Als ich (ein) Kind war

Hallo und frohe Ostern!
Ich hoffe, unsere kompetente Kreszentia kann hier wieder helfen und hat schnell einen Duden-Link parat…

In einem anderen Sprachforum wurde eine Chinesin korrigiert, die einen Satz begann mit „Als ich Kind war…“, der sie Korrigierende meinte, es müsse „Als ich ein Kind war…“ heißen. Als ich dann drunter schrieb, man müsse nicht Dinge verbessern, die gar nicht falsch sind und gesagt habe, auch „Als ich Kind war“ sei korrektes Deutsch, konfrontierte er mich mit Duden-Regeln Nr. 2.11.1.1 und 2.11.1.2, aus denen er schlussfolgerte, dass hier ein Artikel notwendig sei. Er sagte auch, für ausländische Lernende sei die normative Grammatik wichtiger als die deskriptive und da gebe ich ihm auch Recht. Ich kann mir aber nicht denken, dass dadurch der Satz falsch wird, denn dann wären z.B. auch Sätze wie „Ich bin Lehrer.“ oder „Ich bin Vater geworden.“ oder „Wenn ich Rentner bin…“ falsch.

Ich denke, er interpretiert die von ihm zitierten Regeln entweder falsch oder sie greifen evtl. nicht auf den Satz. Oder aber es gibt noch eine andere Regel, die für den Satz „Als ich Kind war…“ zutrifft. Womit könnte ich kontern?

Vielen Dank, viele Grüße und ein frohes Fest!

  • André

Hallo André

Ich bin sicher, beide Formen sind richtig.
Ich kann z.B. sagen als ich Fahrer war, gab es keine Dellen am Auto.
Als ich ein Fahrer war, habe ich damit mein Geld verdient.

Dies wäre nach meinem Sprachgefühl die richtige Ableitung aus beiden Formen, die zugehörigen Spezial Ausdrücke überlasse ich Anderen.

Gruß
Rochus

heißen. Als ich dann drunter schrieb, man müsse nicht Dinge
verbessern, die gar nicht falsch sind

Hätte ich auch gesagt.

mich mit Duden-Regeln Nr. 2.11.1.1 und 2.11.1.2

Das bezieht sih auf die Duden-Grammtik. Und was ICH dort lese und verstehe, bestätigt Dich, speziell was unter (i) über den prädikativen Nominativ bei der Zugehörgikeit zu einer Gruppe gehört. Gut, „Kind“ ist nicht explizit eine „Nationalität, Herkunft, Beruf, Funktiobn, Weltanschauung, Religion, gesellschaftlicher Ststuis“, fällt für mich aber durchaus unter das angefügte „usw.“. Ich sehe da keinen Unterschied zwischen „Er bleibt Junggeselle“ (Beispielsatz im Duden) und „Ich bin Kind“.

Ich vermute mal, daß derjenige keine Erfahhrung im Verstehen und Interpretieren von Grammatik hat und deshalb hier stur nach den aufgeführten Beispielen geht und daraus eine vermeintliche Regel strickt.

Für Fremdsprachler ist Normierung sicher wichtig beim Lernen, aber Normierung heißt nicht Einengung.

Liest sich für mich wie typischer Sprachapostel-BS - man versteht eine Regel falsch und konstruiert daraus vermeintlich falsches und schlechtes Deutsch.

PS: Wenn Du magst, kopiere ich Dir die Seiten und schicke sie Dir zu. Mail genügt!

Gruß,
Max

aus denen er

schlussfolgerte, dass hier ein Artikel notwendig sei. Er sagte
auch, für ausländische Lernende sei die normative Grammatik
wichtiger als die deskriptive und da gebe ich ihm auch Recht.
Ich kann mir aber nicht denken, dass dadurch der Satz falsch
wird, denn dann wären z.B. auch Sätze wie „Ich bin Lehrer.“
oder „Ich bin Vater geworden.“ oder „Wenn ich Rentner bin…“
falsch.

