Du sprichst da einen wichtigen Aspekt an, der hier ein stückweit untergeht und der auch schon in der anderen Diskussion untergegangen ist.
Natürlich gibt es den Effekt, dass - Achtung - in bestimmten Situationen und Gruppen (!) - diese Phänomene auftreten. Aber es gibt auch zahlreiche Schilderungen, wo deutlich wird, dass es auch problemlos möglich ist, kein Fleisch zu essen, keinen Alkohol zu trinken.
Wenn man diesem Phänomen angemessen auf den Grund gehen möchte, müsste man die gesamte Situation betrachten. Die besteht eben nicht nur aus den Menschen, die einem etwas aufdrängen wollen. Sie besteht aus weit mehr. Da sind auf der einen Seite verschiedene beteiligte Personen: mindestens diejenige, die nicht Alkohol trinken / Fleisch essen möchte und diejenige(n), die etwas sagen. Aber wahrscheinlich gibt es selbst in den Situationen, wo etwas gesagt wird, auch viele (die Mehrheit), die gar nichts sagen. Und es gibt situative Faktoren.
Nun wird die Diskussion hier angestoßen von jenen, die aus der Ich-Perspektive schildern, dass es sie stört, derart bedrängt zu werden. Analysiert und bewertet wird ausschließlich das Verhalten jener, die aufdrängen. Das wird dem Phänomen aber gar nicht gerecht.
Offensichtlich ist es so, dass hier viele sehr unterschiedliche Typen schildern, damit überhaupt kein wirkliches Problem zu haben: weil sie nicht, oder seltener, oder weniger gravierend in solche Situationen reinkommen.
Tatsächlich haben wir es also mit einem äußerst vielschichtigen Phänomen zu tun, das von vielen Faktoren abhängt. Das so zu „analysieren“, wie das bisher hier gemacht wird, wird dem gar nicht gerecht. Würde das so wissenschaftlich aufgearbeitet (und wir befinden uns im Wissenschaftsbrett), müsste man jede Studie oder nur Umfrage, die so aufgezogen ist, sofort schreddern. (Dass das leider bei vielen Studien genau so passiert, steht auf einem anderen Blatt)
Es macht zum Beispiel schon einen großen Unterschied, nur auf jene Situationen zu schauen, wo das passiert und überhaupt nicht danach zu sehen, dass das in anderen Situationen nicht passiert.
Nur mal so ein paar Beispiele, für Fehlannahmen mit Folgeeffekt:
Nur Schweinebraten und Co bei 30 Grad aufwärts mittags (lässt mir persönlich übrigens mehr als nur einen Schauer den Rücken runterlaufen - ist aber nicht gefragt!) … Wieso wird daraus ein schlechtes Gewissen konstruiert, sich selbst schlecht zu ernähren, während der Gute einem gegenüber steht? Es kann auch einfach nur eigene Gewohnheit sein, um in dem Moment festzustellen, dass man als Gastgeber echt schlecht da steht, weil man einem Gast nix anbieten kann. Und per se gesünder ist völliger Fleischverzicht nicht. Das heißt, möglicherweise schwingt da tatsächlich auch auf der anderen Seite ein Überlegenheitsanspruch der einen Seite mit, welche die andere in dem Moment merkt.
So kann eine solche Situation sich in die eine oder andere Richtung entwickeln, weil es an den Personen hängt, die einfach anders damit umgehen, auch die Nicht-Konsumierenden. Es kann ein Mangel sein, der sich in dem Moment offenbart. Fleisch (Fisch, Meeresfrüchte) und Alkohol sind bspw. nicht nur mit Feiern assoziiert, sondern auch damit, dass man es sich gutgehen lässt. Jeder ruft sofort „edle“ Sachen ab: Ob Filet und Hummer oder Sekt und den schönen Wein. Es sind bezeichnenderweise selbst Vegetarierer und Nicht-Alkohol Trinkende, denen die Fantasie für solche „edlen Varianten“ fehlen!
Diese Erfahrung mache ich seit über 3 Jahrzehnten, die ich mich recht intensiv mit der Thematik aus der Gastgebendenrolle beschäftige. Das hat sich zwar etwas gewandelt - und vegetarisch ist nicht mehr nur beschränkt auf die Gemüsebeilage. Die Foren sind aber voll von solchen Verzweifelnden - und das sind auch die Vegetarierer / Veganer / Nicht-Alkohol-Trinkenden. Was grillt man denn vegetarisch, wenn es nicht immer Gemüsespieß oder Grillkäse sein soll? Was trinkt man leckeres, besonderes, außer Wasser, Limo und Cola?
Schon alleine dadurch kommt ein Stressmoment rein. Und wenn Nichtalkohol dann bedeutet, dass sich jemand ein Wasser bestellt, ist das eben nicht mehr nur Getränkt, sondern sendet bewusst oder unbewusst Botschaften, die weit über Flüssigkeitsaufnahme hinaus gehen, und auf der anderen Seite empfangen werden, zusätzlich zu den Botschaften, die empfangen werden, obwohl sie nie gesendet wurden.