Salve!
Woher das Du das denn? Finnland hat rein gar nichts mit den
antiquierten Bildungssystem der DDR am Hut gehabt
Da ist es wieder, das typische Beispiel westdeutscher Arroganz und Ignoranz, daß absolut kein Funken Interesse an deutsch-deutscher Geschichte vorhanden ist. Eigentlich müßte einem das Messer in der Tasche aufklappen. Ich persönlich würde es nicht so drastisch wie Zerschmetterling formulieren, daß Finnland das Bildungssystem der DDR übernahm, dennoch sind die Einflüsse auf bestimmte Strukturen und Organisationsmethoden dokumentiert und unübersehbar.
Finnland ist nämlich eines der ersten demokratischen Länder gewesen, das die DDR international völkerrechtlich anerkannte und zu dem die DDR intensive außenpolitische Beziehungen aufbauen konnte (wie später zu Japan, das Interesse am Matheunterricht der DDR hatte). In den außenpolitischen Protokollen und Dokumenten Finnlands und der DDR kann man wortwörtlich nachlesen, daß u.a. die Kooperation im Bildungssystem signifikante Ausmaße erreichte.
Den finnischen Delegationen wurden viele polytechnische Oberschulen, einige erweiterte Oberschulen und vor allem die hervorragenden Lehrerbildungseinrichtungen der DDR gezeigt - keineswegs potjomkinsche Dörfer, wie man meinen sollte, sondern normale Schulen.
Daß heutzutage, über 40 Jahre später, einzelne Finnen in bestimmten Positionen und Ämtern versuchen, diese Bildungskooperation zu relativen, ist Politik und sonst nichts, denn die finnische Gesellschaft ist nicht mehr so links wie früher. Die Sozialisten/Sozialdemokraten, die - wie einst in Schweden - das Bildungssystem vor 40 Jahren reformierten und modernisierten, sind zwar noch große politische Kraft, allerdings beherrschen hauptsächlich rechtskonservative und marktliberale Parteien das politische Sprektrum. Mit anderen Worten: Die Gesellschaft Finnlands ist nach rechts gerückt, mit entsprechenden Konsequenzen in der journalistischen Berichterstattung.
Hat irgendjemand in der FAZ jemals irgendwann auch nur einen polemiklosen, differenzierten und sachlich recherchierten Artikel über die DDR gelesen?
sich nach dem schwedischen Bildungssystem
Das kann teilweise richtig sein, erklärt oder relativiert jedoch nicht die erheblichen Einflüsse der ostdeutschen Einheitsschule, die sich im finnischen Bildungssystem zeigen.
Wenn ein Bildungssystem auf deutschem Boden „antiquiert“ ist, dann das dreigliedrige Schulwesen Westdeutschlands und nicht das Einheitsschulwesen der DDR. Die Finnen kommentierten das im Jahre 2001 lakonisch, in dem sie die deutschen Experten fragten, was diese in Finnland suchten. In Finnland gäbe es schließlich nichts, was die Deutschen nicht schon in irgendeiner Form von der DDR hätten lernen können. Ein diplomatischer Tiefschlag, der saß, wenn man bedenkt, wie rigoros und mit welchen Geldmitteln die Einheitsschule nach der Wende zerstört wurde.
zusammengebunden in der Krippe liegen
Wunderbar. Auf die ausgenudelten schwachsinnigen Angstdarstellungen über das DDR-Krippenwesen kann selbstverständlich niemand verzichten.
Man sollte eigentlich meinen, daß solcher Unsinn irgendwann langweilig wird und sich totläuft. Aber scheinbar ist die westdeutsche Ignoranz (s.o.) so groß, daß die Märchen über die DDR-Krippen nicht aussterben.
Abschreibübungen […]
langweilig und unproduktiv
Nein, langweilig und tödlich unproduktiv ist die extreme Unterforderung der Kinder in der Grundschule westdeutscher Prägung.
Ich erinnere daran, daß die (süd-)westdeutschen Bildungsfunktionäre, also diejenigen, die heutzutage im Fernsehen nervtötend und unentwegt arrogant von der angeblichen Überlegenheit ihres dreigliedrigen Schulsystems salbadern, beklagten, daß vor allem die jüngeren Schüler von der polytechnischen Oberschule überfordert würden. Deshalb wurde als erstes die Wochenstundenzahl drastisch gekürzt und auf westdeutsches Grundschulniveau verringert. „Intellektuell überhöhter Lehrstoff“ mußte gestrichen werden, was teilweise geschah, aber nicht überall von den Ossis befolgt wurde. Ein Beispiel im Fach Mathematik: Gleichungslösen und Arbeiten mit Variablen ab Klasse 1. Das gab es im Westen nicht, also sollten es die Ossis nicht mehr machen.
Die Finnen lehren solche Dinge ab Klasse 1 allerdings.
Wo das bloß herkommen kann?!?