Ich denke, er interpretiert die von ihm zitierten Regeln
entweder falsch oder sie greifen evtl. nicht auf den Satz.
Oder aber es gibt noch eine andere Regel, die für den Satz
„Als ich Kind war…“ zutrifft. Womit könnte ich kontern?

Vielen Dank, viele Grüße und ein frohes Fest!

  • André

Angabe von Beruf etc.
Moin Rochus,

bei der Angabe von Beruf und einigen anderen Fällen steht im Deutschen normalerweise kein unbestimmter Artikel.

" Angabe von Beruf, Herkunft usw.
Bei Bezeichnungen des Berufs, der Funktion, der Nationalität, Herkunft, der Weltanschauung u. Ä. einer Person steht kein Artikel, wenn die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ausgedrückt wird. Dies gilt, wenn die Bezeichnung im Nominativ steht und mit Verben wie sein und werden mit einem anderen Nominativ verbunden ist (Nominativ + sein/werden + Nominativ):

Sie ist Pilotin/Chefin/Berlinerin/Christin.
Er wird Lokomotivführer/Vorarbeiter/Schweizer/Marxist
.

Ebenfalls häufig ohne Artikel stehen diese Bezeichnungen, wenn sie mit einem Verb und als verwendet werden (Verb + als + Nominativ):

Sie arbeitet als Pilotin.
Er fing als Hilfsarbeiter an und ist nun Abteilungschef.
Du giltst als Spezialist
."
http://www.canoo.net/services/OnlineGrammar/Wort/Art…

Grüße
Pit

Hallo,
Ja, danke, ich finde natürlich auch beide Formen korrekt, fand die Korrektur (von der Person) nur unangebracht, weil unnötig. Und danke auch für das Beispiel, da „höre“ ich wirklich einen Unterschied heraus, während bei „(ein) Kind“ eigentlich kein Unterschied in der Bedeutung ist.

Allerdings könnte man in deinem 1. Satz auch „der“ einsetzen, und der Satz klingt ebenso richtig und hat keinen Bedeutungsunterschied dadurch erfahren.
Interessant… offenbar ist die artikellose Form manchmal bedeutungsgleich mit der Form mit unbestimmten Artikel, und manchmal mit der mit bestimmtem Artikel.

Mal sehen…

  • André

Hier ist sicher entscheidend, mit wem man sich als was vergleicht:

1.) Als ich ein Kind war, fiel mir die Umweltverschmutzung gar nicht auf.

2.) Als ich Kind war, erschien das Leben völlig unbeschwert.

Im zweiten Fall ist weniger das konkrete Alter gemeint (und die damit verbundenen kognitiven Fähigkeiten), sondern eher ein abstraktes Alter, ein „Kindsein“ in einem eher bildlichen Sinne.

Gruß aus Berlin, Gerd

Hallo Gerd,
Ich könnte in beiden Sätzen das „ein“ sagen oder weglassen und spüre keine Änderung in der Bedeutung. Der Vollständigkeit halber trotzdem mal der ganze Satz, um den es ging:

Als ich Kind war, musste ich jeden Tag Flöte üben.

Grüße,

  • André
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Ich könnte in beiden Sätzen das „ein“ sagen oder weglassen und
spüre keine Änderung in der Bedeutung.

Geht mir genauso.

M.

Ich könnte in beiden Sätzen das „ein“ sagen oder weglassen und
spüre keine Änderung in der Bedeutung.

Um eine konkrete Bedeutung geht es auch nicht. Es geht darum, ob es Menschen gibt, Adressaten, die einen Unterschied spüren - und wäre es nur in der Eleganz oder Präzision oder Atmosphäre, die die Wortwahl vermittelt.

Goethe zumindest dachte, seine Adressaten verspürten einen Unterschied, und ließ den unbestimmten Artikel weg im Faust:

„Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s seyn.

