Es mutete regelrecht hysterisch, aber auch sehr absurd an, wie unsere Medien auf die getöteten bzw. gefangengenommenen US-Soldaten reagieren. So nennt es beispielsweise der SAT.1-Text einen „Schock“, und „die blanke Angst“ stünde den US-Soldaten „ins Gesicht geschrieben“; die BILD präsentiert auf ihrer Seite die typischen übergrossen Schlagzeilen, wartet gleich mit einer Bildergalerie der Gefangenen auf und hat nun gleich einen Artikel über die Genfer Konventionen parat.
Wenigstens erwähnt man, Hussein hätte am Samstag erklären lassen, die Gefangenen nach besagter Konvention behandeln zu wollen. Aber man kann sich das Geschrei vorstellen, hätte er die festgehaltenen Menschen nicht als Kriegsgefangene, sondern als illegale Kombattanten betrachtet, wie dies die USA vor 15 Monaten zu Unrecht u. a. mit den Taliban taten. [1]
Last but not least entblödet sich SPIEGEL-Online ebenfalls nicht, seinen Artikel über die im irakischen Fernsehen gezeigten Gefangenen mit „Propaganda-Schlacht“ zu betiteln. Hingegen suchte man denselbigen Propagandavorwurf vergeblich, als das Magazin die Bilder von gefangengenommenen oder desertierten Irakis beschrieb.
Wie bereits am 11. September 2001 bemerkbar, so waren auch diesmal die Fernsehsender im wahrsten Sinne des Wortes - je nach der zugehörigen Unternehmensgruppe - ‚gleichgeschaltet‘. Doch die Normalität setzte bereits am kommenden Tag wieder ein. Hatte etwa am Donnerstagabend die ARD noch die beiden - wahrscheinlich einzigen kritischen - Sendungen „Kontraste“ und „Scheibenwischer“ ausfallen lassen, wollte man freitags nun doch nicht u. a. auf „Marienhof“ verzichten, obwohl die USA mit ihren schweren Bombardement begonnen hatten.
Doch bereits vorab unternahm man einiges, um auch uns auf den kommenden Krieg einzustimmen. So änderte etwa das ZDF mehrmals sein Programm, um zum Beispiel in seiner ZDF-History-Reihe statt des vorgesehenen Beitrags „100 Jahre - Kampf ums Heilige Land“ den Beitrag „Saddam - Die wahre Geschichte“ zu senden. (Vergeblich warte ich bis dato jedoch auf die Sendungen, die sich in der gleichen Regelmässigkeit und Ausführlichkeit derart kritisch mit Bush, resp. den USA auseindersetzen.)
Die Privatsender sind natürlich keinen Deut besser. Stets live dabei, aber mit einem Nachrichtenwert gen Null tendierend. So versuchte etwa der RTL-Moderator Peter Klöppel stundenlang verzweifelt, das Bild eines zumeist ruhig darliegenden Bagdads mit Worten zu füllen.
Tja, und schliesslich musste eine gewisse Frau Sabine Christiansen vor wenigen Minuten unbedingt meinen, dass angesichts der getöteten, verletzten und gefangengenommenen US-Gefangenen der Krieg nun sein wahres Gesicht zeige.
Wirklich toll, Frau Christiansen, wie Sie das wieder einmal erkannt haben! Aber - weshalb erst jetzt…?
Marco
PS: Vielleicht sollten wir uns zukünftig die GEZ-Gebühren sparen und dafür stattdessen ein paar vernünftige Bücher kaufen. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat sowieso seine Programmstrukturen immer mehr denen der Privaten angeglichen.
[1] Ausriss aus der Genfer Konvention:
Auch die Bevölkerung eines Gebietes fällt, wenn sie zu den Waffen greift, sich an die Regeln des Krieges hält und die Waffen offen trägt, unter dieses Abkommen. Ferner gilt das Abkommen auch für Mitglieder von Miliz- und Freiwilligenverbänden, vorausgesetzt, daß sie
a) eine Organisationsstruktur haben,
b) ein von weitem erkennbares Zeichen tragen,
c) die Waffen sichtbar bei sich führen und
d) sich während der Kämpfe an die Gesetze und Gebräuche des Krieges halten.
(Art. 13 GA I; 4 GA II/III; 43, 44 ZP I)