Absolutheitsanspruch der Menschenrechte

Tach zusammen.

Da ich im Religionsbrett eine, in dieser Form nicht beabsichtigte, Debatte über die Stellung der Menschenrechte losgetreten habe, würde ich mich freuen, wenn zum Grundproblem auch jemand Stellung nehmen könnte, der die juristische Seite kennt:

Sind Menschenrechte absolut? Falls ja, woraus ergibt sich das - falls nein, weshalb nicht?

Zum Vergleich: Eine Religion kann die Existenz einer Gottheit glauben und dieser Gottheit Allmacht und Allentscheidungsgewalt zubilligen. Damit werden Gebote dieser Gottheit - zumindest im System der Religionsgemeinschaft - zu absoluten Geboten, weil die Instanz, die sie aufgestellt hat, eine - wiederum im System dieser Religion - absolute und nicht zu hinterfragende Instanz ist.

Meine These war, daß Menschenrechte, wenn man eine Gottheit außen vor läßt, von menschlichen Institutionen erkannt, beschlossen, aufgestellt… werden müßten, und daß es die Entscheidung menschlicher Institutionen ist, ob dieser Rechtskanon in der Gesellschaft, für die sie als Regierende oder Rechtgebende tätig sind, auch Gültigkeit erhalten soll. Daß Menschenrechte sich ferner im Laufe der Geschichte gewandelt haben und auch heute in unterschiedlichen Ländern in unterschiedlichem Umfang angewandt werden, ist für mich ein Indiz dafür, daß es eben keine „absoluten Menschenrechte“ gibt, sondern daß sie vielmehr ein Kanon sind, den Menschen in ihrer Zeit mit dem Wissen und Weltbild ihrer Zeit festlegen. Doch der Aufschrei der Empörung im anderen Brett legt nahe, daß ich da einem Denkfehler aufsitze.

Für Klärung dankt Martinus

P.S. Nur um das Mißverständnis nicht erneut heraufzubeschwören: Es geht mir nicht darum, die Menschenrechte als solche oder ihre Gültigkeit in Frage zu stellen.

OT
und ich hab nichts dagegen, wenn es gelöscht wird:

Warum schreibst du ständig klein? Für mich zumindest werden deine Texte damit fast unlesbar. Außerdem zwängt sich mir der Eindruck auf, dass das dort geschriebene unwichtig ist und überlesen werden darf.

LG Barbara

Hi,

Sind Menschenrechte absolut? Falls ja, woraus ergibt sich das

  • falls nein, weshalb nicht?

Meinen Sie mit abolut unumstößlich, frei vor Eingriffen, …?

Menschen- (oder auch Grund-) Rechte bieten nur dann absoluten Schutz, wo ihre Ausübung nicht die Rechte anderer beeinträchtigt/verletzt oder ganz allgemein andere, höherrangige Schutzinteressen tangiert werden.
Das höchste aller Grundrechte ist dabei die Menschenwürde (vgl. Art.1 GG). Der Kern der Menschenwürde ist - nach allg. Ansicht - völlig abwegungsfrei. Er wird verletzt, wenn der Mensch nur noch als Objekt betrachtet wird (vgl. Diskussion zum Abschuss von Personen-Flugzeugen; Luftsicherheitsgesetz)

Andere Grundrechte können - etwa durch oder aufgrund von Gesetzen - eingeschränkt werden.
Das steht dann in der Grundrechtsnorm selber aber auch drin.
Außerdem können Grundrechte durch die Abwägung mit den tangierten Rechten anderer abgewogen werden. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der aus dem Rechtsstaatsprinzip (in Deutschland: Art. 20 Abs. 3 GG) entwickelt wurde.

