Afghanistan, was wäre wenn

Hallo,

die aktuelle Entwicklung in Afghanistan zieht Kreise.
Unsere Regierung gesteht lediglich die Fehleinschätzung der Auswirkungen der Beendigung des NATO Einsatzes ein.
Einige Politiker, z.B. Röttgen, sind der Meinung, die Amerikaner wären schuld und man hätte die militärische Unterstützung fortsetzen sollen.
Hätte diese Einmischung des Westens irgendwann etwas grundlegend verändert?
Wenn ja, wie lange hätte diese „Besetzung“ dauern müssen, wieviele Generationen der dortigen Bevölkerung hätten die Segnungen des Westens erleben müssen, damit auch der letzte Stammesfürst die mittelalterlichen Vorstellungen aufgibt?

Habe gerade gehört, dass die Taliban schon immer 75% des Landes unter ihrer Kontrolle hatten und lediglich die großen Städte die westliche Wertevorstellung erfahren konnten.

Hallo,

darüber kann man offensichtlich nur spekulieren, aber m.E. redern wir hier von Generationen bis nie. Es hängt ja nicht nur an den Stammesfürsten. Die verschiedenen Ethnien, der geringe Bildungsgrad, die Armut, die technische Rückständigkeit, die 45 Jahre Kriegszustand, die ständige Einflußnahme ausländischer Mächte in dieser Zeit, der Glaube un noch etliches mehr, was dazu führt, daß es sehr schwer ist, von außen ein neues, stabiles System zu etablieren.

Letzten Endes haben wir es hier mit einer Bevölkerung zu tun, die sich in vielen Belangen im Mittelalter bewegt und die Aufklärung noch weit vor sich hat. Darunter ist auch zu subsumieren, daß der strenge Islam an sich einer echten Demokratie im Wege steht, weil ein Kernelement die Alleinherrschaft Allahs ist, d.h. weltliche Herrscher immer in irgendeiner Form religiös legitimiert sein müssen. Auch das nun ausgerufene Emirat bzw. der Titel Emir geht letztlich auf die Kalifen zurück, die als die Nachfolger des Propheten halten.

Will sagen: die Demokratie (also die Herrschaft des Volkes) ist dem Islam letztlich wesensfremd, was ja auch die Vielzahl von relativ stabilen islamischen Autokratien erklärt und auch, warum die Länder, in denen es den sog. islamischen Frühling gab, nach den Turbulenzen ein strengreligiöses Regime hatten.

Wenn also nun nach über 40 Jahren Krieg und Bürgerkrieg ausgerechnet die maßgeblich daran beteiligten USA beschlössen, es doch noch einmal mit der Demokratisierung des Landes zu versuchen, kann man nur sagen, daß das ein Unterfangen wäre, das auf Jahrzehnte ausgelegt sein müßte. Es müßte erst beweisen, daß es Frieden, Freiheit, Stabilität und Wohlstand bringt - und zwar über ein-zwei Generationen hinweg und so lange wird es eben nicht halten. Die Zentralregierung hat ja nie das ganze Land regiert und dort, wo sie regierte, war es ja nur mit Einschränkungen sicher, weil fremde Soldaten zumindest ein Mindestmaß an Kontrolle ausübten.

Am Ende muß man akzeptieren, daß wir uns auf dem Planeten in verschiedenen Phasen bewegen. Wenn eine ausländische Macht in Mitteleuropa um 1450 die Monarchien abgeschafft, Demokratien eingerichtet und dann den Bevölkerungen gesagt hätte, daß sie ab jetzt allein klarkommen , aber bitte weiter demokratisch bleiben müssen, hätte das im Zweifel auch keine drei Wochen gehalten. Gesellschaftliche, kulturell und religiös befindet sich Afghanistan halt auch noch im Mittelalter und für Teile des Irak gilt das genauso.

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Ehrlich gesagt bezweifle ich das stark. Man muss sich ja nur mal anschauen, wie lange es dauerte, bis in Deutschland der Übergang von Monarchie zur Demokratie dauerte und was auf dem Weg dahin alles geschah…

Man darf auch nicht vergessen, dass für die USA eine ‚Verwestlichung‘ Afghanistans bestensfalls eine Nebenprodukt der Besatzung war. An erster Stelle stand immer die ‚Kampf gegen den Terrorismus‘ und genau dafür wurde die afghanische Armee auch konzipiert.

Schaut man sich die Regierungsformen der umliegenden Länder an, wird man demokratische bzw. ‚westliche‘ Vorbilder auch eher vergeblich suchen. Das Traurige ist, dass Afghanistan (zumindest im urbanen Raum) schon ziemlich westlich war. Google mal nach Fotos von Kabul in den 1960er und du wirst sehen, dass man da von Europa gar nicht weit entfernt war.

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Sieht wohl so aus. Wir (Westler) sitzen aber gar nicht auf diesem hohen Ross, um auf andere herunterzublicken.

Bei uns endet die Demokratie am Fabriktor. Firmenleitungen werden nicht von der Belegschaft bestimmt, nichtmal die mittlere Führungsebene. Und dennoch funktionieren Unternehmen.

