Alte Sprachen

Hallo Wissende,

altsprachliche oder humanistische Gymnasien sind dadurch gekennzeichnet, dass an ihnen Latein und Altgriechisch gelehrt wird.

Latein, ok - verstehe ich: als Grundlage für das Studium romanischer Sprachen. Aber zu was ist später im Leben Altgriechisch gut?

Danke für Eure Informationen.

Wolfgang D.

Hallo Wolfgang,

der Unterricht in alten Sprachen ist nicht mehr, als er vorgibt zu sein. Es geht tatsächlich nur um das Erlernen alter Sprachen - und das Latein einem dabei hilft, (weitere) romanische Sprachen zu erlernen, ist nichts als ein positiver Nebeneffekt.
Das primäre Ziel eines humanistischen Gymnasiums ist die Schulung des rationellen Denkens. (Deswegen auch „humanistisch“, im Gegensatz z.B. zu Klosterschulen, wo die Erziehung auf der irrationalen Grundlage des Glaubens aufgebaut war.) Dafür ist tatsächlich nur die Bildung als solche brauchbar, nicht das Erlernen irgendwelchen Wissens mit Lebensbezug. Juristen, z.B., werden schließlich auch nicht durch die Schule auf ihren Studieninhalt, auf ihre Berufsausbildung vorbereitet, und warum sollte dies dann für andere Berufsgruppen geschehen?
Doch selbst wenn man dieses Ideal der „Bildung um der Bildung willen“ nicht anstrebt, kann man doch einsehen, dass gerade alte Sprachen mit ihrer reichen Morphologie, konsequent angewandten Kongruenz und Consecutia Temporum dazu in der Lage sind, das logische Denken zu Schulen. In nicht-humanistischen Gymnasien lastet dieses Erziehungsziel hauptsächlich auf dem Mathematikunterricht (den man zumindest in der Oberstufe ebenso hinterfragen könnte wie alte Sprachen - denn welche Berufsgruppen müssen schon mit Winkelfunktionen umgehen können?).

Liebe Grüße
Immo

Hi

Neben den zutreffenden Punkten, die Vokietis schon nannte - logisches Denke und ein Grundverständnis von Sprachen, das beim erlernen anderer Sprachen hilft - gibt es ja dann doch Richtungen, die damit was anfangen können.

Allerdings sind das seltenst Ausbildungsjobs. Es war aber auch nie gedacht, dass Leute nach dem Abitur ne Ausbildung anstelle eines Studiums machen…

Altgriechisch ist eine gute Vorbereitung auf jedes philologische Studium, weil es mit Sprachstrukturen und Entwicklung bekannt macht. Dies hilft auch, wenn man sich für Linguistik interessiert.

Ferner sind manche interessanten Dokumente auf Altgriechisch geschrieben und manche Wissenschaftler meinen ja auch besonders toll zu sein wenn sie so viele Fremdsprachen wie möglich in einem Text anbringen (ich habe im Fremdsprachenbrett mal einen Text von Albrecht Alt eingestellt, der auf einer Seite neben Deutsch auch Latein, Griechisch und Hebräisch in Originalschrift verwendete und davon ausging, dass man das lesen können müsse…)

Der Verzicht auf Fremdsprachen ist halt noch nicht so alt, alles was älter ist als '45 ist für gewöhnlich noch gut lateinisch-griechisch durchsetzt, sowohl naturwissenschaftliche wie geisteswissenschaftliche, deutsche wie englische Texte.

Besonders geeignet ist es natürlich für theologische Studien, Latein ist nämlich nur für Katholiken (Vulgata) und Rominteressierte zu brauchen. Die interessanten alten Bibelausgaben sind auf Griechisch (Septuaginta z.B.). Auch viele andere Texte des Altertums aus und über Persie, Ägypten etc. sind auf Griechisch.
Griechisch war auch einst Lingua Franca, ehe Latein es ablöste. Da gibt es sogar einen Spruch auf Latein, der ungefähr so geht: „Das ist Griechisch - das les ich nicht!“ er entstand zu der Zeit wo viele Quellen auf Griechisch vorhanden waren, aber die lateinischen bevorzugt wurden und ab da nahm die Kenntnis von Altgriechisch leiderauch ab.

Schlussendlich kann es auch einfach helfen, mehr noch als Latein, sich manche Termini herzuleiten :smile:

lg
Kate

Griechisch war auch einst Lingua Franca, ehe Latein es
ablöste. Da gibt es sogar einen Spruch auf Latein, der
ungefähr so geht: „Das ist Griechisch - das les ich nicht!“

Hi,

Kate!