Art. 1 und Art. 20 des deutschen Grundgesetzes stehen dabei unter einer Ewigkeitsgarantie, vgl. Art. 79 Abs. 3 GG. Erst dann, wenn sich das deutsche Volk eine neue Verfassung gibt, könnte an der Bedeutung der (rechtlichen) Menschenwürde etwas geändert werden, Art.146 GG

Meine These war, daß Menschenrechte[…] von menschlichen Institutionen … beschlossen, aufgestellt… werden müßten, und daß es die Entscheidung menschlicher Institutionen ist, ob dieser Rechtskanon in der Gesellschaft, für die sie als Regierende oder Rechtgebende tätig sind, auch Gültigkeit erhalten soll.

Genau das ist, durch die Schaffung des Grundrechtskatalogs und darauf aufbauend, durch die Schaffung spezialgesetzlicher Regelungen doch auch geschehen.

Daß Menschenrechte sich ferner im Laufe der Geschichte
gewandelt haben und auch heute in unterschiedlichen Ländern in
unterschiedlichem Umfang angewandt werden, ist für mich ein
Indiz dafür, daß es eben keine „absoluten Menschenrechte“
gibt, sondern daß sie vielmehr ein Kanon sind, den Menschen in
ihrer Zeit mit dem Wissen und Weltbild ihrer Zeit festlegen.

Ja, genauso entwickeln sich Rechte (weiter).
Als „absolute“ Menschenrechte, wenn ich Ihre Intention richtig verstehe, könnte man die Rechte aus der EMRK (mit ihren Einschränkungen) ansehen. Die EMRK ist indes „nur“ ein einfaches Gesetz. Sie ist allerdings weiter auch bei der Auslegung des Grundgesetzes (Stichwort der Völkerrechtsfreundlichkeit) und der einfachen Gesetze zu beachten. Ihre Rechte gelten schließlich aber auch nur in den Staaten, welche die Geltung der EMRK anerkannt haben.

Hoffe das hilft Ihnen weiter.

Viele Grüße
dolo agit

Sind Menschenrechte absolut? Falls ja, woraus ergibt sich das

  • falls nein, weshalb nicht?

Meinen Sie mit abolut unumstößlich, frei vor Eingriffen, …?

Vielleicht liegt das Mißverständnis auch im Gebrauch des Begriffs „absolut“. Als „absolut“ war von mir gemeint, daß sie eine Rechtsnorm darstellen, die nicht hinterfragt werden kann, weil die Instanz, die sie zur Rechtsnorm erklärt hat, nicht hinterfragt werden kann - vergleichbar den Geboten, die in einer Religion als gottgegeben und damit ungefragt als richtig akzeptiert werden.

Im Gegensatz dazu würde ich sagen, eine Rechtsnorm ist „relativ“, wenn die Instanz, die diese Norm beschlossen hat, hinterfragbar ist (weil damit ja auch die Norm hinterfragbar würde). Mehrheiten, Staatsoberhäupter… wären für mich hinterfragbar, denn man kann nicht automatisch davon ausgehen, daß sie immer wirklich „richtig“ entscheiden; trotzdem können sie gültige Gesetze erlassen.

Anders gefragt: Worauf stützen sich die Menschenrechte? Wer definiert ein Recht als Menschenrecht, welche Instanz legt fest, welche Rechte von Menschen zu den Menschenrechten gehören und welche nicht? Und mit welcher Legitimation tut diese Instanz das?

Ist das besser gefragt?

Martinus

Hallo,

jede Rechtsnorm kann hinterfragt werden. Bei einigen hat es mehr Sinn, bei anderen weniger.
So können natürlich auch die Grund-, bzw. Menschenrechte hinterfragt werden.

Es gibt natürlich auch Tendenzen, die von der Existenz eines (gott- oder naturgegebenen) Rechts (Naturrecht) ausgehen. Dies sind Rechte, die jeder Person auf diesem Planeten uneingeschränkt zukommen. Die Idee von den Menschenrechten ist quasi eng mit der Theorie vom Naturrecht verwurzelt.

Anders gefragt: Worauf stützen sich die Menschenrechte?

