Ägypten und der Jom-Kippur-Krieg

Servus

Unlängst habe ich micht mit zwei realtiv jungen (Mitte 30) Ägyptern unterhalten. Im Laufe des Gesprächs meinten dann beide, dass Ägypten den Jom-Kippur-Krieg gewonnen hätten. Sie führten das vor allem darauf zurück dass Ägypten die Sinai-Halbinsel wieder zurückbekam.
Militärisch war aber der Krieg für Ägypten und Syrien ein Disaster und die Israelis standen ja nicht weit von beiden Hauptstädten. Ägypten bekam zwar die Halbinsel zurück, aber das gescha ja auch nur am grünen Tisch.

Mir war bewusst, dass die ägyptische Führung sich gerne als Sieger des Krieges sieht. Allerdings überrascht es mich, dass die beiden (die ja den Krieg nicht erlebt haben) das genauso sehen obwohl sie sonst mit der aktuellen Führung nichts anfangen können. (zB lehnen sie Mubarak völlig ab)

Weiß jemand wie das sonst so in der ägyptischen Öffentlichkeit gesehen wird? Oder eventuell auch was die Schulbücher so berichten?

Mfg
Christoph

Servus,

meines Wissens wird in Ägypten der Jom Kippur Krieg, trotz der letztendlichen Niederlage, u.a. wegen der gelungenen Überquerung des Suezkanals zu Anfang des Krieges als Erfolg betrachtet. Es gibt dazu sogar ein schönes, bewegliches Modell, dass Ägypten von Nordkorea geschenkt bekommen hat.

Der Hintergrund ist auch der, dass die Ägypter und Syrer sich im Jom Kippur Krieg als ernstzunehmende Gegner für die Israelis erwiesen und nicht mehr, wie im 6 Tage Krieg, als leichte Opfer.

Gruß,
Markus

Servus,

Servus

meines Wissens wird in Ägypten der Jom Kippur Krieg, trotz der
letztendlichen Niederlage, u.a. wegen der gelungenen
Überquerung des Suezkanals zu Anfang des Krieges als Erfolg
betrachtet. Es gibt dazu sogar ein schönes, bewegliches
Modell, dass Ägypten von Nordkorea geschenkt bekommen hat.

Na das war aber auch schon alles was die Ägypter in dem Krieg geschafft haben. Eine feste Stellung eines zahlenmäßig unterlegenen und überraschten Gegners zu überrennen während der auch noch seinen höchsten Feiertag feiert würde ich nicht gerade als militärische Glanzleistung bezeichnen.

Der Hintergrund ist auch der, dass die Ägypter und Syrer sich
im Jom Kippur Krieg als ernstzunehmende Gegner für die
Israelis erwiesen und nicht mehr, wie im 6 Tage Krieg, als
leichte Opfer.

Wie kommst du zu dem Schluss? Die syrische Armee war zerschlagen und Damaskus wurde belagert und bombardiert.
Die israelische Armee überquerte selbst den Suez und standen 50 km vor Kairo während die 3 Armee völlig eingekesselt auf die Vernichtung wartete. Das einzige was Israel aufhielt waren die USA und die SU.

Meine Schlußfolgerung aus dem Krieg ist also eine andere. Obwohl bei diesem Krieg alles für die arabische Seite sprach konnten sie Israel nicht besiegen. Spätestens nach dem Krieg sollte allen klar gewesen sein, das Israel von den arabischen Staaten militärisch nicht besiegt werden konnte. Wie man sich daraus einen Sieg für Ägypten drehen kann ist mir noch immer ein Rätsel.

Gruß,
Markus

Mfg
Christoph

Moin Christoph,

Weiß jemand wie das sonst so in der ägyptischen Öffentlichkeit
gesehen wird? Oder eventuell auch was die Schulbücher so
berichten?

Wenn dich eine Innenansicht aus Ägypten dazu interessiert, empfehle ich dir die Autobiographie von Jehan Sadat, „Ich bin eine Frau aus Ägypten“ ISBN-10: 3453045998 Buch anschauen, der Frau des Ägyptischen Präsidenten Anwar el Sadat.

Gruß,
Marion

Servus,

Der Hintergrund ist auch der, dass die Ägypter und Syrer sich
im Jom Kippur Krieg als ernstzunehmende Gegner für die
Israelis erwiesen und nicht mehr, wie im 6 Tage Krieg, als
leichte Opfer.

Wie kommst du zu dem Schluss? Die syrische Armee war
zerschlagen und Damaskus wurde belagert und bombardiert.

Die Syrer hatten sicher schwere Rückschläge erlitten, wie weit man sie als zerschlagen bezeichnen kann, kann ich Moment nicht genau sagen.

