet und meinen Master mit 1,1 gemacht, nun unterstütze ich meine Eltern finanziell. Nächstes Jahr möchte ich nach zwei Jahren prekären Arbeitsverhältnisses den Doktor machen und ich weiß, ich kann moralisch auf meine Eltern zählen, ich muss mich nie schämen. Ich kann IMMER nach Hause kommen. Meine Eltern, und seit dem Masterabschluss vor allem auch mein Vater, sind stolz auf mich, ich kann sie nicht enttäuschen. Auch wenn ich damals Metallbauerin geworden wäre, oder Chemikantin, weiß ich, dass sie stolz auf mich gewesen wären.
Das ist viel wichtiger als Geld.
Wenn ich mir jetzt vorstelle sie hätten mich genötigt, gedrängt, evtl. geprügelt… hätte ich in der 6. Klasse, 7. Klasse oder nach dem 3. Semster Drohungen und Druck statt Entlastung und Bestärkung bekommen… und das bei meiner Mobbingerfahrung (ich war mit 15 kurz davor mich umzubringen, bzw. gerade schon dabei)… ich wäre nicht mehr hier. Entweder tot oder in der Psychiatrie.
Ich weiß nicht ob dir das jetzt geholfen hat, das ist nicht einfach zu beschreiben, es ist ja auch viel Gefühl dabei.
lg
Kate