Wenn du bei Wikipedia suchst nach dem Ausspruch
„Graeca non leguntur“,
dann findest du interessante Infos, auch zu der Ablösung des Griechischen durch das Lateinische. Cicero z. B. beklagte sich noch, dass Allewelt Griechisch spricht, Latein aber nur in einem Winkel der Welt verstanden wird. (Das Zitat ebenfalls dort.)
Hannes

Hi

Danke dir vielmals, mir war der Satz entfallen, Latein kann ich leider nicht ^^

lg
Kate

Hi, Kate,
noch einen Grund möchte ich pro Latein und Griechisch anführen:
Bis heute, mehr als 50 Jahre später, zehre ich von der Kenntnis griechischer und römischer Sagen, geschichtlicher Ereignisse und wunderbarer Literatur, die ich ohne es zu ahnen damals mit den Vokabeln und Grammatikregeln so ganz nebenbei einsog.

Auch wenn ich es damals nicht einsah, was mir das „alte Zeug“ sollte - heute betrachte ich es als Schatz und Gewinn und bin meinen damaligen Lehrern unendlich dankbar.

Gruß
Eckard

Ich dank Euch allen für die guten Antworten.

In Griechnland bedauere ich immer wieder, dass ich mit meinen Kenntnissen des Neugriechisch die alten Tempelinschriften zwar Lesen aber nicht verstehen kann. Bloß deswegen Altgriechisch zu lernen käme mir eigentlich niht in den Sinn. Daher wunderte ich mich, zu welchem Zweck diese Sprache auf manchen Gymnasien gelhr wird. Nun ist mir auch dieses klar!

Danke

Wolfgan D.

Hallo!
Da muss ich doch auch für Latein eine Lanze brechen:
Wenn ich als Jurist nicht nur Rechtsanwender sein will, sondern mich mit rechtshistorischen und rechtsphilosophischen Fragen beschäftige, komme ich am Römischen Recht nicht vorbei. Da dieses sehr formalistisch ist und der Sprache als juristisches Werkzeug einen hohen Stellenwert einräumt, wäre das Verständnis des Römischen Rechts m.E. ohne Kenntnisse der lateinischen Sprache nur eingeschränkt möglich.
Grüße, Peter

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Hallo,

Es geht tatsächlich nur um das Erlernen alter
Sprachen - und das Latein einem dabei hilft, (weitere)
romanische Sprachen zu erlernen, ist nichts als ein positiver
Nebeneffekt.

Das hört man sehr oft und wenn man mal nachfragt, dann wird immer wieder bestätigt, dass es so sei. Das versteht sich doch von selbst, … .

Gibt es eine Studie, die belegt, dass Leute die Latein hatten eine romanische Sprache leichter erlernen als Leute, die zuvor kein Latein hatten? Eine solche Studie wäre leicht durchzuführen.

Gibt es diese Studie oder gibt es die nicht, und wenn es sie gibt, was ist das Ergebnis?

Und wenn es diese Studie nicht gibt, warum gibt es sie dann nicht?

Fragend
MK

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Guten Abend.

altsprachliche oder humanistische Gymnasien sind dadurch
gekennzeichnet, dass an ihnen Latein und Altgriechisch gelehrt wird.

Und daß das stofflich und zeitlich zuungunsten der anderen Fächer arrangiert ist. Das humanistische Gymnasium ist das Extrembeispiel, weil nahezu alle sonstigen Fächer reduziert sind.
Humboldts Bildungsideal ist in dieser Hinsicht der reinste Anachronismus. Anarchronismus ist ein feiner Gräzismus. :smile:

Latein - verstehe ich: als Grundlage für das Studium romanischer Sprachen.

Unsinn. Das sind Parolen der Lateinlehrerlobby.

Romanische Sprachen werden am besten gelernt in Lehrveranstaltungen für romanische Sprachen, und keinesfalls über den Umweg Latein. Daß sich die Leute nicht selber zu lächerlich vorkommen, wenn sie sich einbilden oder behaupten, ein Schüler würde „über das Latein herleiten“, „linguistische Synergieeffekte erleben“ oder, oder, oder.
Hanebüchener Unfug, der regelrecht als Kulturkampf gegen die Lateinskeptiker geführt wird.

Sogar eine aktuelle Studie über die Korrelation des muttersprachlichen Könnens zu Latein wurde grob falsch ausgelegt. Die Studie zeigte, daß Schüler leicht bessere Leistungen in Deutsch zeigen, wenn sie Latein als Fremdsprache besuchen. Die Schlußfolgerung war: Latein nimmt positiv Einfluß auf Grammatikverständis, Lesenkönnen etc., was freilich völliger Unsinn ist. Ein Blick auf den Deutschunterricht heutzutage zeigt das wahre Problem: Der Deutschunterricht ist schlecht. Er ist so schlecht, daß das verklärte Lateinpauken einige Lücken im Verständnis für das „System Sprache“ schließen kann, obgleich Latein mit keiner besonderer sprachlicher Logik glänzen kann.

