Hallo Experten,
von Adorno gibt es den Auspruch, bei vielen Menschen sei es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie "ich " sagten. Das Zitat muß echt sein, aber es gelingt mir einfach nicht, die eigentliche Quelle zu finden. Es käme mir auf den Zusammenhang an. Wie hat er diese These begründet?
Bernd
"Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie Ich sagen."
Hi Bernd!
Das Zitat steht in der „Minima Moralia“. Begründung gibt es dafür keine, da die MM eine Sammlung von Aphorismen sind, die nicht „logisch“, sondern unmittelbar und assoziativ plausibel gemacht werden sollen.
lg
Täubchen
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Zusammenhang
Hallo Bernd,
von Adorno gibt es den Auspruch, bei vielen Menschen sei es
bereits eine Unverschämtheit, wenn sie "ich " sagten. Das
Zitat muß echt sein, aber es gelingt mir einfach nicht, die
eigentliche Quelle zu finden. Es käme mir auf den Zusammenhang
an. Wie hat er diese These begründet?
wenn du erlaubst, versuche ich eine grobe Rekonstruktion der These.
Wissenschaft und Philosophie verstanden sich mainstream als objektiv. Adorno will darauf hinweisen, dass diese vorgetragene Objektivität nur eine scheinbare Objektivität ist, die den Interessenanspruch der sich äußernden Person verschleiert. Er will darauf hinaus, dass vermeintlich objektive Erkenntnisse letztlich doch subjektiv sind, in dem Sinne, dass sie - wie Marx es vielleicht formuliert hätte - den Herrschenden nutzen. Der objektiven Äußerung fehlt das, was Adorno auch die „Negative Dialektik“ (1966) nennt und was bei ihm so etwas wie Selbstkritik bedeutet. Diese Verstrickung der herrschenden Vernunft in ihren eigenen Voraussetzungen ist ein Grundthema Adornos seit der „Dialektik der Aufklärung“ (1947) [die „Minima moralia“ stammen von 1951].
Wer also „ich“ sagt, ist deswegen unverschämt, weil er sich selbst als Subjekt vergisst - und damit sich selbst objektiviert. Und das ist anmaßend und damit auch unverschämt. Dass das nicht bei allen, sondern nur bei einigen Menschen der Fall ist, soll wohl bedeuten, dass der Vorwurf nur die trifft, die sich dieser vermeintlichen, aber immer schon immanenten Objektivierung des Subjektiven nicht bewusst sind.
Herzliche Grüße
Thomas Miller
Hallo Bernd,
von Adorno gibt es den Auspruch, bei vielen Menschen sei es
bereits eine Unverschämtheit, wenn sie "ich " sagten. Das
Zitat muß echt sein, aber es gelingt mir einfach nicht, die
eigentliche Quelle zu finden. Es käme mir auf den Zusammenhang
an. Wie hat er diese These begründet?wenn du erlaubst, versuche ich eine grobe Rekonstruktion der
These.Wissenschaft und Philosophie verstanden sich mainstream als
objektiv. Adorno will darauf hinweisen, dass diese
vorgetragene Objektivität nur eine scheinbare Objektivität
ist, die den Interessenanspruch der sich äußernden Person
verschleiert. Er will darauf hinaus, dass vermeintlich
objektive Erkenntnisse letztlich doch subjektiv sind, in dem
Sinne, dass sie - wie Marx es vielleicht formuliert hätte -
den Herrschenden nutzen. Der objektiven Äußerung fehlt das,
was Adorno auch die „Negative Dialektik“ (1966) nennt und was
bei ihm so etwas wie Selbstkritik bedeutet. Diese Verstrickung
der herrschenden Vernunft in ihren eigenen Voraussetzungen ist
ein Grundthema Adornos seit der „Dialektik der Aufklärung“
(1947) [die „Minima moralia“ stammen von 1951].
Minnima moralia "stammt von 1944-47!
Wer also „ich“ sagt, ist deswegen unverschämt, weil er sich
selbst als Subjekt vergisst - und damit sich selbst
objektiviert. Und das ist anmaßend und damit auch unverschämt.
Dass das nicht bei allen, sondern nur bei einigen Menschen der
Fall ist, soll wohl bedeuten, dass der Vorwurf nur die trifft,
die sich dieser vermeintlichen, aber immer schon immanenten
Objektivierung des Subjektiven nicht bewusst sind.Herzliche Grüße
Thomas Miller
Hallo,
Minnima moralia "stammt von 1944-47!
aber gedruckt wurde das Buch erst 1951. Hatte es vorher schon Wirkung (vielleicht durch Herumgeben, oder so)? Das wäre mir unbekannt.
Herzliche Grüße
Thomas Miller
Die Schrift kursierte in den 40er Jahren wohl nur im engeren „Instituts“-Kreis. Der Teil 1 war eine Geburtstagsgabe an Horkheimer.
Der Ausdruck „stammt von“ ist zumindest zweideutig: Jahr der Erstpublikation oder Entstehungszeit. Ich tendiere zu letzterem Verständnis. Wenn zum Beispiel in der Zeit der Renaissance antike Schriften - mit fast tausendjähriger Verzögerung also - gefunden und erstmals publiziert worden sind, dann STAMMEN diese Schriften doch wohl dennoch aus der Antike - auch wenn die nachweisbare Rezeption erst im 14. oder 15. Jh. n. Chr. eingesetzt haben mag.
Im Falle der ‚Minima Moralia‘ ist es doch immerhin keine belanglose Information, dass Adorno diese äußerst pessimistischen Texte unter dem zeitlich unmittelbaren Eindruck des „triumphalen Unheils“ (‚Dialektik der Aufklärung‘ - hier liegt der Fall ja ähnlich) abgefasst hat - und nicht im Rückblick von 5 Jahren, wie das Erscheinungsjahr der ersten Buchausgabe suggeriert.
Zenon
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schon richtig
Hallo,
ich wollte mit meiner Bemerkung ja nur die zeitliche Nähe der beiden Entwürfe andeuten, mehr nicht.
Herzliche Grüße
Thomas Miller
Zeit des Erstellens/Entstehens war gemeint.
x-nada
Hallo,
es geht darum, dass ein „Ich“ im philosophischen Sinne ein denkendes Subjekt voraussetzt, dass zu Selbsterkenntnis und Vernunft fähig ist.
So ein Quatsch, völlig am Thema vorbei…
Indem man „Ich“ sagt, objektiviert man sich? Ist doch genau das Gegenteil.