Abtrennung von Investmentbanking sinnvoll?

Hi,

grad hab ich es wieder in den Nachrichten gehört: man will durch die Aufspaltung größerer Banken in Invstment- und Privatkundengeschäft verhindern, dass der Steuerzahler für FEhlspekulationen aufkommen muss.

Da stellen sich mir gleich mehrere Fragen.
Zum einen war ja der Bankrott von Lehman Brothers der Beginn der Finanzkrise. Diese Investmentbank hatte sich verspekuliert und wurde, entgegen dem Usus, nicht vom Staat gerettet. Dadurch gerieten andere Banken in Schieflage bzw. pleite, was noch dadurch verschlimmert wurde, dass ein Vertrauensverlust entstand, eben weil vom Staat nicht mehr gerettet wurde. Als Begründung für die bessere Lage der europäischen und besonders deutschen Banken wurde damals angeführt, dass die NICHT zwischen Privatkundengeschäft und Investmentbanking trennen und daher Verluste im Investment durch Profite bzw. das Kapital aus dem Privatkundengeschäft auffangen können.
Habe ich damals was falsch verstanden? Hat die EU bzw. Steinbrück was falsch verstanden?
Und wieso soll eine solche Trennung den Steuerzahler schonen? Werden dann nur bankrotte Investmentbanken nicht mehr gerettet? Oder werden beide „neuen“ Bankentypen nicht mehr gerettet? Und wieso soll das den Steuerzahler schützen? Und wieso soll das eine weitere Finanzkrise verhindern? Siehe 2008… Ich nehme an, beide „neuen“ Bankentyen zu retten, steht nicht zur Diskussion, sonst ließe sich das Argument ja gar nicht halten - immerhin wird es ja vom SDPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück unterstützt, und in einem Jahr ist Wahl…

Ich bitte herzlich um Aufklärung.

die Franzi
Oder

Hi,

Zum einen war ja der Bankrott von Lehman Brothers der Beginn
der Finanzkrise. Diese Investmentbank hatte sich verspekuliert
und wurde, entgegen dem Usus, nicht vom Staat gerettet.

nicht ganz. Das ganze ist eine etwas längere Geschichte, aber gestern lief auf Arte eine interessante Dokumentation genau darüber:
http://videos.arte.tv/de/videos/der-grosse-reibach–…
Das ist der erste Teil, am Besten den zweiten Teil gleich hinterher sehen:
http://videos.arte.tv/de/videos/der-tanz-der-geier–…

Ich bitte herzlich um Aufklärung.

Welche Rauchgranaten auch immer wieder gezündet werden (wie in diesem Fall eben die eventuelle Abtrennung der Investmentbereiche): Die Finanzlobby wird eine effektive Beschränkung ihrer Freiheiten zu verhindern wissen.

Gruss,
Herb

Hi,

danke für die Links, hab erstmal nur 15min vom ersten TEil geschafft - sehr interessant, aber auch etws tendenziös und nicht so leicht verständlich, wie es vorgibt zu sein (Erklärung des Hebels: „Ich kaufe mir 10 Euro, leihe mir damit 90, mit den 100 leihe ich…“ Womit kaufe ich, woher kommen die 100 Euro - ic hkomm nur auf 90… etc.)

Aber seis drum, das ist nicht mein Problem. Ich habe eine im Moment ausreichende Vorstellung, wie es zu den Schwierigkeiten der Banken ursprünglich kam. Was ich nicht verstehe: erst wird gesagt, die Trennung in Investment- und Privatkundengeschäft wurde zunächst als Schutz vor Kollaps verkauft, weil das sichere Privatkundengeschäft Verluste aus dem Investmentgeschäft auffängt, und gleichzeitig zu mehr Verantwortung verglichen mit reinen Investmentbanken zwingt. Hat das nie gegolten, hab ich was falsch verstanden? Warum soll die Trennung plötzlich ok sein? 'Und warum soll sie den Steuerzahler schützen? Wenn es um mein Guthaben aufdem Konto ginge, hätte man ja Bankkunden oder Privatpersonen oder Einzahler oder was auch immer gesagt und nicht Steuerzahler. Oder kann ich einfach nur zu gut Deutsch :wink::wink: ?

die Franzi

Hallo,

Da stellen sich mir gleich mehrere Fragen.
Zum einen war ja der Bankrott von Lehman Brothers der Beginn
der Finanzkrise.

das ist nicht richtig. Vor Lehman Brothers gab es eine dreistellige Zahl von Institutspleiten in den USA. Lehman Brothers ist einfach nur die größte und bekannteste gewesen.

