Ab wann ist etwas 'Geschichte'?

Hallo Wissende,

ab wann ist etwas eigentlich „Geschichte“ und kann historisch untersucht werden? Gehört das Manifest von Anders Breivik schon zu den Dokumenten, mit denen sich ein Historiker befasst? Falls nicht - ab wann wird es dann zu einer historischen Quelle, zu „Geschichte“?

Schöne Grüße

Petra

Hey :smile:

Ich zitiere jetzt einen Satz einer ehemaligen Lehrerin…

ALLES was vergangen ist zählt schon zur Geschichte… also auch der Satz der jetzt gesprochen wurde… :smile:

vl hilft dir das…

lg

Moin,

ab wann wird es dann zu einer
historischen Quelle, zu „Geschichte“?

ab der Schlagzeile von gestern?
Ich wüßte kein Kriterium, das etwas anderes aussagt.

Gandalf

Hi,

Geschichte wird in der Gegenwart geschrieben.

mfg,

Hanzo

Hallo Gandalf,

ab wann wird es dann zu einer
historischen Quelle, zu „Geschichte“?

ab der Schlagzeile von gestern?
Ich wüßte kein Kriterium, das etwas anderes aussagt.

Naja, eigentlich hast du recht - aber ich habe die Frage gestellt, weil es ja auch so Studiengänge wie „Politikwissenschaft“ und sowas gibt. Bisher habe ich mir das immer laienhaft so erklärt, dass sich halt die Politikwissenschaft mit der Gegenwart und die Geschichte mit der Vergangenheit beschäftigt. Genau hat’s mich nie interessiert, weil mein Interesse an geschichtlichen Ereignissen bislang nicht über das Jahr 1978 hinausging, und das ist ja wohl eindeutig schon Geschichte.

Aber wenn das Manuskript schon ein geschichtliches Dokument ist … dann wird es wohl am besten sein, wenn ich gleich ein richtiges Exzerpt anfertige - wer weiß, wozu man’s mal brauchen kann. (Und zweimal lese ich diesen Papierberg nicht!)

Schöne Grüße

Petra

Hi

Geschichtsstudiengänge weisen mittlerweile auch die Richtungen „Neue Geschichte“ (meist 20. Jh, manchmal noch Ende des 19. Jh.) und „Neuste Geschichte“ (immer die letzten 20 Jahre, also sehr beweglich) auf.

Artikel/Bücher zu sehr, sehr aktuellen Themen werden auch oft mal als „Gegenwartsgeschichte“ bezeichnet, diese überschneidet sich eben mit einigen anderen Fächern. Aber Alte Geschichte überschneidet sich z.B. auch mit klassischer Philologie, andere Geschichten mit anderen Kulturwissenschaften, weil es eben dazu gehört. Kaum ein Philologe kann einen Text übersetzen und beurteilen ohne den geschichtlichen Kontext zu kennen usw. usf.

lg
Kate

Geschichte hat keine definition du kannst sogar die frage die du gestellt hast zu deiner geschichte zählen.

Hallo!

Die Wahl Barack Obamas zum US-Präsidenten im Jahre 2008 war augenblicklich Teil der Weltgeschichte. Zum einen als Fortschreibung der Emanzipation der Schwarzen in den USA. Zum zweiten als wesentlicher Wandel in der amerikanischen Politik.
Damit wurden auch die Bücher die er vor seiner Präsidentschaft verfasst hat Untersuchungsgegenstand der Historiker. Als biographischer Hintergrund einer Politik gestaltenden Figur und als Zeitzeugenbericht.

Im Gegensatz dazu hat das Manifest des von dir erwähnten Arschgesichtes keine historische Relevanz. Darin schreibt sich keine Geschichte fort, und keine wird begonnen. Nur die Geschichte eines einzelnen, aus der Sicht desselben, wird repräsentiert, und damit ist es kein historisches, sondern ein rein psychologisches Dokument. Eine historische Quelle soll Aufschluss geben über die Wirklichkeit, über die Zusammenhänge historischer Entwicklungen. Dieses gibt nur Aufschluss darüber, dass der Wahnsinnige wahnsinnig war.

Gruß
Peter

Unterschied Geschichte Politikwissenschaft
Politikwissenschaft hat in meinen Laienaugen eine andere Zielsetzung als Geschichtswissenschaft. Bei der Geschichtswissenschaft geht es primär darum, Geschehenes zu dokumentieren und zu interpretieren. Bei der Politikwissenschaft geht es wohl primär darum, wie die Zukunft einer Gesellschaft gestaltet werden kann/könnte. Geschichte dient hier als Mittel, um Lehren zu ziehen.
Lasse mich aber von ExpertInnen gerne korrigieren.
Livia

Bei der Abgrenzung von Geschichte und Politikwissenschaft können schon die Begriffe selbst hilfreich sein: Politik kommt von griechisch Polis, Stadt oder Gemeinwesen, im Wort ‚Geschichte‘ steckt ja das Geschehen. Die Politikwissenschaft beschäftigt sich also grob gesagt mit denjenigen Vorstellungen, die Menschen im Lauf der Geschichte entwickelt haben, um ihr Zusammenleben in größeren Einheiten zu organisieren. Sie vergleicht Systeme gesellschaftlicher Ordnung wie Demokratie, Monarchie, Aristokratie usw., arbeitet Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus und verfolgt deren ideengeschichtliche Entwicklung. An der Rekonstruktion konkreter Ereignisse ist sie erst einmal nicht interessiert. Dafür wären die Geschichtswissenschaftler zuständig, die nach dem Satz des Historikers Leopold von Ranke zeigen sollen, „wie es denn eigentlich gewesen“ sei. Bis ins 19. Jahrhundert waren die beiden Disziplinen tatsächlich schwer zu trennen, da die Geschichtswissenschaft noch von der Geschichtsphilosophie dominiert war. Erst nach dem Aufkommen des sogenannten Historismus, der allgemeine philosophische Betrachtungen über den Lauf der Geschichte um wissenschaftlich fundierte Quellenarbeit und -kritik ergänzte, schieden sich die beiden Disziplinen.

