Alkohol 'rauskochen'?

Hallo zusammen,

der Siedepunkt von Alkohol beträgt meines Wissens 78,5°C. Wenn man ein alkoholisches Getränk auf sagen wir mal 85°C erhitzt und diese Temperatur eine Weile hält, müsste doch der gesamte Alkohol verdampft sein. Ist das richtig?

Wenn man hochprozentiges (z.B. Rum) in fast siedenden Kakao schüttet und sofort danach an diesem Getränk schnuppert, reißt es einem fast die Nase ab. Das müsste ja dann wohl der verdampfende Alkohol sein, oder?

Ich war mir bisher in dieser Sache recht sicher und habe mich bei einer Diskussion mit einem Nachbarn etwas „aus dem Fenster gelehnt“. Er glaubte mir das mit dem Rauskochen des Alkohols nicht und bot mir an, einen Test zu machen: Er trinkt das Zeug (irgendwas Hochprozentiges) so wie es ist, ich darf meine Portionen vorher „kochen“. Wenn meine Theorie stimmt, würde ich ja völlig nüchtern bleiben.

Da ich sehr wenig Alkohol vertrage, würde ich, wenn sie nicht stimmt, nach dem ersten oder zweiten Glas auf dem Boden liegen.

Kann ich’s riskieren?

Danke schonmal!

Grüße
Sebastian

Hallo auch!

der Siedepunkt von Alkohol beträgt meines Wissens 78,5°C. Wenn
man ein alkoholisches Getränk auf sagen wir mal 85°C erhitzt
und diese Temperatur eine Weile hält, müsste doch der gesamte
Alkohol verdampft sein. Ist das richtig?

Praktisch: ja, prinzipiell: jein.

Zunächst zum „Ja“:
Je nach Mischungsverhältnis stellen sich unterschiedliche Siedepunkte für das Gemisch ein. Bei diesem Siedepunkt siedet dann erstmal grundsätzlich das ganze Gemisch. Da der Alkohol aber leichter flüchtig ist als Wasser enthält das entstehende Alkohol/Wasser-Dampfgemisch einen größeren Alhoholanteil als dein erhitztes Getränk. Der Alhoholgehalt im Getränk sinkt also tatsächlich.
Am schnellsten geht dies übrigens, wenn du nicht nur die Temperatur von 85°C hältst, sondern solange weitererhitzt, bis die Siedetemperatur 100°C erreicht hat.

Und jetzt zum möglichen „Nein“:
Wenn Luft über deinen Becher streicht (die Alkoholdämpfe also permanent entfernt werden) sollte es zumindest theoretisch auch möglich sein, den Alhohol auf diese Weise vollständig zu entfernen, allerdings müsste man nun in geeignete Tabellenwerke schauen, ob sich nicht ein sogenanntes Azeotrop bildet, bei dem die anteilsmäßige Zusammensetzung des Dampfes identisch ist mit der Zusammensetzung der Flüssigkeit.

Wenn man hochprozentiges (z.B. Rum) in fast siedenden Kakao
schüttet und sofort danach an diesem Getränk schnuppert, reißt
es einem fast die Nase ab. Das müsste ja dann wohl der
verdampfende Alkohol sein, oder?

Richtig. Deshalb warte ich auch grundsätzlich, bis mein Cappucino Trinktemperatur erreicht hat, bevor ich den Amaretto hineingieße.

Er glaubte mir das mit dem Rauskochen des Alkohols
nicht

Du bist mit deiner Annahme definitiv auf dem richtigen Weg.
Ich meine auf Glühweinflaschen steht sogar immer ausdrücklich drauf: „Nur erhitzen - nicht kochen!“ eben wegen der höheren Flüchtigkeit des Alkohols, oder des „'Rauskochens“ wie du es genannt hast.

und bot mir an, einen Test zu machen: Er trinkt das Zeug
(irgendwas Hochprozentiges) so wie es ist, ich darf meine
Portionen vorher „kochen“. Wenn meine Theorie stimmt, würde
ich ja völlig nüchtern bleiben.

Da ich sehr wenig Alkohol vertrage, würde ich, wenn sie nicht
stimmt, nach dem ersten oder zweiten Glas auf dem Boden
liegen.

Kann ich’s riskieren?

Wenn du solange kochen darfst, dass die Siedetemperatur auf 100°C steigt, kannst du es auf jeden Fall riskieren. Wenn ihr euch bei dem Experiment auf die erwähnten 85°C festgelegt habt, solltest du zumindest vorher probieren, wie lange du erhitzen musst, damit der Alkoholgehalt unter deine persönliche Verträglichkeitsschwelle sinkt.

Allerdings möchte ich unbedingt noch darauf hinweisen, dass es auch physikalische oder chemische Methoden gibt, den Alkoholgehalt zu bestimmen. Dass ist erstens genauer, zweitens sicherlich lehrreicher und drittens wahrscheinlich auch angenehmer als den Alkoholgehalt mittels biologischer Methoden im Selbstversuch zu bestimmen. (Stelle mir gerade vor, ich müsste einen gründlich ausgekochten Jägermeister trinken - bäääh!)

Gruß

Stefan

Hai,

… allerdings müsste man nun in geeignete
Tabellenwerke schauen, ob sich nicht ein sogenanntes Azeotrop
bildet, bei dem die anteilsmäßige Zusammensetzung des Dampfes
identisch ist mit der Zusammensetzung der Flüssigkeit.

Darüber habe ich inzwischen gelesen (nachdem ich in dieser Frage ein bisschen „gegoogled“ habe). Der Siedepunkt dieser Azeotrope liegt wohl stets niedriger als der seiner Bestandteile, zumindest bei Alkohol und Wasser, dadurch kann man keinen wirklich reinen Alkohol durch Destillieren gewinnen, da ist immer noch was anderes mit dabei.

Deshalb warte ich auch grundsätzlich, bis mein
Cappucino Trinktemperatur erreicht hat, bevor ich den Amaretto
hineingieße.

Cappucino mit Amaretto … hmmmm … muss ich mal probieren!

Wenn du solange kochen darfst, dass die Siedetemperatur auf
100°C steigt, kannst du es auf jeden Fall riskieren. Wenn ihr
euch bei dem Experiment auf die erwähnten 85°C festgelegt
habt, solltest du zumindest vorher probieren, wie lange du
erhitzen musst, damit der Alkoholgehalt unter deine
persönliche Verträglichkeitsschwelle sinkt.

Ansonsten: „Ddaiss kau…kaum Aahlloollol drinn unn ich bin noch volldschänn … volldsch … ganz nüchdern!“

Allerdings möchte ich unbedingt noch darauf hinweisen, dass es
auch physikalische oder chemische Methoden gibt, den
Alkoholgehalt zu bestimmen. Dass ist erstens genauer, zweitens
sicherlich lehrreicher und drittens wahrscheinlich auch
angenehmer als den Alkoholgehalt mittels biologischer Methoden
im Selbstversuch zu bestimmen. (Stelle mir gerade vor, ich
müsste einen gründlich ausgekochten Jägermeister trinken -
bäääh!)

Oh Gott, ja, igitt! „Ich trinke Leberkleister, weil ich so gerne weißen Mäusen bei Spielen zusehe.“

Das ist mit Getränken geplant, die sowieso heiß getrunken werden, also z.B. Glühwein, Kakao mit ordentlich Rum oder so was in der Art.

Beim Lumumba (Kakao mit Rum) bzw. bei Baileys-Kakao habe ich das bisher immer absichtlich so gemacht, dass das Teil zwar nach Rum bzw. Baileys schmeckt, aber wenig bis keinen Alkohol mehr enthält. Zumindest dachte ich das und lag wohl nicht so verkehrt. Da ich Alkohol sehr schnell spüre, hätte es mich auch sehr gewundert, wenn sich jetzt herausgestellt hätte, dass da doch immer noch viel Alkohol drin war.

Gibt es denn einigermaßen preiswerte Messvorrichtungen für den Alkoholgehalt?

Grüße
Sebastian

Gibt es denn einigermaßen preiswerte Messvorrichtungen für den
Alkoholgehalt?

Grüße
Sebastian

Hallo,
mit einem Aräometer (Senkwaage, Alkoholheber) kann der Alkoholgehalt bestimmt werden. Das Ding sieht aus wie das Testgerät für Batteiesäure oder Kühlerfrostschutz, ein Schwimmer mehr oder weniger, der zu einem bestimmten Teil in die Flüssigkeit eintaucht und damit schliesslich das spez. Gewicht über eine darauf sich befindliche Skala anzeigt.
Vorsicht: Messtemperatur einhalten, grosse Toleranz bei geringem Alkoholgehalt.
Zu kaufen in wohl jedem Drogeriemarkt für wenige €uros…
MfG
Michael Zettler
>

Messtemperatur einhalten, grosse Toleranz bei geringem Alkoholgehalt.

Da das Ding nur die Dichte anzeigt, reagiert es auf alles, was die Dichte ändert (z.B. auch auf den Zuckergehalt). Um ganz sicher zu gehen sollte man also nicht nur die Messtemperatur einhalten, sondern nach Möglichkeit auch Getränke verwenden, die nur Alkohol und Wasser enthalten (also z.B. Wodka und nicht etwa Likör).

Was die Dampfdruckkurve von Alkohol-Wasser-Gemischen angeht, werde ich mal meine Tabellenbücher durchstöbern. Allerdings wird das wenig helfen, weil der bereits erwähnte Abtransport des Dampfes durch Luftströmungen eine entscheidende Rolle spielt. Wenn man nur genug rührt und Luft über den Schnaps bläst, dann kann man den Alkohol sogar bei Zimmertemperatur entfernen (so wird z.B. alkoholfreies Bier hersgestellt).

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Hiho!

[Einfache Messmethoden für Alkoholgehalt]

einhalten, sondern nach Möglichkeit auch Getränke verwenden,
die nur Alkohol und Wasser enthalten (also z.B. Wodka und
nicht etwa Likör).