Dadurch gerieten andere Banken in Schieflage bzw. pleite,

Nein, da gab es keine Zusammenhänge. Lediglich die Ursache war die gleiche: das Platzen der Immobilienblase in den USA.

entstand, eben weil vom Staat nicht mehr gerettet wurde. Als
Begründung für die bessere Lage der europäischen und besonders
deutschen Banken wurde damals angeführt, dass die NICHT
zwischen Privatkundengeschäft und Investmentbanking trennen
und daher Verluste im Investment durch Profite bzw. das
Kapital aus dem Privatkundengeschäft auffangen können.

Das Argument ist mir tatsächlich noch nicht untergekommen. Das ergibt auch eigentlich keinen Sinn, weil es (zumindest in Deutschland) kein Institut gab, das aufgrund der Probleme am US-Immobilienmarkt in Schwierigkeiten kam, in nennenswertem Umfang Privatkundengeschäft betrieb. Eine Kompensation der Verluste war insofern gar nicht möglich.

Tatsächlich war es so, daß die Institute, die in US-Papiere investiert hatten, dies taten, weil sie aufgrund des fehlenden anderweitigen Geschäftes Ertragsprobleme hatten.

Hat die EU bzw.
Steinbrück was falsch verstanden?

Da ich die Aussage, wie Du sie formuliert hast, noch nicht gehört habe, kann ich das nicht beurteilen. Daß Steinbrück und die EU etwas falsch verstanden haben, will ich aber damit ganz sicher nicht ausschließen.

Und wieso soll eine solche Trennung den Steuerzahler schonen?

Der Grundgedanke ist, daß die Gefahr besteht, daß die Staaten sich in der Pflicht sehen, ein Kreditinstut zu schützen, weil es Verluste aus spekulativen Geschäfte macht, die das ganze Institut gefährden und damit auch die Einlagen der Privatanleger.

Die Trennung soll also bewirken, daß die Einlagen der Privatanleger nicht infiziert bzw. gefährdet werden, wenn sich der Investmentzweig verspekuliert, weil sich die beiden Blöcke in verschiedenen rechtlichen Einheiten befinden.

Damit drückt Steinbrück unfreiwillig vor allem aus, daß die Einlagensicherung, wie sie im Augenblick existiert, im Ernstfall (d.h. wenn ein großes Institut taumelt) nicht funktionieren wird. Er sagt damit weiterhin, daß das von ihm selbst als Bundesfinanzminister initiierte Restrukturierungsgesetz, das die geordnete Abwicklung eines taumelndes Institutes ermöglicht, ebenfalls nicht den gewünschten Zweck erfüllt, nämlich den Schutz der Einlagen von Privatanlegern.

Im Augenblick ist die Rede davon, daß Kreditinstitute aufgespalten werden sollen aber eine darüberstehende Holding Eigentümer der beiden neuen Institute sein darf. Damit zeigt Steinbrück, daß er entweder
grundlegende Zusammenhänge nicht verstanden oder aber die Sache nicht durchdacht hat.

Wenn eine Holding eine Beteiligung an einem Institut hält, das aufgrund spekulativer Geschäfte pleite ist, dann muß die Holding sowohl die Anteile an der Pleitebank abschreiben als auch die Forderungen an dieses Institut. Damit wird die Holding auch zusammenbrechen.

Man braucht darüber hinaus nicht viel Phantasie, um sich zu überlegen, wo denn wohl die Privatkundensparte ihre Liquidität aus den Kundeneinlagen unterbringen wird: bei ihrer Schwester, die kein eigenes Kundengeschäft betreiben darf und dementsprechend irgendwoher Liquidität braucht, um ihre Geschäfte zu betreiben.

Im Zweifel wird also auch die Privatkundenbank in Mitleidenschaft gezogen, wenn der Investmentzweig in die Grütze geht. Am Ende steht dann doch wieder der Staat auf der Matte. Die Trennung nach dem vorgeschlagenen Modell ist also - ohne weitergehende Regelungen - wieder einmal nichts anderes als Aktionismus, der dazu noch den bisher existierenden Regelungen und Instrumenten Untauglichkeit bescheinigt.

Werden dann nur bankrotte Investmentbanken nicht mehr
gerettet? Oder werden beide „neuen“ Bankentypen nicht mehr
gerettet?

Nein, nur die Privatkundenbank. Das wäre aber nach dem Rstrukturierungsgesetz heute genauso möglich: die Aufsicht übernimmt die Herrschaft über das Institut, verhökert das werthaltige Vermögen, um damit die Privatkundeneinlagen abzusichern. Hinzu kommt, daß es heute eben eine Einlagensicherung existiert, die mittelgroße Problemfälle durchaus auffangen kann.