Der Vollständigkeit
halber trotzdem mal der ganze Satz, um den es ging:

Als ich Kind war, musste ich jeden Tag Flöte üben.

Das hätte ich auch korrigiert. Hier geht es um eine ganz konkrete Information. „Ein Kind sein“ kann man nur von 0 bis 13 Jahren. „Kind sein“ kann man immer.

„Ich war Kind“ heißt für mich „Ich war wie ein Kind“, oder „in der Rolle eines Kindes“. Oder „in der Funktion eines Kindes“.

A) Wenn man aussagen möchte, dass es (früher/generell) zur Rolle, zur Funktion eines Kindes gehört(e), zu gehorchen, zu üben, auch wenn man es nicht möchte, dann ist es zweckvoll zum Verständnis, den Artikel wegzulassen wie oben. Aber mit dieser Betonung: „Als ich Kind war, musste ich jeden Tag Flöte üben.“ (Kind als Rolle/Funktion oder „Beruf“ wie Klempner oder Professor, wie im Duden :wink:.)

B) Wenn man aber rein biografisch erzählen möchte, „damals, als ich ein Kind war, geschah dies und das“, gehört unbedingt ein „ein“ dazwischen, wenn man vermeiden möchte, dass manche Adressaten denken, „Ah, er spricht nun abstrakt über die Funktion/Rolle des Kindseins an sich!“

Ganz dumm läuft es, wenn man A) und B) derart grob mischt: „Als ich Kind war, marschierten die Russen ein. Es war in der Nacht zum 21. August 1968. Ich hörte zuerst …“

Gruß aus Berlin, Gerd

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Goethe zumindest dachte, seine Adressaten verspürten einen
Unterschied, und ließ den unbestimmten Artikel weg im Faust:

„Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s seyn.

Wie kommst du darauf, dass er das dachte? Was macht dich denken, dass für Goethe „Hier bin ich ein Mensch“ etwas anderes bedeutete? Es hieße sicher das gleiche, passt aber nicht so schön in die Metrik.

Ich kann das so im Nachhinein natürlich schlecht sagen, aber ich würde da auch den Artikel weglassen… nicht, weil ich einen Unterschied damit implizierte, sondern weil es für mich natürlicher klingt.

Der Vollständigkeit
halber trotzdem mal der ganze Satz, um den es ging:

Als ich Kind war, musste ich jeden Tag Flöte üben.

Das hätte ich auch korrigiert. Hier geht es um eine ganz
konkrete Information. „Ein Kind sein“ kann man nur von 0 bis
13 Jahren. „Kind sein“ kann man immer.

„Ich war Kind“ heißt für mich „Ich war wie ein Kind“, oder „in
der Rolle eines Kindes“. Oder „in der Funktion eines Kindes“.

Dann heißt für dich der obengenannte Satz also nicht, dass die erwähnte Chinesin Flöte spielen musste, als sie noch klein war, sondern… was genau?
Vielleicht ist es wirklich was regionales. Denn ich habe da ein anderes Sprachempfinde. Ich sehe/höre keinen Unterschied.

Wenn ich lange in mich hineinhorche, empfinde ich auch nur einen strukturellen Unterschied, etwa wie in:

Als ich Kind war = „als ich den Status ‚Kind‘ innehatte“
Als ich ein Kind war = „als ich ein als ‚Kind‘ bezeichnetes Wesen war“

Demnach fühlt sich ersteres für mich ganz geringfügig wie ein Adjektiv an, vllt. ist das aber nur interferenz durch den gleichbedeutenden Satz „als ich klein war“…
Das kommt aber alles semantisch gesehen auf exakt das gleiche raus.

A) Wenn man aussagen möchte, dass es (früher/generell) zur
Rolle, zur Funktion eines Kindes gehört(e), zu gehorchen, zu
üben, auch wenn man es nicht möchte, dann ist es zweckvoll zum
Verständnis, den Artikel wegzulassen wie oben. Aber mit dieser
Betonung: „Als ich Kind war, musste ich jeden Tag Flöte üben.“
(Kind als Rolle/Funktion oder „Beruf“ wie Klempner oder
Professor, wie im Duden :wink:.)