Und die offiziellen Vertreter des Christentums wurden auch nicht von den Gläubigen gewählt.

Ich war sieben Jahre „mündiger Christ“ von der Konfirmation bis zum Austritt. Nicht einmal wurde mir Mitbestimmung angeboten. Ich habe sie auch nicht vermisst, aber zu behaupten, wir hätten sie, ist falsch.

Kennt jemand eine Stelle in der Bibel, wo Volks- oder Religionsführer von den „Untergebenen“ gewählt werden?

Der Papst ist unfehlbar und Mutti Merkel (ausdrücklich christlich!) argumentierte oft mit dem Begriff „alternativlos“.

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Ich erkenne Deinen Versuch an, auch dieses Thema in Deine Welt ziehen und dort mit Deiner Sicht auf ebendiese Welt versehen zu wollen, aber nichts, aber auch gar nichts von dem, was Du schreibst, hat auch nur ansatzweise etwas mit der Frage oder meiner Antwort darauf zu tun. Ich möchte mich insofern an Deinen Monolog nicht anschließen und schlage vor, daß Du einfach weiterziehst und das Forum bei Diskussionen über wirksame Fußpilzsalben, verchromte Endrohre oder die armenische Minderheit in Argentinien mit Deinen Ansichten bereicherst.

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Vorschlag akzeptiert, hier das Thema:

Fußpilzsalben

Hallo,
schau ein anderes Beispiel an, wo es funktioniert hat. Wie lange waren die „auslaendischen Truppen“ nach dem Nazideutschland hier praesent, die Franzosen, die Amerikaner,
die Englaender?
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Nach fast 70 Jahren in Deutschland planen die britischen Streitkräfte bis 2020 den vollständigen Abzug aus Deutschland. Aktuell zählen die British Forces Germany (BFG) noch knapp 16.000 Soldaten klick
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Gruss Helmut

Ich glaube, dass man Deutschland 45-89 und Afghanistan nur sehr begrenzt miteinander vergleichen kann.

In Deutschland versuchte man sich schon von 1918 bis 1933 an demokratischen Strukturen, selbst 33-39 gab es einen Staat, der für einen großen Teil der Bevölkerung vergleichsweise gerechte Rechtsprechung abseits von Glaubensstrukturen pflegte. Der folgende Krieg mit seinen massiven Schäden im ganzen Land (an Material, Menschen und Menschlichkeit) war eine so starke Zäsur, die Besatzung durch die vier Mächte so vollkommen, dass man die aufoktroyierte Gesellschaftsformen mit vergleichsweise wenig Widerstand annahm. Zudem konnte man fast genauso weiterleben, wie noch ein paar Jahre zuvor.

Afghanistan dagegen befand sich beim Einmarsch der USA praktisch seit mehr als 20 Jahren in einer Mischung aus Bürger- und Guerilla-Krieg. Sie fielen mit viel zu wenig militärischer Macht in dieses riesige, vergleichsweise dünnbesiedelte Land (nicht mal halbsoviele Einwohner wie Deutschland, aber fast doppelte Fläche = ein viertel Bevölkerungsdichte) ein, um den Bürgerkrieg zu beenden und die Guerilla-Truppen dauerhaft zu entwaffnen. Zudem wollten sie zwischenzeitlich das Gesellschaftssystem einmal komplett umkrempeln.

Ich gehe davon aus, dass man Afghanistan hätte weitere 1 bis 2 Generationen lang besetzen müssen und viele Dutzend Milliarden, wenn nicht sogar Billionen Dollar oder Euro hätte investieren müssen. Man hätte ein Bildungs- und vor allem ein Wirtschafts- und Sozialsystem installieren müssen, dass für alle einen gewissen Grad an Wohlstand bereitstellt, damit Afghanistan zu einem modernen, säkularen Staat wird und so auch von allen seinen Einwohnern akzeptiert wird. Die paar ungebildeten, rückständigen Islamisten wären dann vielleicht nicht mehr aufgefallen.

Doch vorausschauendes Denken nach einem Überfall ist schon lange nicht mehr eine Gabe der USA. In Vietnam, Irak und Afghanistan haben sie bewiesen, dass sie sehr stark angreifen können, dann aber wie ein Haufen aufgeregter Hühner planlos durcheinander laufen.

Je älter ich werde, umsoweniger glaube ich, dass die USA Kriege führen, um wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Statt dessen gewinne ich das Gefühl, dass sie nur Krieg führen, damit die Militärindustrie ihre Produkte verkaufen kann und jede Generation ihr eigenes patriotisches Moment hat. Vielleicht selbst das nur, damit die Rüstungsindustrie weiterhin guten Umsatz machen kann…

Grundsätzlich erachte ich es für die Hybris der „westlichen Staaten“, zu glauben, dass andere Länder nur auf unser Gesellschafts- und Wertesystem warten und man es mit Gewalt durchsetzen kann.