Hallo,

das Manifest von Herrn Breivik wird nicht in die Geschichte eingehen, allerhöchstens in die Kriminalgeschichte.
Und zwar aus dem Grund, dass in, sagen wir 2 Jahren, kaum jemand mehr das Originalmanifest von den jetzt schon umlaufenden Fälschungen unterscheiden kann.
Wenn es ganz verrückt kommt (und das passiert in der Geschichte manchmal), dann wird das Original bald als Fälschung abgetan und aus der Geschichte verschwinden und eine Fälschung hält als Original her.

Davon abgesehen ist der mutmaßliche Terrorist Breivik für die Weltgeschichte (und das ist für mich die einzig wirklich wichtige Geschichte, auch die einzige die gelehrt wird) viel zu unwichtig um
darin aufzutauchen.

Hallo, Petra_44, und auch pedter,
ja, das ist ja gerade das Problem mit dem Internet: Wenn Obama nicht doch eher ins Schwarze schillern würde, hätte schon längst jemand behauptet, er hieße eigentlich Baruch Ölbaum oder dergleichen. Und wenn ich nun heute die These aufstellte, Breivik wäre pünktlich losgelassen worden, um von der US-Staatspleite abzulenken, dann fände ich auch gleich Anhänger. Natürlich kann er auch von Ben Laden & Erben gesandt sein, um dem Islamismus dienlich zu sein. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt …
Gruß
Sepp

Hallo!

Ich war lange nicht mehr hier, aber es juckt mich mal wieder:

Im Gegensatz dazu hat das Manifest des von dir erwähnten
Arschgesichtes keine historische Relevanz.

Ähm … kannst Du das begründen? Natürlich ist es ein bescheuertes Dokument. Darüber brauchen wir uns nicht unterhalten. Aber welches Kriterium entscheidet Deiner Meinung nach darüber, ob etwas eine historische Relevanz hat oder nicht?

Ich finde, wir sollten da sauber trennen zwischen der Geschichte (also der gesamten Vergangenheit), die es zu erforschen gibt und unserer Interpretation davon. Breiviks Manifest ist definitiv Teil von ersterem und wahrscheinlich nicht Teil von letzterem (auch wenn ich mir da gar nicht so sicher bin!)

Eine historische Quelle soll
Aufschluss geben über die Wirklichkeit, über die Zusammenhänge
historischer Entwicklungen. Dieses gibt nur Aufschluss
darüber, dass der Wahnsinnige wahnsinnig war.

Und wenn wir nun ein Dokument hätten, in dem Nero darlegen würde, warum er Rom in Brand gesteckt hat, dann hätte das Deiner Meinung nach auch keine Relevanz?

Michael

PS: Nagelt mich jetzt nicht auf die Geschichte mit Nero und Rom fest! Ihr wisst, wie ich es gemeint habe …

Hallo Michael!

Es freut mich, dich zum Comeback bewogen zu haben.

Der vor die Füße hingeworfene Fehdehandschuh ist, solange ihn niemand aufnimmt, bloß ein Lumpen im Dreck. Die Selbstverbrennung des tunesischen Gemüsehändlers Mohamed Bouazizi im Dezember 2010 gewann ihre historische Bedeutung erst durch die darauffolgende Jasminrevolution und den Arabischen Frühling.

Was ich damit sagen möchte: Der Blick auf Geschichte verlangt Perspektive. Damit man Gegenwärtiges mit den Methoden und dem Blick eines Historikers untersuchen kann, muss sich in ihm eine historische Entwicklung fortschreiben oder ein Wandel einsetzen, der so tiefgreifend ist, dass dessen Zurücknahme nicht vorstellbar ist. Der Historiker kann Gegenwärtiges also nur betrachten, insofern es Teil oder Ende von etwas Älterem ist.

Das ist mein Verständnis von Geschichte. Diesem folgend kann man zwar die Taten des Arschgesichtes zur Geschichte rechnen: Als vorläufiger Kulminationspunkt der westlichen Islamophobie und als Härtetest der offenen Gesellschaft in Norwegen. Aber mit seinem Manifest verhält es sich deswegen anders, weil es erst rezipiert werden müsste, bevor es Bedeutung erlangte. Es selbst (ungeachtet der Tat) müsste Folgen haben. Diese Schrift gehört nicht zu den seltenen Ereignissen, die ohne Einblick in spätere Entwicklungen, augenblicklich zur Geschichte gezählt werden können. Als historische Quelle ist es deswegen uninteressant, weil uns von derselben Zeit so viele Zeitzeugenberichte (samt unseren eigenen Erinnerungen) vorliegen, dass wir blöd wären uns einen Wahnsinnigen als Gewährsmann zu erwählen. Denn welche Geschichte erzählen wir uns dann?

Und da wären wir bei Nero - und da juckt es nun mich zu sehr - der Rom nicht in Brand steckte.

Gruß
Peter