Die israelische Armee überquerte selbst den Suez und standen
50 km vor Kairo während die 3 Armee völlig eingekesselt auf
die Vernichtung wartete. Das einzige was Israel aufhielt waren
die USA und die SU.

Das Endergebnis war für die arabische Seite sicher nicht berauschend.
Im 6 Tage Krieg waren ihre Streitkräfte allerdings schon völlig zerschlagen worden, bevor sie überhaupt richtig zum Einsatz kamen; die Luftwaffe größtenteils schon am Boden, wodurch die Israelis von Anfang an die Lufherrschaft hatten. Die Araber hatten riesge Verluste, die Israelis sehr geringe.
Im Jom Kippur Kippur Krieg dagegen war es den Arabern, unbestreitbarweise auch durch geschickte Ausnutzung israelischer Schwachstellen, erstmals gelungen, auf israelisch besetztes Gebiet vorzudringen.
Die Raketen sowjetischer Bauart fügten den israelischen Panzern und v.a. Flugzeugen relativ schwere Verluste zu. Für Armeen, die vorher ein perfektes IFF-System hatten („Was fliegt, ist Feind“) ist es schon ein großer Fortschritt, wenn überhaupt in nennenswerter Weise feindliche Flugzeuge abgeschossen werden. Die ägyptischen Pontonbrücken (allein schon eine große Leistung) über den Suezkanal wären z.B. 1967 sofort aus der Luft zerstört worden, 1973 waren sie durch den ägyptischen SAM-Schirm gut geschützt.
Ebenso war es für die arabischen Infanteristen eine ganz neue Erfahrung, von den israelischen Panzern nicht mehr hilflos überrollt zu werden, sondern sie schon auf Kilometerentfernung mit einer SAGGER abschießen zu können.

Natürlich sind diese Erfolge objektiv gesehen auch auf die erstmals verwendete neue Technik zurückzuführen, aber ich glaube, man kann sich vorstellen, dass sie ihre Wirkung auf den einzelnen Soldaten nicht verfehlten und propagandistisch entsprechend ausgenutzt werden konnten.

Meine Schlußfolgerung aus dem Krieg ist also eine andere.

Deine Schlußfolgerung ist objektiv auf das ganze Kriegsergebnis bezogen natürlich richtig.

Obwohl bei diesem Krieg alles für die arabische Seite sprach
konnten sie Israel nicht besiegen. Spätestens nach dem Krieg
sollte allen klar gewesen sein, das Israel von den arabischen
Staaten militärisch nicht besiegt werden konnte.

Wenn man die o.g. Unterschiede der Kriege von 1967 und 1973 anschaut, kann man sich die Frage stellen, was weitere Kriege gebracht hätten.
Das darauf abzielende Zitat: „Wer mit guten Gegnern Schach spielt, lernt eben dazu“ stammt glaube ich von einem höheren israelischen Militär.

Wie man sich
daraus einen Sieg für Ägypten drehen kann ist mir noch immer
ein Rätsel.

Es mag objektiv falsch, erklärbar find ichs schon.
Sadat wird auch die Rückgabe des Sinai zu Hause entsprechend verkauft haben, etwa in die Richtung:„Wir haben durch Beweis unserer Stärke einen Frieden erzielt, der uns den Sinai zurückbracht“ … oder so.

Gruß,
Markus

Unlängst habe ich micht mit zwei realtiv jungen (Mitte 30)
Ägyptern unterhalten. Im Laufe des Gesprächs meinten dann
beide, dass Ägypten den Jom-Kippur-Krieg gewonnen hätten.

Hehe, darauf hätte ich gefragt, warum sie dann in Österreich sind und ihr siegreiches erfolgreiches Land verlassen haben. Das muß sicher dran liegen, daß Österreich den zweiten Weltkrieg gewonnen hat.

Ich hoffe du verzeihst mir diese humorvolle Einlassung.

Grüße Bellawa.

Servus,

Servus

Die Syrer hatten sicher schwere Rückschläge erlitten, wie weit
man sie als zerschlagen bezeichnen kann, kann ich Moment nicht
genau sagen.

Viel hatten sie nicht mehr und ohne irakische Hilfe wären häten sie auch nicht so lange ausgehalten.

Das Endergebnis war für die arabische Seite sicher nicht
berauschend.
Im 6 Tage Krieg waren ihre Streitkräfte allerdings schon
völlig zerschlagen worden, bevor sie überhaupt richtig zum
Einsatz kamen; die Luftwaffe größtenteils schon am Boden,
wodurch die Israelis von Anfang an die Lufherrschaft hatten.
Die Araber hatten riesge Verluste, die Israelis sehr geringe.
Im Jom Kippur Kippur Krieg dagegen war es den Arabern,
unbestreitbarweise auch durch geschickte Ausnutzung
israelischer Schwachstellen, erstmals gelungen, auf israelisch
besetztes Gebiet vorzudringen.

