Alle Schrift ist von Gott eingegeben. Welche Schrift ist gemeint?

Hallo!

Immer wieder stoße ich auf die Behauptung, die Bibel bezeuge, selbst von Gott eingegeben zu sein. Tatsächlich steht in. 2 Tim 3,16 LU, alle „Schrift“ sei von Gott eingegeben. Was „eingegeben“ genau bedeutet, mag für diesen Thread dahinstehen.

Was aber ist denn eingegeben? Der Brief stammt eventuell nicht aus der Feder des Paulus. Er ist aber doch vermutlich älter als etwa die Evangelien, oder nicht? Wie kann der Autor behaupten wollen, dass (auch) das NT ganz von Gott eingegeben sei? Liegt nicht die Annahme näher, dass hier nur das AT als eingegeben vorgestellt wird? Paulus oder wer auch immer schreibt in einem Brief, dass alle „Schrift“ eingegeben sei, ohne etwas von einem NT zu wissen. Soll er sich vorgestellt haben, dass diverse Briefe einmal als Bestandteil einer Heiligen Schrift gelten würden? Dass noch so manches verschriftlicht würde und, wenn es auch in einen Kanon komme, dann als eingegeben zu gelten habe?

Kommt es andererseits überhaupt darauf an, wie der Autor diesen Satz gemeint hat? Gibt es eine sinnvolle Unterscheidung zwischen dem, was ein menschlicher Autor mit einer Bibelstelle gemeint hat, und dem, was eine Aussage für die Christenheit bedeuten soll? Dann wäre ja praktisch nur der Wortlaut eingegeben, als hätte Gott einen Text wörtlich diktiert. Oder lassen sich beide Konzepte miteinander harmonisieren?

Mit bestem Dank und schönen Grüßen,

Mozart

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Ein paar Gedanken zu deinen Gedanken:

Die Pastoralbriefe (Timotheus und Titus) sind tritopaulinisch, stammen also aus der Paulus-Schule, aber nicht von Paulus selber. Ich zitiere jetzt aus Petr Pokorny/Ulrich Henkel: Einleitung in der Neue Testament, Abschnitt 8.2.
„Der Verfasser war ein Paulusschüler der dritten frühchristlichen Generation, da Timotheus bereits an den Glauben seiner Großmutter erinnert werden kann. […] Die Pastoralbriefe entstanden später als der Kolosser- und der Epheserbrief“ [die sogenannten deuteropaulinischen Briefe]. Ich finde keine explizite Datierung, aber ich denke, wir können von der Existenz mindestens der synoptischen Evangelien (Markus, Matthäus, Lukas) ausgehen.

Ich kann kein Altgriechisch, insofern kann ich nur den deutschen Text lesen. Mit Schrift ist in den Evangelien nur das „Alte Testament“, also die jüdische Bibel gemeint. Und der Autor unserer Stelle im 2. Tim hat ja den Begriff „Schrift“ nicht qualifiziert. Reden wir vom „Gesetz und den Propheten“, reden wir von den Evangelien, reden wir von den schon vorhandenen Briefen des Paulus oder anderer Kirchenältesten, oder reden wir von Hymnen und anderen geistlichen Texten? Das neue Testament war offensichtlich noch nicht kanonisiert (klar, dieser Brief würde ja einmal Teil davon werden) - das passierte um 200 n.Chr. (Übrigens, auch das Alte Testament war noch nicht abschließend kanonisiert.) Es gab also nur eine „Lose-Blatt-Sammlung“ von Texten.

Ich vermute, dass die frühen Christen (mindestens der ersten, vielleicht der zweiten Generation) nicht zwischen Altem und Neuen Testament unterschieden. Es war ein Kontinuum der Verkündigung Gottes.

Zum Begriff „Eingegeben“: Es gibt verschiedene Ansichten, wie Gott die biblischen Texte eingegeben hat, von der Verbalinspiration (Gott diktierte den Text Wort für Wort) über die Realinspiration (die Themen der Schrift sind von Gott vorgegeben, die Formulierung ist menschlich) bis zur Personal-Inspiration (die Verfasser der Schrift waren vom Geist Gottes erfüllte Menschen).

Vielen Grüße

Bombadil

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Lies John 1,1, da ist es gut erklärt.

Ich würde jetzt einfach mal behaupten, dass das „Wort“ nicht dasselbe ist wie die „Schrift“.

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Ob die Timotheus-Briefe a) paulinisch, b) pseudepigraphisch, c) aus dem Umkreis von Paulus oder d) aus seiner Schule stammen, ist für die Interpretation dieser Stelle letztlich sicher unerheblich.