Es gibt nichts Katastrophaleres als Unterforderung und fehlende Ernsthaftigkeit im Grundschulalter. Die heutige Grundschule ist eine „Spielekindschule“, ein Kindergarten für große Kinder, aber keine ernsthafte, intellektuell fordernde Lern- und Leistungsschule. Die Kinder werden infantilisiert, verdummt und es wird zu oft und zu häufig gespielt. Spielen ist die pädagogische Methode des Kindergartens (Netti Christensen).
es fehlte an Fremdsprachen.
Wenn ich höre, wie die Mehrheit der Westdeutschen im Alter von 40 oder in meinem Alter Englisch spricht, ist es unmöglich, daß das gegliederte Schulsystem bessere Lernergebnisse bei Fremdsprachen erzielte als das Schulsystem der DDR.
Lerntheorien
Sind diese Lerntheorien empirisch validiert? Gibt es in der BRD Lern- und Entwicklungspsychologen, die vergleichbares internationales Renommee besitzen wie einst die empirischen Forscher der DDR? Wo sind die statistisch abgesicherten signifikanten Ergebnisse, die Kontrollklassen, die universitären Institute, die sich damit beschäftigen usw.?
Und wie lautet denn jetzt das Geheimrezept, um beliebige Schüler in beliebigen Schulklassen zu motivieren?
Motivation mag auf dem Papier toll klingen, läßt sich allerdings nicht diktatorisch verordnen. Und wen man sich ansieht, welche unbrauchbaren Gestalten zum Lehramtsstudium zugelassen werden und was dort für weltfremder Unfug vermittelt wird, der dem Berufsalltag des Lehrers kaum gerecht wird, braucht man sich nicht wundern, wenn motivierende Lehrer nirgends zu finden sind, sondern reines Zufallsprodukt bleiben. Zu einem guten Lernprozeß gehört außerdem weit mehr als pure Motivation. Preußische Sekundärtugenden täten unserer Gesellschaft wieder gut.
Reiner
P.S.
Nein, die Kinder sollen sich keine Teilsätze merken und
auswendig niederschreiben. Es geht um die Wörter, die
Wortbestandteile und die Relation zur Aussprache. Die DDR z.B.
entwickelte und unterrichtete eine andere Leselernmethode, die
besonders gut vom Abschreiben beeinflußt wurde, weil die
Kinder das Rechtschreibe- und das Lautsystem zugleich lernten
(Orthographie und Orthoepie).
Wenn diese Methode so uneingeschränkt gut war, warum wird sie
dann nicht verwendet?
Diese Methode hieß „analytisch-synthetische Leselernmethode“ und wurde von der DDR in den 60er Jahren entickelt als wesentlicher Bestandteil der umfassenden Reform des Deutschunterrichts in der Unterstufe (1.-4. Klasse).
Die analytisch-synthetische Methode beanspruchte das methodische und fachliche Können der Lehrer erheblich, denn die Kinder mußten gleichzeitig das Aufgliedern von Wörtern in Phoneme und Grapheme (Analyse) und das Wiederzusammensetzen von Phonemen und Graphemen zu Wörtern (bewußte Synthese) erlernen. Das Ziel war, daß die Kinder am Ende des 1. Schulhalbjahres (!) völlig unbekannte Wortbilder selbständig und altersgemäß flüssig lesen und inhaltlich verstehen können sollten. Am Ende des 1. Schuljahres sollten alle Kinder einer Klasse die Befähigung erworben haben, sich mindestens drei längere sinvolle Sätze auszudenken, grammatisch und orthographisch fehlerlos/fehlerarm niederschreiben und wiedervorlesen zu können.
Keine der althergebrachten synthetischen oder analytischen Methoden konnte das schaffen, so daß man eine neue Methode entwickeln mußte, die Aspekte von verschiedenen Methoden verschmolz. Die Buchstaben und Laute wurden in einer bestimmten Reihenfolge behandelt, um den verfügbaren Wortschatz so schnell wie möglich steigern zu können. Das Erstlesen wurde von einer landesweit einheitlichen Fibel begleitet und bis zum Ende der 4. Klasse hatte jeder Lehrer jedes Kind mit einem umfangreichen Mindestwortschatz bekanntzumachen. Wichtige Basiswörter der deutschen Sprache wie z.B. „und“ oder „ist“ wurden ad hoc als ganzes Wort beigebracht, um gleich zu Beginn des Anfangsunterrichts Sätze bilden zu können.
Im Sturm der Methodenvielfalt, die 1990 über Ostdeutschland hinwegschwappte, geriet diese DDR-Methode unter die Räder. Heutzutage können das bestenfalls noch die alten Lehrerinnen. Die westdeutschen Verantwortlichen, die die Umgestaltung der Bildungssystem in den neuen Ländern leiteten, kannten und verstanden diese sonderbare Methode ohnehin nicht.
Im Rahmen der Reform, die in den 60er Jahren den Anfangsunterricht im Lesen und Schreiben veränderte, wurde übrigens auch die allseits bekannt und geschätzte Schulausgangsschrift erstellt.
http://www.pedocs.de/volltexte/2011/4907/pdf/Renate_…