Der 6-Tage Krieg war aber genau das Gegenteil. Dort haben die Israelis überraschend angegriffen und hatten so alle Vorteile in ihrer Hand. Und die haben sie auch genutzt.

Die Raketen sowjetischer Bauart fügten den israelischen
Panzern und v.a. Flugzeugen relativ schwere Verluste zu. Für
Armeen, die vorher ein perfektes IFF-System hatten („Was
fliegt, ist Feind“) ist es schon ein großer Fortschritt, wenn
überhaupt in nennenswerter Weise feindliche Flugzeuge
abgeschossen werden. Die ägyptischen Pontonbrücken (allein
schon eine große Leistung) über den Suezkanal wären z.B. 1967
sofort aus der Luft zerstört worden, 1973 waren sie durch den
ägyptischen SAM-Schirm gut geschützt.
Ebenso war es für die arabischen Infanteristen eine ganz neue
Erfahrung, von den israelischen Panzern nicht mehr hilflos
überrollt zu werden, sondern sie schon auf Kilometerentfernung
mit einer SAGGER abschießen zu können.
Natürlich sind diese Erfolge objektiv gesehen auch auf die
erstmals verwendete neue Technik zurückzuführen, aber ich
glaube, man kann sich vorstellen, dass sie ihre Wirkung auf
den einzelnen Soldaten nicht verfehlten und propagandistisch
entsprechend ausgenutzt werden konnten.

Das mag schon stimmen. Trotzdem verloren Ägypten und Syrien 5 mal so viele FLieger, 6 mal so viele Panzer und hatten 6 mal so viele Tote zu beklagen. Das sind im Verhältnis zum 6-Tage Krieg sogar noch schlechter. Da hatten die arabischen Staaten „nur“ doppelt so viel Soldaten verloren…

Es mag objektiv falsch, erklärbar find ichs schon.
Sadat wird auch die Rückgabe des Sinai zu Hause entsprechend
verkauft haben, etwa in die Richtung:„Wir haben durch Beweis
unserer Stärke einen Frieden erzielt, der uns den Sinai
zurückbracht“ … oder so.

Das mag schon stimmen. Das war aber nicht meine Frage. Ich kenne die Position von Sadat und ich weiß auch wie er sich das Ganze zurecht gelegt hat.

Meine Frage war wie das die Öffentlichkeit gesehen hat (und heute noch sieht) bzw was in den Schulen heute darüber gelehrt wird.

Gruß,
Markus

Mfg
Christoph

Moin Christoph,

Servus Marion

Weiß jemand wie das sonst so in der ägyptischen Öffentlichkeit
gesehen wird? Oder eventuell auch was die Schulbücher so
berichten?

Wenn dich eine Innenansicht aus Ägypten dazu
interessiert, empfehle ich dir die Autobiographie von Jehan
Sadat, „Ich bin eine Frau aus Ägypten“ ISBN-10: 3453045998 Buch anschauen,
der Frau des Ägyptischen Präsidenten Anwar el Sadat.

Danke für den Tipp. Weißt du zufällig ob sie sich direkt zu den Ereignissen äußert?

Gruß,
Marion

Mfg
Christoph

Hi Christoph,

Wie man sich daraus einen Sieg für Ägypten drehen kann ist mir noch immer ein Rätsel.

Propaganda. Schurken befinden sich immer in Rechtfertigungsnot.
Auch leiden die Araber ein klein wenig an einem Minderwertigkeitskomplex. Die letzten hundert Jahre waren nicht gerade die besten.
Und dann auch noch der Israelkomplex: 50 Mio Araber verlieren gegen ein paar hundertausend Israeli? Erklär das mal daheim
Also wird jede Katastrophe in einen Sieg umgedeutet. Sonst könnten ja mal die eigenen Bürger sauer werden und erkennen, daß sie die Opfer ihrer eigenen Anführer sind.

Sie führten das vor allem darauf zurück dass Ägypten die Sinai-Halbinsel wieder zurückbekam.

Das ist eine entsetzliche Lüge! Berichte deinen beiden Ägyptern, daß sie den Sinai zurückbekamen, weil Sadat zum Frieden bereit war. Die Bereitschaft zum Frieden brachte den Erfolg!
Oder haben die dann Schwierigkeiten damit, daß Sadat von den eigenen Leuten umgebracht wurde dafür, daß er endlich Frieden schuf?
Müssen die deswegen auch hier wieder Geschichtsverklitterung betreiben, weil sie die Wirklichkeit wieder nicht ertragen können?

Gruß Eva

Servus,

Meine Frage war wie das die Öffentlichkeit gesehen hat
(und heute noch sieht) bzw was in den Schulen heute darüber
gelehrt wird.

