Heiligenbilder, Bilderverbot, Bilderschmuck ev.
Servus,
wenn Du Dir mal Kirchen anschaust, die nicht anlässlich der Reformation die Konfession gewechselt haben, sondern als evangelische Kirchen gebaut und eingerichtet worden sind, wirst Du dieses hier:
Altäre mit Bildern, Heiligenfiguren etc. Die stehen doch massenhaft in
ev. Kirchen rum.
durchaus relativieren müssen.
Besonders eindrucksvoll in diesem Zusammenhang sind die schmuckreichen lutherischen Kirchenbauten aus dem Spätbarock/Rokoko, in denen Du zwar eine der Bauzeit entsprechende prächtige Innenausstattung, aber eben nicht „massenhaft Heiligenfiguren“, sondern keine einzige davon finden wirst, und wo der Altar als einfache Mensa ausgeführt ist, die eine Etage höher von einer prächtigen Kanzel gekrönt wird. Hier ist ein typischer Kanzelaltar aus der Bergkirche in Oybin; der untere Teil der Altarkanzel ist durch einen Leuchter verdeckt, aber man kann deutlich erkennen, dass da über dem Altar kein Bild und keine Skulptur von wemauchimmer ist:
http://www.fotocommunity.de/pc/pc/display/26254656
Interessant sind hier auch die schönen gotischen Kirchen in der Schweiz, die vor dem Hintergrund des zwinglianischen Bilderverbots von jedem Bilderschmuck geräumt und im Innenraum weiß gekalkt sind, und wo man im Chorraum keinen „klassischen“ Hochaltar mehr findet, nicht einmal ein Kruzifix, sondern bloß einen einfachen Holz- oder Steintisch, auf dem die Heilige Schrift aufgeschlagen mit dem Text zur aktuellen Woche liegt.
Auch bei Calvinisten findet man unterschiedliche Ausprägungen des Bilderverbotes; bloß in den ev.-lutherischen Kirchen, wo die Form der Messe und auch das Konzept der „Schönheit der Messe“ beibehalten wurde, spielt Bilderschmuck eine unangefochten bedeutende Rolle; man achtet dort allerdings schon auch darauf, dass Bilder oder Reliquien nicht im Gebet oder mit Geld- und Kerzenopfern verehrt werden.
Zurück zu Deiner eigentlichen Frage, den Umgang mit dem Altar (nicht: dem Altarschrein - den gibt es in evangelischen Kirchen bloß noch dort, wo er baulich schon vorhanden war, als sie evangelisch wurden): Da ist die ev. Landeskirche in Württemberg, die als eine Art Kompromissform zwischen Lutheranern und Zwinglianern gegründet wurde, ein anschauliches Exempel für die evangelische Auffassung von der persönlichen und letztlich individuellen Verantwortung der Christen: Es gibt da in ein und derselben Kirche Pfarrer, die dem Altar mit dezidierter Ehrerbietung begegnen, streng darauf achten, dass sie ihm nicht den Rücken kehren, ihn mit gebeugtem Knie und gesenktem Kopf begrüßen etc., und andere, die ihn überhaupt nur beim Abendmahl in den Gottesdienst einbeziehen und in Gottesdiensten ohne Abendmahl alle Bewegungen auf die Kanzel als Ort der Verkündigung des Wortes konzentrieren und dem Altar eben als einem Einrichtungsgegenstand wie den Stühlen oder Bänken usw. begegnen.
Schöne Grüße
Dä Blumepeder