Altarschreine, Bedeutung für Lithurgie heute

Hallo Community,

inwieweit haben heute Altarschreine Bedeutung in der ev. Lithurgie. Stehen sie nur noch so rum im Gegensatz zu früher? Gibt es eine übergeordnete Bedeutung oder erschließt sich der Altarschrein nur über die bibl. Darstellung im Bild? Was ist mit der Architektur des Schreins, die gehört auch dazu, hat die noch eine eigene Bedeutung? Als Gesamtkunstwerk mit der übrigen Möblierung ist es mir klar.

Der Altartisch ist mir auch klar, aber der Schrein, nur schmückendes Beiwerk oder doch mehr?

Vielen Dank im voraus.

Grüße Malvenblüte

Sie haben absolut keine Bedeutung.
In katholischen Zeiten, aus denen diese Schreine überkommen sind (Wenn sie denn überkommen sind!), dienten sie ja zur Aufbewahrung von Reliquien.
Seit der Reformation sind aber die Reliquien und mithin auch die Altarschreine obsolet.

Gruß - Rolf

Also nur schmückendes Beiwerk. Schon erstaunlich, dass sie in evangelischen Kirchen überhaupt vorkommen. Ich meine jetzt nicht abschließbare Schreine für Reliquien, sondern Altäre mit Bildern, Heiligenfiguren etc. Die stehen doch massenhaft in ev. Kirchen rum.

Grüße Malvenblüte

Hallo Malvenblüte,

dann hast Du einen anderen Begriff von „Altarschrein“ als ich.
Natürlich stehen in evangelischen Kirchen teilweise große und prachtvolle Altäre, die aus der katholischen Zeit überkommen sind.

Sie sind in der evangelischen Kirche aber nur Kunstwerke, Mittel, die die Majestät Gottes, den Gang der „Heilsgeschichte“ illustrieren und erzählen sollen.
Zudem sind sie Erinnerung an den Glauben der Vorfahren, ohne die unser Glaube und unsere Kirchen nicht möglich wären.

Ich hatte unter „Altarschrein“ - wie es in der Kunstgeschichte definiert ist - einen Kasten am oder im Altar verstanden, der zur Aufbewahrung von Reliquien diente.

Gruß - Rolf

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Heiligenbilder, Bilderverbot, Bilderschmuck ev.
Servus,

wenn Du Dir mal Kirchen anschaust, die nicht anlässlich der Reformation die Konfession gewechselt haben, sondern als evangelische Kirchen gebaut und eingerichtet worden sind, wirst Du dieses hier:

Altäre mit Bildern, Heiligenfiguren etc. Die stehen doch massenhaft in
ev. Kirchen rum.

durchaus relativieren müssen.

Besonders eindrucksvoll in diesem Zusammenhang sind die schmuckreichen lutherischen Kirchenbauten aus dem Spätbarock/Rokoko, in denen Du zwar eine der Bauzeit entsprechende prächtige Innenausstattung, aber eben nicht „massenhaft Heiligenfiguren“, sondern keine einzige davon finden wirst, und wo der Altar als einfache Mensa ausgeführt ist, die eine Etage höher von einer prächtigen Kanzel gekrönt wird. Hier ist ein typischer Kanzelaltar aus der Bergkirche in Oybin; der untere Teil der Altarkanzel ist durch einen Leuchter verdeckt, aber man kann deutlich erkennen, dass da über dem Altar kein Bild und keine Skulptur von wemauchimmer ist:

http://www.fotocommunity.de/pc/pc/display/26254656

Interessant sind hier auch die schönen gotischen Kirchen in der Schweiz, die vor dem Hintergrund des zwinglianischen Bilderverbots von jedem Bilderschmuck geräumt und im Innenraum weiß gekalkt sind, und wo man im Chorraum keinen „klassischen“ Hochaltar mehr findet, nicht einmal ein Kruzifix, sondern bloß einen einfachen Holz- oder Steintisch, auf dem die Heilige Schrift aufgeschlagen mit dem Text zur aktuellen Woche liegt.

Auch bei Calvinisten findet man unterschiedliche Ausprägungen des Bilderverbotes; bloß in den ev.-lutherischen Kirchen, wo die Form der Messe und auch das Konzept der „Schönheit der Messe“ beibehalten wurde, spielt Bilderschmuck eine unangefochten bedeutende Rolle; man achtet dort allerdings schon auch darauf, dass Bilder oder Reliquien nicht im Gebet oder mit Geld- und Kerzenopfern verehrt werden.

Zurück zu Deiner eigentlichen Frage, den Umgang mit dem Altar (nicht: dem Altarschrein - den gibt es in evangelischen Kirchen bloß noch dort, wo er baulich schon vorhanden war, als sie evangelisch wurden): Da ist die ev. Landeskirche in Württemberg, die als eine Art Kompromissform zwischen Lutheranern und Zwinglianern gegründet wurde, ein anschauliches Exempel für die evangelische Auffassung von der persönlichen und letztlich individuellen Verantwortung der Christen: Es gibt da in ein und derselben Kirche Pfarrer, die dem Altar mit dezidierter Ehrerbietung begegnen, streng darauf achten, dass sie ihm nicht den Rücken kehren, ihn mit gebeugtem Knie und gesenktem Kopf begrüßen etc., und andere, die ihn überhaupt nur beim Abendmahl in den Gottesdienst einbeziehen und in Gottesdiensten ohne Abendmahl alle Bewegungen auf die Kanzel als Ort der Verkündigung des Wortes konzentrieren und dem Altar eben als einem Einrichtungsgegenstand wie den Stühlen oder Bänken usw. begegnen.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

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Sie sind in der evangelischen Kirche aber nur Kunstwerke,
Mittel, die die Majestät Gottes, den Gang der
„Heilsgeschichte“ illustrieren und erzählen sollen.

Aus genau dieser Funktion heraus sind sie für viele (v.a. lutherische) Protestanten dann eben doch mehr als nur „Kunstwerke“. Oftmals wird der Altar als symbolischer Ort der Gegenwart Gottes wahrgenommen. Das zeigt sich dann z.B. in der Drehung des Pfarrers/der Pfarrerin hin zum Altar, wenn er oder sie mit der Gemeinde vor Gott steht (also z.B. bei Gebeten oder Liedern - in Abgrenzung zur katholischen Haltung des Priesters als stetes Gegenüber der Gemeinde), oder in der Verbeugung vor dem Altar. Vor einem bloßen Kunstwerk würde sich ein Protestant kaum verbeugen. Vor Gott hingegen schon.

Martinus

Es gibt zwei Gründe, warum solche Einrichtungsgegenstände in evangelischen Kirchen zu finden sind: Häufig sind sie noch aus der Zeit vor der Reformation übrig geblieben. So waren z.B. die Nürnberger Patrizier so stolz auf ihre prachtvollen Bürgerdome St Lorenz und St Sebald, daß es dort keine Bilderstürme gab und bis heute Marienleuchter, Englischer Gruß (ein riesiger Rosenkranz), Beichtstühle, Seitenaltäre u.s.w. dort zu sehen sind.

Vielerorts wurden aber - wie schon erwähnt - auch nach der Reformation Kirchen bewußt geschmückt. Dann hatten die Figuren und Bilder allerdings nur lehrenden Charakter. Evangelistensymbole bzw. -bilder oder die Taube an einer Kanzel erinnern an die Herkunft des Evangeliums und den Heiligen Geist, Apostelbilder erinnern an die Jünger Jesu, Statuen oder Bilder an den Heiligen, dem die Kirche geweiht ist… Diese Funktion haben auch Altarbilder, die z.B. biblische oder historische Szenen zeigen.

Die absolute Ablehnung der Bilder, wie sie im reformierten Protestantismus üblich ist, hat sich bei den Lutheranern nicht durchgesetzt. Der überaus bilderreiche Stil des Barock war allerdings, Gegenextrem, ein typisch katholischer Baustil nach der Reformation und ist daher auch nur selten in evangelischen Kirchen zu finden.

Martinus