Hallo!
"…Denn der bisherige Klimaschutz läuft doch ins Leere…“
Klimakonferenzen pflegen mit unverbindlichen Absichtserklärungen zu enden. Sanktionen sind weder durchsetzbar noch wünschenswert. Von daher hilft nur Einsicht. Die Dekarbonisierung mit dem Umbau der Energiewirtschaft ist ein riesiges Projekt, dessen Realisierung viele Jahrzehnte dauern wird. Klimaschutz ist eine Begründung, endliche Ressourcen die andere. Weil der Umbau der Energiewirtschaft nur schrittweise durchführbar ist und lange dauert, muss zeitig begonnen werden. Volkswirtschaften, die aufgrund noch nicht zwingenden Leidensdrucks die zur Verfügung stehende Zeit der Umstellung verschlafen, riskieren ihre Existenz. Es gibt kurzfristig orientierte wirtschaftliche Interessen etwa der Erdölexporteure, die Umstellung auf andere Energieträger zu verzögern und dem Markt entsprechende Anreize zur Umstellung zu nehmen. Solche Interessen treffen mancherorts auf Leute, die versuchen, das Problem auszusitzen, indem sie die Erderwärmung als Laune der Natur darstellen und die Endlichkeit von Ressourcen nicht zur Kenntnis nehmen.
Veränderungen des Klimas mit Kalt- und Warmphasen gab es schon immer., aber sie spielten sich in um Zehnerpotenzen längeren Zeiträumen ab. Der derzeitige Temperaturanstieg ereignet sich binnen im erdgeschichtlichen Maßstab weniger Augenblicke, just parallel zur Industrialisierung. Wir können nicht per Versuch ausprobieren, was anthropogenen Ursprungs ist und was nicht. Wenn wir also nicht mit den Existenzgrundlagen der Menschheit spielen wollen, sollten wir unterlassen, was nach derzeitigem Wissensstand zur Erderwärmung beiträgt. Der im AfD-Programmentwurf als vermeintliches Gegenargument genutzte Zeitraum von ganz wenigen Jahren ignoriert den relevanten Zeitmaßstab.
„Solange man nichts gegen die steigende Weltbevölkerung macht, hilft unsere Art von Klimaschutz wenig.“
Kreativität lässt sich auch für die Suche nach Rechtfertigungen für Nichtstun einsetzen.
Schon vor mehreren Jahrzehnten rechneten in USA und Europa voneinander unabhängige Institute durch, dass der weltweite Umbau der Energiewirtschaft auf Wasserstoff als Energieträger aus Sonne und Wind aus Gründen von Klimaschutz und Ressourcenschonung erforderlich und möglich ist. Es gab Prognosen immer anhaftende Unschärfen, aber die Aussagen in Frage stellende Fehler wurden nicht gemacht. Die Endlichkeit von Ressourcen zu erkennen, sollte nicht schwer fallen, war aber lange Zeit breiteren Kreisen nicht vermittelbar. Seltsamerweise bringen sogar für den Zugriff auf Ressourcen geführte Kriege manche Leute nicht zur Einsicht. Die Urheber des AfD-Programmentwurfs gehören offensichtlich zu dieser Gruppe.
Deutschland steht mit seinen Ansätzen der Dekarbonisierung keineswegs einsam auf weiter Flur. Vielmehr laufen an vielen Stellen vergleichbare Bemühungen, klimaschädliche Emissionen zu reduzieren. Auch die immer stärkere Nutzung der Windenergie zur Stromerzeugung ist keineswegs eine deutsche Marotte. Die hiesigen Hersteller von Windkraftanlagen agieren exportorientiert.
„Gebäudedämmung … Wie viel Schimmel durch fehlenden Luftaustausch haben die nicht feuerfesten Materialien am Haus schon verursacht?“
Bei fachgerechter Planung und ebensolcher Ausführung ist Schimmelbildung auszuschließen. Wahr ist aber auch, dass viele Gebäude in Styropor eingepackt und zu Schimmelhöhlen gemacht wurden. Daraus auf die Schädlichkeit von Dämmung zu schließen, ist gerade so, als würde man Autos ablehnen, weil nach Laienbastelei an den Bremsen unangenehme Folgen eintreten können. Leider wird bauphysikalisch saubere Planung zuweilen für überflüssig gehalten und am Bau gepfuscht. Daraus kann man aber nicht schließen, dass Dämmung nichts taugt. Dämmung muss auch nicht feuergefährlich sein, kann selbstverlöschend oder sogar unbrennbar sein. Das im Programmentwurf bemühte Scheinargument der Zerstörung historischer Fassaden geht am Sachverhalt vorbei. Wer eine historische Fassade unbedingt dämmen will, kann es von innen bewerkstelligen. Bedeutet in Planung und Ausführung hohen Aufwand, aber niemand wird zur nachträglichen Fassadendämmung gezwungen. Auch die Aussage, dass Dämmung die Erwartungen nicht erfüllt, kann zutreffen, wenn Fehler gemacht wurden, wenn z. B. ein Baumarktverkäufer den Statiker/Bauphysiker ersetzte.
„Wir brauchen dringend wieder eine Allgemeine Dienstpflicht.“
Damit muss man nicht einverstanden sein, wäre aber ein nicht von vornherein indiskutabler Vorschlag. Im Programmentwurf steht aber etwas anderes. Da ist von einer Bundeswehr mit allen militärischen Kompetenzen die Rede. Begründet wird dies mit der hohlen Phrase von Souveränität. Man kann nur vermuten, es ist das Bestreben, engere europäische Zusammenarbeit zu hintertreiben. Nicht von Dienstpflicht für Männer und Frauen ist die Rede, sondern ausdrücklich von Wehrpflicht.für Männer. Im Dunkeln bleibt, was genau deutsche Streitkräfte mit Wehrpflichtigen anfangen sollen/können. Schon lange dient die Bundeswehr nicht mehr der Landesverteidigung. Vorbei die Zeiten, als wir das jenseits der Elbe ausgeguckte Feindbild pflegten. Die Bundeswehr ist durchweg mit Aufgaben beschäftigt, für die der Einsatz von Wehrpflichtigen unzulässig wäre oder für die man sie nicht gebrauchen könnte. Zur Aussetzung der Wehrpflicht führte nicht der Wunsch, jungen Leuten ein Geschenk zu machen, vielmehr waren es Zweckmäßigkeitsüberlegungen, an deren Gültigkeit sich nichts geändert hat.
„ … der unbefristete Weiterbetrieb von Kernkraftwerken
Jo, das stimmt. Wird aber eh nicht kommen. Dies ist nur ein Punkt, um bestimmte Wähler zu gewinnen, da alle anderen Parteien die Kernenergie ablehnen.“
Seltsame Strategie. Ich würde im Interesse der Glaubwürdigkeit Ziele erwarten, keine Nebelkerzen. Wie sich zeigte, gibt es Wähler, die ihr Kreuzchen machten, ohne je ein Programm gesehen zu haben, weil es gar nicht existierte. Dem Vernehmen nach soll es aber auch Wähler geben, die vorher lesen und wissen wollen, was sie wählen. Natürlich sind bei allen Parteien nicht sämtliche Programmpunkte in der Realpolitik durchsetzbar, aber überhaupt nicht angestrebte Ziele aufzuschreiben, geht gar nicht. Das wird sich auch die AfD nicht leisten. Deshalb muss man davon ausgehen, dass die Urheber des Entwurfs den unbefristeten Weiterbetrieb der Kernkraftwerke anstreben.
„Politik ist reine Taktik… „
Ein Parteiprogramm ist der ungeeignete Ort für taktische Spiele. Das Programm ist entweder authentisch oder unseriös und nicht ernst zu nehmen.
„… die Energiewende ist gescheitert. Der Strom aus Wind und Sonne lässt sich bis heute nicht sinnvoll speichern…“
Die Energiewende hat gerade erst begonnen, ist ein Projekt für das nächste halbe Jahrhundert. Energiespeicher wurden in der el. Energieversorgung schon immer gebraucht und stellten schon immer ein Problem dar. Nach wie vor stehen Pumpspeicherkraftwerke zur Verfügung, die aber zukünftig nicht mehr reichen und sich mit vertretbarem Aufwand in D nicht beliebig ausbauen lassen. Mit dem langfristigen Ziel einer Wasserstoff-basierten Energiewirtschaft steht das (nicht ganz einfache) Speichermedium mit hoher Energiedichte zur Verfügung. Der Wasserstoff wird aus mit Windenergie erzeugtem Strom per Elektrolyse aus Wasser gewonnen. Ein Zwischenschritt ist die Methanisierung (bitte googeln, es wird hier sonst zu lang), die in ersten Anlagen bereits läuft und den Vorzug hat, das bestehende bundesweite Erdgasnetz für Verteilung und Speicherung nutzen zu können. Damit geht die Entwicklung in eine nachhaltige und richtige Richtung. Dies gilt übrigens auch für die Dekarbonisierung in der Mobilität, die für größere Fahrzeugflotten, geschweige denn 40 Millionen Fahrzeuge in D mit aus dem Netz zu ladenden Akkus nicht darstellbar ist (Begründung liefere ich gerne bei Bedarf), aber mit Wasserstoff und Brennstoffzellen funktioniert. Im Moment wirkt allerdings der niedrige Rohölpreis bremsend auf Aktivitäten der Dekarbonisierung. Im Preisniveau schlagen sich politische und Machtinteressen nieder, aber man muss mit Gewissheit von irgendwann deutlich steigenden Preisen ausgehen. Verfeuertes Rohöl ist nun mal unwiederbringlich weg, die Ressource wird knapper, Aufwand und in Kauf zu nehmende Umweltrisiken bei der Förderung werden stetig größer. .
„Das deutsche Modell funktioniert nur, wenn in bestimmten Zeiten andere Länder Strom liefern. Es ist also gerade nicht ein Vorbild für andere Länder…“
So läuft es in ganz Europa seit vielen Jahrzehnten, seit wir nämlich das Europäische Verbundnetz haben. Ohne das Verbundnetz müssten die Staaten autark agieren und könnten ihre el. Versorgung nicht gewährleisten.
„… die Dimension der Probleme… Denn wenn das mit der verfehlten Flüchtlingspolitik, infolge der eine ungebremste Masseneinwanderung ausgelöst wurde, nicht bald gestoppt wird…“
Sehe ich ähnlich. Muss unbedingt gestoppt werden. Aber wie? Nur Schließung nationaler Grenzen ist kein tauglicher Weg, würde das Problem wie schon seit Jahren hauptsächlich auf Griechenland und Italien abwälzen. Wir brauchen andere Mittel, insbesondere zukünftig eine klügere Politik, die jedes Destabilisieren von Staaten vermeidet, auch das schon mehrmals zelebrierte Regime-Change-Spiel unterlässt.
Im Moment kann Druck auf die Amtsträger durch Wahlerfolge der AfD nicht schaden, damit Asylverfahren zügig abgewickelt und Wirtschaftflüchtlinge konsequent abgeschoben werden. Auch das begriffliche Verwirrspiel darf nicht weitergehen. Kriegsflüchtlinge sind keine Einwanderer, dürfen nur ins Land, so lange der Fluchtgrund besteht. Ein Einwanderungsgesetz mit klaren Kriterien könnte hilfreich wirken. Ausreichende Deutschkenntnisse, beruflich qualifiziert, einwandfreies Führungszeugnis, eine den Lebensunterhalt sichernde Anstellung und befriedigender Gesundheitszustand wären Voraussetzungen, damit jemand auch nach Entfallen der Fluchtgründe ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erhalten kann. Ist aber ein zweischneidiges Schwert. Jeder beruflich qualifizierte Mensch, der auf Kosten seines Heimatlands ausgebildet wurde, wird dort gebraucht, sobald wieder friedliche Zustände herrschen. Es kann letztlich nicht in unserem Interesse liegen, solche Menschen abzuziehen und damit die Entwicklung in den Herkunftsländern zu bremsen…
Von berechtigten Sorgen über ungeregelte Zuwanderung getriebene Menschen wählen die AfD. Aber man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Im Programmentwurf fehlt jeder Hinweis auf Ursachen des Zustroms und Beseitigung derselben. Egal wie man zur EU steht, muss jedem klar sein, dass wir auf keiner isolierten Insel leben und Italien und Griechenland mit den Problemen nicht allein lassen können. Keiner kann sich heimelig in seinen Grenzen einrichten, wenn jenseits der Grenze das Chaos ausbricht, schon gar nicht in einer Staatenunion.
Der Programmentwurf enthält unzutreffende Behauptungen und bietet zu drängenden Problemen, soweit sie überhaupt erwähnt werden, keine Lösungsansätze.
Gruß
Wolfgang