Bei großen Problemfällen, wie es die HRE, die WestLB, die HSH usw. darstellten, war nie die Einlagensicherung das Hauptproblem, sondern die Komplexität des Finanzsystems. Alle Institute sind mehr oder weniger stark miteinander verwoben. Banken leihen sich Geld und sichern sich gegenseitig Zins-, Währungs- und Kreditausfallrisiken ab. Da geht es um Beträge, die das eigentliche Bilanzvolumen um ein Mehrfaches übersteigen, d.h. sich schon bei einem Kreditinstitut auf mehrere Billionen euro belaufen können.

Zum Zeitpunkt X kann niemand absehen, was die Zahlungsunfähigkeit eines Kreditinstitutes für Folgen nach sich zieht, denn es handelt sich selten um Geschäfte, bei denen ein Institut ein Risiko eines anderen absichert und dieses Risiko dann behält. Vielmehr gibt es eine praktisch unendlich lange Kaskade, bei denen Risiken immer und immer wieder weitergereicht werden.

Es geht aber noch weiter: Privatkundeninstitut A sichert sich einen Satz Risiken bei Institut B ab, Institut B sichert zusätzlich Risiken von Institut C ab. Nun kommt Institut C ins Wanken, weil Institut D aus Takkatukkaland aufgrund einer Großpleite, des Platzens einer Rohstoffblase oder eines Erdbebens umfällt. Am Ende steht Institut A ohne Absicherung da, das Rating verschlechtert sich deshalb und Institut A bekommt Schwierigkeiten, sich die notwendige Liquidität am Markt zu besorgen.

Die Welt ist komplizierter als sich Herr Steinbrück und der Rest der Politik das vorstellt. Man wird schon weitaus umfangreichere Änderungen des Finanzsektors durchsetzen müssen, um zu erreichen, daß von der Finanzwelt nie wieder eine Bedrohung ausgeht.

Ein erster Schritt wäre allerdings, daß die Politik marktverzerrende Aktivitäten auf den Märkten unterläßt, denn die sind letzten Endes für alle größeren Krisen die Ursachen gewesen. Sei es billiges Geld, seien es Stützungen von Kreditinstituten und Staaten, seien es künstlich festgelegte Wechselkurse oder künstlich verbilligte Zinsen. Die EZB, ESM und Konsorten erzeugen gerade die größte Blase der Menschheitsgeschichte und ausgerechnet da will keiner den Stecker ziehen. Ich bin mal gespannt, wer helfen soll, wenn die Welt erkennt, daß die Staatsanleihen, deren Kurse gerade immer weiter steigen, weil die Notenbanken fleißig kaufen und dazu noch die Zinsen niedrig halten, nur dann etwas wert sind, wenn es bei Fälligkeit einen Blöden gibt, der noch an dieses Schneeballsystem glaubt.

Gruß
C.

Hi,
danke Dir für die Ausführungen, etwas lichter ist es jetzt schon in meinem Kopf :smile:
Über den Beginn der Krise weiß ich schon en bisschen mehr als ich geschrieben habe, wenn auch nciht wirklich viel. Habe mich nur auf Lehman Brothers beschränkt, weil ich das mit den Investmentbanken haben wollte. Jedenfalls, jetzt weiß ich, was zumindest als Idee hinter der Aufspaltung der Banken steht.

Bezüglich der Aussage, dass die Nicht-Trennung nach Privat- und Investmentbanken deutsche Banken vor der Krise geschützt hätte: Ich merke mir halt sehr gut, wenn ich etwas höre, was nicht oder wenig spektakulär ist, logisch klingt unbd selten geäußert wird. Ich bin vermutlich auch die einzige, die gehört (und sich gemerkt) hat, dass Kapitän Schettino ein noch größeres Unglück verhindert hat, indem er sein havariertes Schiff in seichtes Wasser gesteuert hat. Was nicht gleich bedeutet, dass ich ihn für nicht verantwortlich halte.

die Franzi

Hallo,

geäußert wird. Ich bin vermutlich auch die einzige, die gehört
(und sich gemerkt) hat, dass Kapitän Schettino ein noch
größeres Unglück verhindert hat, indem er sein havariertes
Schiff in seichtes Wasser gesteuert hat.

nee, da bist Du nicht die einzige. Er hat halt Eimer und Wischmopp bereitgestellt, nachdem er die Wohnung geflutet hat.

Gruß
C.