*ggg* Ziemlich genau so positiv, wies von der Führung gewollt war, das hab ich mal impliziert. Diese Weisheit habe ich aber nur aus eine Fernsehsendung vor einigen Monaten (Weltspiegel?), wo auch das schön Modell aus Korea gezeigt wurde. Repräsentativität kann natürlich nicht garantiert werden.
Bzgl. der moralischen Bedeutung der Kanalüberquerung gibts auch ein Buch, der genaue Titel fällt mir aber grade nicht ein (Irgendwas mit Überquerung).

Gruß,
Markus

Hallo Christoph,

Nein, ich weiß nicht was die Ägypter denken und was in deren Schulbüchern steht. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es in etwa in die folgende Richtung geht:

Militärisch gesehen und in seiner Gänze betrachtet war der Jom-Kippur-Krieg für Ägypten eine Niederlage, das ist wahr. Doch die Niederlage war nicht so depremierend wie die im Sechstagekrieg. Den Ägyptern war es zumindest gelungen, das israelische Militär vielleicht nicht an den Rand einer Niederlage zu bringen, aber doch gehörig zu erschrecken. Nach 1967 hatten sich die Israelis ja in Strahle ihrer Unbesiegbarkeit gesonnt. Nun begann es den ersten zu dämmern, dass auch eine Zahal unterliegen könnte. Niemand in der israelischen Generalität hatte den Ägyptern zugetraut, innerhalb von Stunden den Bar-Lew-Wall zu überrennen und den Übergang über den Suez-Kanal zu vollbringen.

Ägypten hatte den Krieg dann zwar mit Pauken und Trompeten verloren, wurde von Israel aber als ernsthafter Gegner anerkannt. Sadat gewann politisches Gewicht, was sicherlich eine Voraussetzung für den Frieden 1971 und die Rückgewinnung des Sinai war.

Gruß
Hardey

Moin,

Danke für den Tipp. Weißt du zufällig ob sie sich direkt zu
den Ereignissen äußert?

Ja, ganz konkret ab Seite 260 (zumindest in meiner Ausgabe).

Interessant ist in diesem Zusammenhang sicher auch die Rolle (und Sicht) der USA. Ende 1973 war Kissinger mehrmals zu Gesprächen mit Sadat in Kairo. Ein paar Informationen darüber findest du auch hier:

http://www.israeled.org/Articles/LinkBtwnWarDiplomac…

Gruß
Marion

Und meine persönliche Meinung dazu, ob nun Israel oder Ägypten diesen Krieg gewonnen hat, lautet: Beide. Und zwar in jeder Hinsicht.

Gruß
marion

Hallo Christoph,

Servus

Nein, ich weiß nicht was die Ägypter denken und was in deren
Schulbüchern steht.

Schade :smile:

Aber ich könnte mir vorstellen, dass es in
etwa in die folgende Richtung geht:

Militärisch gesehen und in seiner Gänze betrachtet war der
Jom-Kippur-Krieg für Ägypten eine Niederlage, das ist wahr.
Doch die Niederlage war nicht so depremierend wie die im
Sechstagekrieg. Den Ägyptern war es zumindest gelungen, das
israelische Militär vielleicht nicht an den Rand einer
Niederlage zu bringen, aber doch gehörig zu erschrecken. Nach
1967 hatten sich die Israelis ja in Strahle ihrer
Unbesiegbarkeit gesonnt. Nun begann es den ersten zu dämmern,
dass auch eine Zahal unterliegen könnte. Niemand in der
israelischen Generalität hatte den Ägyptern zugetraut,
innerhalb von Stunden den Bar-Lew-Wall zu überrennen und den
Übergang über den Suez-Kanal zu vollbringen.

Sehe ich auch so. Ich vermute mal es kommt immer darauf an wie hoch ich meine Ziele stecke :wink:

Ägypten hatte den Krieg dann zwar mit Pauken und Trompeten
verloren, wurde von Israel aber als ernsthafter Gegner
anerkannt. Sadat gewann politisches Gewicht, was sicherlich
eine Voraussetzung für den Frieden 1971 und die Rückgewinnung
des Sinai war.

Ich sehe das eher anders rum. Sadat hat endgültig gesehen dass Israel nicht zu besiegen war. Selbst mit sowjetischer Hardware, numerischer Überlegenheit und der völligen Überraschung des Gegners konnte nichts gewonnen werden. Ich glaube erst dieses deutliche Zeichen der eigenen Schwäche machte Sadat klar dass er nur etwas über Verhandlungen erreichen konnte. Der folgende Israelisch-ägyptische Friedensvertrag von '79 war dann ja auch der erste in dem Israel von einem arabischen Land anerkannt wurde. Dafür bekam Ägypten dann auch die Sinai zurück.

Gruß
Hardey

Mfg
Christoph

Das o.g. Buch heißt „Die grosse Überquerung“ von Erich Helmensdorfer

Danke :smile: