Um es vorweg zu nehmen: In dem heutigen botanischer Namen Achillea millifolium in der binären Nomenklatur von Carl von Linné sind die in der Botanik des 17. Jhdts bereits geläufigen Gattungsnamen „Achillea“ und „Millefolium“ für die Schafgarbe zusammengefasst. Daß der Name mit dem griechischen Superstar Achilleus assoziiert wird, geht tatsächlich letztendlich auf eine Passage in Homers Ilias zurück. Siehe unten.
Aber erstmal etwas weiter ausgeholt:
Der Sagenkreis um Achilleus - d.h. die Sammlung von literarischen Erwähnungen über Geburt, Jugendzeit, Heldentaten, Tod und vor allem sein Leben nach dem Tod - gehört zu den umfangreichsten über einen der griechischen Superhelden überhaupt. Allerdings sind die meisten der antiken Literaturen nicht im Original erhalten, sondern über Zitate jüngerer Autoren überliefert. Es gibt sogar Hinweise, daß die mythische Gestallt sogar vorgriechische Vorläufer hat.
Die unmfangreichste Sammlung, der επικος κυκλος („der Epische Kreis)“) zu dem z.B. auch die erwöhnten Kypria gehören, und die sog. „Kleine Ilias“, stammt aus der Zeit Homers und sie enthält das älteste Sagenmaterial. Es wird daher vemutet, daß auch Homer auf bereits in Umlauf befindliche Sagendetails zurückgegriffen hat. Andere Autoren, von Pindar, die Achilleis-Trilogie des Aischylos, der (verlorere) Telephos des Euripides, aber auch dessen Iphigenie in Aulis und Medea, ferner die Orphischen Argunautika des 5.Jhdts, Eratosthenes, Apollodoras, Plutarch bis zu Plinius, Ovid, Vergil, vor allem auch die (byzantinische Sammlung älterer Quellen) Scholia ad Illiadem: Sie alle enthalten Details über das Leben, die Taten und Fähigkeiten des Achilleus.
Die Unverwundbarkeit des Achill „bis auf seine Ferse“ stammt jedoch gar nicht von Homer, sie wird weder in Ilias noch in Odyssee erwähnt. Der Tod des Achill wird zwar in Odyssee Buch 24.35ff erwähnt, aber nicht, wer ihn tötete. Es war nach anderen Quellen Apollon, der ihm einen Pfeil in die Ferse schoß.
Nach den Orphischen Argonautika und nach Pausanias wurde Achilleus von dem Kentauren Cheiron erzogen und von diesem wiederum unter anderem mit Asklepios, dem Gott der Heilkunst zusammengebracht. Nach den Scholia ad Illiadem und Plutarch wurde ihn dabei insbesondere die Heilkunde gelehrt.
Die Heilung der Oberschenkelwunde des Telephos durch den Speer des Achilleus, wird von diesem nach dem Scholium ad Illiadem und Hyginus durch von ihm abgeschabtes Eisen seines Speers durchgeführt. Bei Plinius in Buch 34.135, durch Rost („Est et robigo ipsa in remediis“), bzw. durch Bronze (aerea) bzw. Eisenspäne (ferrea) von seinem Speer: Aber allein in Buch 25.42, wie von @Tychiades erwähnt, heile er - so Plinius - entweder durch Bronze (aeruginea) oder durch Heilmittel, die als „Achilleos“ (Plural) bezeichnet seien (an dieser Stelle ist die von @Tychiades zitierte Übersetzung von Johann Daniel Denso falsch), und auch den Telephos habe er so geheilt.
Und wieder nach einigen - so Plinius - sei das Kraut, das Achilleus benutzte, ein Wundermittel (panax) namens heraclia, oder eine Pflanze, die man „bei uns“ als milifolia (sic!) bezeichne.
Und diese lateinische Milifolia ist unsere Schafgarbe. Daß damit die „Achilleos“ gemeint seien, war nach Plinius ja nur die Meinung einiger. Aber bereits im 1. Jhdt. n. Chr. wurde das „Achilleion“ mit „Millefolium“ identifiziert, z.B. bei Pedanios Dioskurides. Siehe → hier.
Die Quelle dieser römischen Tradition, die Heilkunst des Achilles als „Achilleos“ bzw. „Achilleion“ zu bezeichnen, ist zweifellos die Ilias des Homer: In Ilias Buch XI Vers 830-848 heißt es (ich zitiere die Übersetzung von Johann Heinrich Voß, 1793):
Wasche das schwärzliche Blut; auch lege mir lindernde Salb’ auf,
Heilsame, welche du selbst von Achilleus, sagt man, gelernet
Ihm, den Cheiron gelehrt, der gerechteste aller Kentauren.
…
…
Ihm antwortete drauf Menoitios’ tapferer Sprössling:
Wie kann solches geschehn? was machen wir, Sohn des Euaimon?
*Eilend muss ich Achilleus dem Feurigen melden die Botschaft, *
…
…
Sprach’s und unter der Brust den Völkerhirten umfassend
Führt’ er ins Zelt; ein Genoss dort breitete Felle der Stier’ aus.
Hierauf streckt’ ihn der Held, und schnitt mit dem Messer den scharfen
Schmerzenden Pfeil aus der Lend’; auch rein mit laulichem Wasser
Wusch er das schwärzliche Blut; dann streut’ er bittere Wurzel
Drauf, mit den Händen zermalmt, die lindernde, welche die Schmerzen
Alle bezwang; und es stockte das Blut in erharschender Wunde.
Die „bittere Wurzel“ (ριζαν πικρην) des Homerischen Achilleus ist dann offenbar später als das Millifolium identifiziert worden, weil es ja eben diese Fähigkeit des Blutstillens hat.
Gruß
Metapher