Wenn fast nur Wasser und Ethanol drin ist, kann man auch ein sogenanntes Vinometer verwenden. Ist ein kleiner Trichter, der in eine graduierte Glaskapillare mündet. Die Kapillare wird zunächst über den Trichter mit der Probe gefüllt und dann umgedreht. Da Alkohol und Wasser unterschiedliche Oberflächenspannungen haben, sinkt der Flüssigkeitsfaden in der Kapillare je nach Alkoholgehalt unterschiedlich weit herunter, so dass man die Volumenprozente von Ethanol an der Graduierung ablesen kann.
Das sind zwar nur Richtwerte (ich glaube so +/- 3 Volumenprozente Genauigkeit) aber für eine Vergleichsmessung sollte es allemal reichen.

Ansonsten eine Frage an den Ursprungsposter: Hast du evtl. Zugang zu einem (Schul-)Labor mit einem Gaschromatographen?
Damit kann man auch ziemlich leicht (und vor allem auch sehr genau) den Alkoholgehalt einer Probe bestimmen.

Wenn man nur genug rührt und Luft über den Schnaps
bläst, dann kann man den Alkohol sogar bei Zimmertemperatur
entfernen (so wird z.B. alkoholfreies Bier hersgestellt).

Allen Ernstes? Ich dachte immer, der Alkohol wird per Umkerhosmose aus dem Bier geholt. Beim Überleiten von Luft gehen doch schließlich auch Aromastoffe verloren, oder?

Gruß

Stefan

Hiho!

Der Siedepunkt dieser
Azeotrope liegt wohl stets niedriger als der seiner
Bestandteile, zumindest bei Alkohol und Wasser, dadurch kann
man keinen wirklich reinen Alkohol durch Destillieren
gewinnen, da ist immer noch was anderes mit dabei.

Zumindest bei Atmosphädendruck ist das für Ethanol-Wasser-Gemische so. Grundsätzlich gibt es aber die Möglichkeit, die Destillation in einem anderen Druckbereich zu fahren, um eine Azeotropbildung zu vermeiden. Dummerweise habe ich zur Zeit meine Chemietechnik-Bücher verliehen, sonst könnte ich dir sagen ob und bei welchen Bedingungen sowas für ein Ethanol-Wasser Gemisch möglich ist.
Ansonsten kann man noch mit Hilfe von Benzol eine Azeotropdestillation des Alkohol-Wasser Gemisches durchführen, das steht im Römpp ganz gut beschrieben. Bei Interesse kann ich ein entsprechendes Zitat mal hier einstellen.

Gruß

Stefan

Vielen Dank für die Antworten!
Hi Stefan,

Ansonsten kann man noch mit Hilfe von Benzol eine
Azeotropdestillation des Alkohol-Wasser Gemisches durchführen,
das steht im Römpp ganz gut beschrieben.

Unter http://www.alkohol-lexikon.de habe ich folgendes gelesen:
„Wegen der Giftigkeit des Benzols ist dies durch Cyclohexan ersetzt worden.“

Bitte mach’ Dir keine Mühe mit der Beschaffung von weiteren Infos, ich wollte eigenlich nicht so tief einsteigen, sondern nur wissen, ob und wie man durch Erhitzen den Alkohol aus einem Getränk entfernen kann, und das wurde ja hinreichend beantwortet.

Vielen Dank!

Grüße
Sebastian

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Hallo zusammen,

Ansonsten eine Frage an den Ursprungsposter: Hast du evtl.
Zugang zu einem (Schul-)Labor mit einem Gaschromatographen?
Damit kann man auch ziemlich leicht (und vor allem auch sehr
genau) den Alkoholgehalt einer Probe bestimmen.

Nein, einen solchen Zugang habe ich leider nicht, so genau will ich es aber auch gar nicht wissen (obwohl es sicher interessant wäre).

Wenn man nur genug rührt und Luft über den Schnaps
bläst, dann kann man den Alkohol sogar bei Zimmertemperatur
entfernen (so wird z.B. alkoholfreies Bier hersgestellt).

Allen Ernstes? Ich dachte immer, der Alkohol wird per
Umkerhosmose aus dem Bier geholt. Beim Überleiten von Luft
gehen doch schließlich auch Aromastoffe verloren, oder?

„Der Alkohol wird durch Vakuumdestillation bei niedrigen Temperaturen enfernt.“
(Quelle: http://www.alkohol-lexikon.de/fr_index.html?alex_d.html)

Wenn ich diesen Satz richtig verstehe, dann wird anstelle der Erhitzung der Druck abgesenkt, so dass der Siedepunkt des Alkohols unter die derzeitige Temperatur fällt und er „auskocht“. So ähnlich wie wenn man kaltes Wasser durch Vakuum zum Sieden bringt (was übrigens an jeder Schiffsschraube durch Unterdruck unfreiwillig geschieht, „Kavitation“ nennt man das, und die platzenden Dampfbläschen zerstören die Schraube nach und nach, aber ich glaube, jetzt schweife ich etwas ab …).

Grüße
Sebastian