Hallo
was für einen wahren Hintergrund hat dein Beitrag? Ganz
ehrlich: Ich verstehe ihn nicht als Frage nach konkreten
objektiv sinnvollen und richtigen Lösungsstrategieen für ein
potentiell dich mal betreffendes Probelm, sondern eher als
nicht sonderlich gut recherchierten Kommentar zu einem
allgemeinen gesellschaftlichen Problem.
Ich frage mich schon, ob es nicht Möglichkeiten gäbe, die Pflegeversicherung, für die man zwangsweise Beiträge zahlt, dazu zu bringen, auch für Demenzkranke die Pflege zu zahlen - ein entsprechender Fernsehbeitrag dazu hat mich arg verunsichert. Sollten nicht alle über 45 auf die Straße gehen und gegen diesen Quatsch demonstrieren? Oder kann man die Pflege einklagen?
Kurz, es gäbe ja vielleicht schon Möglichkeiten, auch welche, die mir gerade nicht einfallen. Deswegen fragt man doch andere, oder?
Und ja, das Thema Pflegeversicherung war damals eine
Geschichte wo wir als zwei Anwälte „gut zu tun“ hatten, um
eine passende Einstufung zu bekommen, und es wird auch erst
nach und nach besser. Aber es wird besser. Rom ist aber auch
nicht an einem Tag erbaut worden. Meine Frau leitet inzwischen
selbst einen Träger in der Altenhilfe, zu dem auch spezielle
Einrichtungen für die Betreuung von Demenzerkrankten gehören,
wir wissen also wovon wir reden.
Und woran Ihr verdient? Als Anwalt hat man es, wenn es um Versicherungen und Ansprüche geht sicher immer etwas leichter, als Nichtjuristen.
Meine Erfahrung zur Pflegeeinstufung heißt: stell Dich halbtot, dann hast Du eine gewisse Chance auf höchste Stufe. Nur sind die meisten alten Leute stolz auf das, was sie noch können, erzählen das auch, selbst wenn sie es nur manchmal können und dann ist Pustekuchen mit angemessener Pflegestufe. Demenzkranke sind da ein ganz eigenes Problem.
Geld ist natürlich immer ein Thema, und insoweit kein
spezifisches Demenz-Thema. Und da verstehe ich ganz ehrlich
gesagt weder Dich, noch diverse Mandanten, die sich das ganze
Arbeitsleben lang krumm gelegt haben, um dann im Falle des
Pflegebedarfs die schlechtsmöglichste Versorgung möglichst zu
Lasten des Sozialhilfeträgers in Anspruch zu nehmen,–
Hoppla, es geht nicht um Sozialhilfe, es geht um einen Versicherungsanspruch, der nicht gewährt wird.
Mach bitte aus Versicherten keine Sozialhilfeempfänger!
statt
sich selbst die letzten Jahre noch mit dem selbst erarbeiteten
Geld so schön wie möglich zu machen. Ja, für die Kriegs- und
erste Nachkriegsgeneration war es alles andere als einfach,
und wäre es sicher einfacher gewesen, wenn da große Erbmassen
im Spiel gewesen wären. Aber ganz ehrlich: Wer sich heute auf
den Hosenboden setzt und nicht ganz auf den Kopf gefallen ist,
der schafft es auch ohne großes Erbe zum eigenen kleinen
Häuschen. In der Abwägung der Not pflegebedürftiger Eltern
gegenüber dem Finanzbedarf durchschnittlicher Kinder sollte
die Entscheidung eigentlich klar sein!
Die letzten, ev. dementen Jahre schön machen? Mach mal.
Sorry, aber da wäre es mir schon wichtiger, dass es meinen Kindern und Enkeln gut geht. Ich will doch denen nicht auf der Tasche liegen und die Pflegeversicherung zahlt nur, was sie unbedingt muss. Eine Zusatzversicherung kann ich mir nicht leisten, sehe auch keinen Sinn darin. Pflegeheime kosten locker 1500 bis 2500 Euro pro Monat - das ist mehr, als die meisten Menschen verdienen.
Pflegende Angehörige bekommen diesen Satz natürlich nicht.
:
Und dann immer wieder diese Halbwahrheiten über
Patientenverfügungen:
Sorry, aber ich habe von den Dingern
massenhaft gemacht, halte immer noch nebenbei den ein oder
anderen Vortrag zu dem Thema, und bin da nun wirklich auf dem
Laufenden: Ja, es gibt immer noch vereinzelt Ärzte, die sich
vor Jahren letztmalig auf den juristischen Stand der Dinge
gebracht haben, und es gibt gelegentlich auch noch mal Streit
über die Durchsetzung. Aber erstens sind das inzwischen
wirklich aussterbende Dinosaurier und nur noch Einzelfälle.