Ja… das kann ich da wie gesagt beim besten Willen nicht rauslesen oder -hören.

B) Wenn man aber rein biografisch erzählen möchte, „damals,
als ich ein Kind war, geschah dies und das“, gehört unbedingt
ein „ein“ dazwischen, wenn man vermeiden möchte, dass manche
Adressaten denken, „Ah, er spricht nun abstrakt über die
Funktion/Rolle des Kindseins an sich!“

Nein, das „unbedingt“ streite ab. Ich empfinde beide Sätze als passend, mit oder ohne Artikel, tendiere aber vom Gefühl in diesem oben genannten Satz für die Variante ohne… das wäre für mich die natürlichere Variante, ich würde sie aber niemandem aufdrücken wollen, der warum auch immer die Variante mit Artikel benutzen würde.
Also ich muss dir widersprechen, kann auch in den entsprechenden Dudenregeln so eine Interpretation nicht herauslesen.

Ganz dumm läuft es, wenn man A) und B) derart grob mischt:
„Als ich Kind war, marschierten die Russen ein. Es war in der
Nacht zum 21. August 1968. Ich hörte zuerst …“

Ja, hier würde ich vielleicht den Artikel verwenden. Aber dein Satz erscheint mir weder falsch noch besonders komisch. Das „Als ich Kind war“ hat leicht den Hauch von Habitualität, finde ich… eventuell beißt sich dein Beispiel, weil es klingt, als wären die Russen ständig eingewandert, als der Sprecher noch klein war, und nicht nur zufällig an einem Zeitpunkt in der Kindheit des Sprechers. Demnach passt bei dem Flötensatz die Variante ohne Artikel ja super, weil das Flötespielen ja eine habituelle Handlung ist.

Also irgendwie passt deine Auslegung nicht so ganz, in meinen Augen…

Gruß,

  • André
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Und wie schaut’s bei diesen Beispielen aus?

„Als ich ein Kind war, biss mich mal eine Eidechse.“

„Als ich Kind war, brauchte ich mir nie Sorgen zu machen.“

Könnte man nach deinem Gefühl hier die Satzteile austauschen?

Oder wird mit „ein“ nicht doch der Unterschied bezeichnet zwischen „Kind sein“ an sich und „(ein) Kind sein“ für sich? Also eben abstraktes Kindsein und konkretes Kindsein? Vgl. a. http://de.wikipedia.org/wiki/An_sich

Gruß aus Berlin, Gerd

„Als ich ein Kind war, biss mich mal eine Eidechse.“

„Als ich Kind war, brauchte ich mir nie Sorgen zu machen.“

Könnte man nach deinem Gefühl hier die Satzteile austauschen?

Bin zwar nicht Andre, aber: Ja das, ist für mich völlig austschbar.

Oder wird mit „ein“ nicht doch der Unterschied bezeichnet
zwischen „Kind sein“ an sich und „(ein) Kind sein“ für sich?

Nein. Das halte ich für absolut konstruiert.

Gruß,
Max

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„Als ich ein Kind war, biss mich mal eine Eidechse.“

„Als ich Kind war, brauchte ich mir nie Sorgen zu machen.“

Könnte man nach deinem Gefühl hier die Satzteile austauschen?

Bin zwar nicht Andre, aber: Ja das, ist für mich völlig
austschbar.

Aber ich. :smiley:

Und ja: auch austauschbar. Auch nach längerer Überlegung.

Oder wird mit „ein“ nicht doch der Unterschied bezeichnet
zwischen „Kind sein“ an sich und „(ein) Kind sein“ für sich?

Ich wüsste nicht, was es da für einen Unterschied geben sollte, außer einen leicht grammatischen. Semantisch ist das identisch.

Grüße,

  • André
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