Was die meisten Textfunde überliefern:
πασα γραφη θεοπνευστος και ωφελιμος προς διδασκαλιαν …

θεοπνευστος theo-pneustos ist wörtlich „gott-begeistet“ oder „gott-gehaucht“. Es ist ein Hapaxlegomenen im gesamten NT. Man kann das Adjektiv entweder prädikativ, aber eben auch attributiv übersetzen. Und davon hängt ab, wie man das darauf folgende „και“ übersetzt - als „und“ oder als „auch“:

  1. prädikativ: „Alle Schrift (ist) gott-gehaucht und nützlich für …“

  2. attributiv: „Alle gottgehauchte Schrift (ist) auch nützlich für …“

Beide Varianten finden sich in kompetenten Übersetzungen (das „ist“ ist nicht repräsentiert im griech., es ist im dt. aber zu ergänzen). Viele aber meinen, einen grammatischen Mittelweg wählen zu dürfen, den ich für fragwürdig halte:
Luther (2017): Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur …
Einheitsübersetzung (2016): Jede Schrift ist, als von Gott eingegeben, auch nützlich zur …

Aber Menge (1901) ist eindeutig bei 2): Jede von Gottes Geist eingegebene Schrift ist auch förderlich zur …
Und Schlachter (2000) ist eindeutig bei 1): Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur …

Im Falle 2) stellt sich die Frage nicht, welche Schrift en detail gemeint ist. Im Falle 1) aber sehr wohl. Dabei fällt aber ins Gewicht: Zur Zeit der Abfassung der Briefe war von einem „Neuen Testament“ im Sinne einer Schriftensammlung noch bei Weitem keine Rede. Dieses Verständnis findet sich nicht vor dem Ende des 2. Jhdts. Zu der Zeit also, als die Diskussionen, welche Schriften dazugehören sollten. noch im vollen Gange waren. Insbesondere wurde auch diskutiert, ob die paulinische Briefliteratur überhaupt dazugehören sollte (Martin Werner: Die Entstehung der christlichen Dogmatik, 1941, 1954, 1959)

Und sollte zur Zeit der Abfassung schon der eine oder andere Evangelien-Text verbreitet gewesen sein: In der gesamten ntl. Briefliteratur ist von „Evangelium“ im Sinne einer Textbezeichnung nirgendwo die Rede. Nicht nur in der paulinischen nicht. „Evangelium“ ist die Botschaft und nicht die Bezechnung für einen Text.

Auch der Tanach ist im Verständis 1) nicht gemeint, denn auch der war zur der Zeit noch nicht als eine kompakte Textsammlung verstanden (kanonisiert erst Ende des 2. Jhdts). Wenn von „Schrift“ im Sinne „Heilige Schrift“ die Rede war (in den griech. Literaturen heißt sie immer "das Gesetz"m griech. „nomos“), dann war damit die Torah gemeint, ggf. auch die sog. „großen“ Propheten (Jeshajahu, Jirmajahu, Jehezqel) und einige ältere Psalmen. Schriften also, aus denen auch in den „Evangelien“ zitiert wurde.

Gruß
Metapher

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Danke, Metapher! Das ist komplexer, als ich vermutet hatte. Fasse ich das Ergebnis richtig zusammen, wenn ich sage:

In der Bedeutungsvariante 2 lautet die Aussage, dass eine Schrift, wenn sie gott-gehaucht ist, auch nützlich für … ist. Dann lässt sich dem Vers nicht entnehmen, welche Schrift(en) gemeint sind.

In der Bedeutungsvariante 1 ist „alle Schrift“ gott-gehaucht, im Übrigen nützlich für … Dann kann mit „Schrift“ das NT nicht gemeint sein, sind vermutlich auch die Briefe nicht gemeint, die Evangelien schon gar nicht, ebenso wenig das (ganze, aber damals noch nicht kanonisierte) AT, sondern eben traditionell die Torah, eventuell auch einige weitere Stellen aus dem, was wir heute das AT nennen.

Mir leuchtet die Variante 1 mehr ein. Wenn es zur Zeit der Abfassung des Briefes eine allgemeine Bedeutung für den Begriff „Schrift“ gab, die hier gut passen würde, was spricht dann für Variante 2?

Wenn du jetzt noch erklärst, wie das „Wort“, das wenige Verse später Christus gleichgesetzt wird („Das Wort wart Fleisch“), identisch mit der „Schrift“ sein soll, dann wäre ich dir dankbar.

Solange legen wir deinen Beitrag ganz unten im Stapel ab.

Was soll

sein? Irgendeine Apokryphe der Neobaptistischen Erlösungskirche von Pennsylvanien?

Schöne Grüße

MM

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