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Hallo,

Wie lange waren die „auslaendischen Truppen“ nach dem Nazideutschland hier praesent,

Glaubst du denn, dass Deutschland im Chaos versunken wäre oder wir wieder eine Diktatur hätten oder ähnliche Zustände wie jetzt in Afghanistan, wenn die ausländischen Streitkräfte bereits 20 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges komplett abgezogen wären? Oder hat es vielleicht andere Gründe, warum ausländische Streitkräfte immer noch hier sind?

Gruß Pontius

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Hallo,
ich meine ja, aber die Frage ist doch, was du meinst, warum noch immer Amerikaner, Briten, Franzosen und Holländer militärisch bei uns vertreten sind ?

Gruss
Czauderna
Czauderna

Zusätzlich denke ich, dass USA einen mächtigen äußeren Feind benötigt, um innere Probleme (z.B. Rassismus, Armut, Kriminalität, …) klein wirken zu lassen. Habe überhaupt nicht verstanden, warum der Friede nicht genutzt wurde, als der Kalte Krieg zuende war.

Das russische Militär zieht friedlich ab aus Deutschland und die NATO verfolgt es bis an die Grenzen. Bettelt sozusagen um Feindschaft. Volker Pispers sinngemäß: „Die USA war vollkommen verwirrt, der Feind hatte sich aufgelöst“.

Ein wunderbarer geschichtlicher Moment war die Rede von Wladimir Putin vor dem deutschen Bundestag am 25.09.2001, ab 2:30 in deutscher Sprache:

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Das kann man nicht genug betonen. Das Land befindet sich nun seit über 40 Jahren im Ausnahmezustand, der im wesentlichen durch die Einmischung ausländischer Mächte verursacht wurde. Nicht, daß das vorher das Paradies auf Erden gewesen wäre, aber wir sehen hier das gleiche Ergebnis wie in den Palästinensergebieten, d.h. eine Bevölkerung, die seit zwei Generationen praktisch nur Krieg, Flucht und Angst kennt. Daß sich da nicht innerhalb von wenigen Jahren ein demokratisches Utopia entwickelt, liegt auf der Hand. Im Vordergrund stehen in einer solchen Situation nicht Demokratie und Einigkeit, sondern der Schutz des eigenen Lebens und das der Familie. Und nun mag man sich überlegen, ob man da auf die Regierung im in jeder Hinsicht fernen Kabul vertraut oder ob man sich lieber darauf verläßt, daß der lokale Warlord einen schon beschützen wird bzw. sich davor fürchtet, was der Warlord mit einem anstellt, wenn man mit den Regierungstruppen fraternisiert.

Gruß
C.

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Nicht „dennoch“, sondern „deshalb“.

Richtig. Das erklärt doch auch die Integrationsprobleme hierzulande. Respekt und Anpassungsbereitschaft nehmen nur in dem Maße zu, wie das Dogma des Islams aufgegeben wird.

Hallo,
womit wir beim eigentlichen Grund für diesen Thread wären, hat ja nur 13 Beiträge gedauert
Gruss
Czauderna

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Was meinst du?

Hallo,
na, dass es eigentlich darum geht, dass Flüchtlinge/Migranten ohne Anpassung/Aufgabe Ihrer kulturellen Erziehung/Überzeugungen hier in Deutschland immer eine Gefahr für unser Leib und Leben darstellen?
Gruss
Czauderna

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Du schriebst etwas vom

Der Thread ist jedoch von Bernd. Und ich glaube nicht, dass das der Grund für seine Frage war. Die Feststellung von C_Punkt ist jedoch generell formuliert und nicht nur auf Afghanistan beschränkt zu verstehen.

Je konservativer der Islam, desto größer die Gehirnwäsche dieser Kultur und die Schwierigkeit der Anpassung.
Sicherlich wird ein konservativer Afghane es mit der Integration schwerer haben, als es Moslems alevitischer Glaubensrichtung hätten.

Ganz so pauschal würde ich das jetzt aber nicht ausdrücken:

Quelle: https://twitter.com/MalteLehming/status/1430468651833036801

Da greift natürlich eine doppelte Vorauswahl: zum einen wurden da Menschen befragt, die in Deutschland leben und zum anderen Leute, die sich von der FAZ bzw. dem beauftragten Meinungsforschungsinstitut befragen ließen. Um etwas zu überspitzen: von zwei Katholiken, die volltrunken zu Karneval auf der Herrentoilette einer Kneipe in der Düsseldorfer Altstadt übereinander herfallen, bekommt man bei Frage zu den Grundwerten der katholischen Kirche im Zweifel auch andere Antworten als von zwei Kardinälen, die man kurz am Eingang zur Sixtinischen Kapelle abfängt.

Genauso, wie Christen einen liberalen, nicht wortwörtlichen Angang an den Glauben haben können, können natürlich Muslime auch einen Angang an ihren Glauben haben, der sich von der konservativen, wortwörtlichen oder anderweitig nicht-liberalen Auslegung des Korans und dem restlichen Regelwerk unterscheidet. Nur findet man die eher selten im afghanischen Bergland.