Und spätestens seit die Verbindlichkeit gesetzlich gereget ist
(§ 1901a BGB) sind die Gerichte da auch endlich vernünftig mit
im Boot. Und wenn ein Arzt dann meint trotzdem noch
querschießen zu müssen, dann geht man eben zu Gericht. Dafür
sind die schließlich in allen Lebenslagen da.
ja, sorry. Mein Schwipp-Onkel ist vor vier Jahren daran gescheitert (er war Amtsrichter, wird das also rechtlich so gut wie möglich gemacht haben).
Nach seinem Schlaganfall wäre lt. seiner Verfügung keine künstliche Ernährung oder Lebenserhaltung erlaubt gewesen.
Die Angehörigen waren nach drei Tagen Krankenwache mal eine Nacht nicht da und zapp war er an lebenserhaltende Systeme angeschlossen.
Und das wieder Abschalten ist dann eine ganz eigene Sache.
Letzlich ist der Schwipp-Onkel ein halbes Jahr dahinvegetiert trotz bester Patientenverfügung. Und fang mal in so einer Situation einen Prozess an - man hat da 1. andere Sorgen und 2. so ein Prozess dauert ev. länger, als das Sterben.
Und auch wenn das jetzt alles schon entsetzlich lang geworden
ist,
Joh!
noch ein Aspekt, der mir bei Dir total fehlt: Du sieht
Pflege als etwas für beide Seiten rein Negatives. Ja, Pflege
ist belastend, es gibt Menschen, die nicht in der Lage sind
notwendige Grenzen zu ihrem eigenen und dem Wohl ihrer Kinder
zu ziehen, und Familien, die an Pflegesituationen zerbrechen.
Ich erlebe aber auch regelmäßig die Fälle, in denen die
letzten Lebensjahre von allen Beteiligten unter dem Strich als
sehr wertvoll und im positiven Sinne prägend und
persönlichkeitsbildend empfunden wurden.
Also dass die lange Pflege eines Angehörigen den Pflegenden prägt kann ich mir vorstellen - positiv stelle ich mir das allerdings nicht vor. Persönlichkeitsbildung ist etwas, das überwiegend vor dem 25ten Lebensjahr stattfindet, danach können nur noch extreme Situationen etwas ändern. Ich kann mir vorstellen, dass jahrelange Pflege einen Angehörigen extrem ist, dass die daraus folgende Persönlichkeitsänderung für den Betroffenen sonderlich vorteilhaft ist, bezweifle ich.
Kann mich an ein kurzes Interview mit einer sehr alten, sehr hinfälligen Pflegeheimbewohnerin erinnern, die meinte, sie hätte nicht geglaubt, das der Herr´ ihr das Sterben so lang und schwer macht - und das war eindeutig ein Vorwurf an den
Herrn´.
Gerade im Umgang mit
Menschen, die von Demenz betroffen sind, spielt die emotionale
Ebene eine enorme Rolle, und auf dieser Ebene kann aus so
einer Situation für alle Beteiligten enorm viel erwachsen.
Was konkret? Und wie, wenn man außerdem noch kleine Kinder hat, die Aufmerksamkeit genug fordern?
Du arbeitest als Anwalt, da hast Du sicherlich keine Zeit, Angehörige zu pflegen. Würdest Du deinen Beruf aufgeben, um deine demente Mutter/Vater zu pflegen? Wenn ja, wie lange? Und wie toll wäre das für dich? Und wie würdest Du derweil euer Leben finanzieren?
Sorry, aber ich habe einige Bekannte, die in der Situation sind, demnächst Pflegemöglichkeiten für ihre Eltern organisieren zu müssen. Keiner redet von emotionalem Gewinn, alle sind völlig down, wenn sie von `Zuhause´ kommen und die meisten schwanken zwischen Schuldgefühlen und Überforderung hin und her.
Das ist nicht so rosig wie in ZDF-Vorabendfilmchen.
Ev. sollte man auch mal bedenken, dass die Leute, die Du als Anwalt zu sehen bekommst, eher die mit mehr Geld und mehr Möglichkeiten sind, deine Klienten daher statistisch alles andere als relevant sind.
Meine Bekannten und Kunden sind überwiegend Gering- und Normalverdiener, größtenteils mit Kindern, auch HartzIV-Bezieher sind dabei.
Das spiegelt m.E. recht gut die Mehrheit der Bevölkerung. Außer einem, der mal Mittelstadtbürgermeister war, kann sich keiner meiner akademisch ausgebildeten Bekannten leisten, beide Elternteile in Pflegeheimen unter zu bringen.
Ein totkrankes Haustier schläfert man ein, um es nicht leiden zu lassen - das ist moralisch gefordert.
Ich, als Mensch, kann ein solch menschlich moralisches Vorgehen nicht einfordern, nicht einmal, wenn ich als Todeskandidat es selbst verlange (was die Haustiere ja nicht können).
Kurz, meine Katze hats besser als ich.
Gruß vom Paran