Auf die Idee, dass jeder Mensch gleich ist und mit den gleichen Rechten ausgestattet sein soll.

Wer definiert ein Recht als Menschenrecht

Ein Menschenrecht definiert sich selbst. Es handelt sich sozusagen um Rechte aus der Natur der Sache. Alles was zur Entfaltung der (menschlichen) Persönlichkeit führt, ist in gewissem Sinne auch Menschenrecht.

welche Instanz legt fest, welche Rechte von Menschen zu den Menschenrechten gehören

Die Völkerrechtsgemeinschaft.

Und mit welcher Legitimation tut diese Instanz das?

Auf Grundlage der Idee vom Völkerrecht und dem Ziel auf ziviles, geordnetes und friedliches Zusammenleben.

Viele Grüße

Dolo agit hat in ihrem zweiten Posting die richtige Antwort angedeutet.

Naturrechtstheorien gehen davon aus, dass ein bestimmtes Recht über jedem Recht steht, das ein Mensch erschaffen kann. Dieses Naturrecht steht nicht zur menschlichen Disposition und genießt immer Vorrang.

Das gegenteilige Extrem ist der Rechtspositivismus, der nur dem positiven Gesetz (das heißt: dem von Menschen in einem dafür vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren geschaffenen) Gültigkeit zuschreibt.

Beide Positionen bringen erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Das Hauptproblem des Rechtspositivismus besteht darin, dass jedes noch so ungerechte Gesetz Recht sein kann. Das Hauptproblem der Naturrechtslehren besteht darin, dass ein, wie du es nennst, absolutes Recht postuliert wird, dass dann aber doch nur wieder der jeweilige Machthaber im Staat vorgibt, was dieses Naturrecht denn eigentlich besagt. Nicht nur religiöse Staaten, sondern z.B. auch die Nazis haben sich ja durchaus auf Naturrecht berufen.

Darum sind es letztlich immer Menschen, die bestimmen, was als Recht zu gelten hat. Das bedeutet dann freilich nicht, dass ihr Recht wirklich Recht sein muss, aber dieses Recht wird faktisch durchgesetzt.

Etwas abgemildert wird das Problem durch die Radbruch’sche Formel.

http://de.wikipedia.org/wiki/Radbruchsche_Formel

Die Lösung aller Probleme ist sie aber nicht.

Was man heute als Naturrecht anerkennt, ist jedenfalls nach derzeitigem westlichen Verständnis das, was weltweit anerkennt wird, etwa das grundsätzliche Verbot, andere Menschen zu töten. Es gibt keine Rechtsordnung, die das ganz allgemein erlaubt, und darum gilt dieses Verbot sozusagen absolut, letztlich aber wieder nur, weil Menschen sich darin einig sind.

Hallo

Daß Menschenrechte sich ferner im Laufe der Geschichte gewandelt haben und auch heute in unterschiedlichen Ländern in unterschiedlichem Umfang angewandt werden …

Kann es nicht sein, dass die Hauptunterschiede im Laufe der Zeiten eher darin bestehen, wer als richtiger Mensch gilt, als in den Menschenrechten als solchen?

Viele Grüße

Kann es nicht sein, dass die Hauptunterschiede im Laufe der
Zeiten eher darin bestehen, wer als richtiger Mensch gilt, als
in den Menschenrechten als solchen?

Vermutlich teilweise auch darin. Aber - um noch einen Streitfall aus der Diskussion aufzugreifen - gab/gibt es nicht auch das Menschenrecht auf Arbeit? Meines Wissens hieß das in der DDR, daß jeder Mensch ein Recht auf einen Arbeits_platz_ hatte (ok, Studierende und Studierte waren keine Menschen im Sinne dieses Gesetzes, aber davon abgesehen *g*). In der BRD ging man nicht so weit.

Martinus

P.S. Allerdings gab’s zum Recht auf Arbeit als Menschenrecht im Religionsbrett auch die Aussage, das sei gar keines der eigentlichen Menschenrechte.