Bei genauer Betrachtung ist kein einziges der „Argumente“ haltbar, die typischerweise zur Rechtfertigung des Lateinischen an den Gymnasien geblökt werden.

Aber zu was ist später im Leben Altgriechisch gut?

Altgriechisch war die „Weltsprache“ vor Latein. Und viele, viele medizinische Termini kommen aus dem Griechischen, nicht, wie oft im Äther geistert, aus dem Lateinischen.
Trotzdem ist der altsprachliche Zweig eher das Verharren auf bildungspolitischer Tradition (des Mittelalters und der Periode der Reaktion!) denn fachliches Argument.

Viele Grüße :smile:

.

nolo acerbam sumere
Fame coacta vulpes alta in vinea
uvam adpetebat, summis saliens viribus.
Quam tangere ut non potuit, discedens ait:
„Nondum matura es; nolo acerbam sumere.“
Qui, facere quae non possunt, verbis elevant,
adscribere hoc debebunt exemplum sibi.

Valete!
Eckard

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es ist ein überbeibsel des Neuhumanismus mitte des 18. Jhr… Die Kultur der antiken Griechen und der Römer wurden als ideal empfunden. man lehrte ihre sprachen um somit die texte lesen zu können, in denen die kultur überliefert wurde. Griechisch oder latein zu lernen ist also nur Mittel zum Zweck…
Warum es allerdings heute noch so ist, kann ich mir auch nciht erklären. Andere Fächer sind einfach wichtiger. Vllt. wurde es ja noch nicht bemerkt^^

Salve Eckard,
ein Sternchen von mir
Orchidee
(mit Mathestudium und (studienvorschiftenmäßig quasi unbenutztem) Großem Latinum …)

Fame coacta vulpes alta in vinea
uvam adpetebat, summis saliens viribus.
Quam tangere ut non potuit, discedens ait:
„Nondum matura es; nolo acerbam sumere.“
Qui, facere quae non possunt, verbis elevant,
adscribere hoc debebunt exemplum sibi.

stella praemiae dare obligata est

salve

P.S. Latein frei aus dem Gedächnis. Korrekturen sind willkommen :smile:

Gesundheit! owT
.

2 Like

.

Si tacuisses, philosophus mansisses.

Ich finde Latein schon allein der Zitate wegen geil :smile:

Gruss, Marco

Petri Alexandri fabula germanica de modestia
Tach,

"Frau Enterich weihte am grünenden Rain
Ihr jüngstes in alle Geheimnisse ein,
Sie sagte, das Schönste zu fressen, das unsereins hat,
Das ist der Salat.

Das Entelein lauschte und staunte gar sehr,
Es blinzelte frech in der Gegend umher,
Da sah es die süßesten und herrlichsten Kirschen am Baum.
„Mama, pflück’ sie für mich“, so bat es kläglich
„Mein Kind,“ sagt die Mama, „das ist unmöglich“

Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere,
Nur weil die Bäume hoch sind und diese Tiere groß sind,
Die süßesten Früchte schmecken Dir und mir genauso,
Doch weil wir beide klein sind, erreichen wir sie nie."
http://www.golyr.de/peter-alexander-leila-negra/song…

Un jetz mit Músick:
http://www.youtube.com/watch?v=pPCLuCR0vA0

Bitte, nicht schlagen!
Pit

Hallo Wolfgang,

Aber zu was ist später im Leben Altgriechisch gut?

neben dem Plädoyer für die Allgemeinbildung, der ich auch das Wort reden möchte (nicht zu früh dem Wort „Bildung“ die Zwangsvorsilbe „Aus“ voransetzen) möchte ich noch eine interessante Beobachtung hinzufügen:

Meine Tochter hat Biologie (und Chemie) studiert. Dies sei doch wahrhaftig ein Zukunftsfach, kann man vielerorts lesen. Nun wimmeln die biologischen Fachausdrücke von lateinisch-/griechischen Kunstwörtern. Wo andere mühselig auswendig lernen mussten, meinte meine Tochter oft: „Klar, das muss so heißen.“ Die anderen haben das regelmäßig nicht verstanden.

Aber meine Tochter hatte auch Glück, dass sie im Griechisch-LK an der Schule einen wirklich engagierten Altphilologen hatte, der der Klasse mehr als nur die Sprache nahegebracht hat.

Gruß, Karin

Hallo MK,

Gibt es eine Studie, die belegt, dass Leute die Latein hatten
eine romanische Sprache leichter erlernen als Leute, die zuvor
kein Latein hatten? Eine solche Studie wäre leicht
durchzuführen.

Ich kenne keine solche Studie. Sie wäre aber auch nicht so leicht durchzuführen. Zunächst hast Du nämlich das Grundproblem, definieren zu müssen, was es heißt, eine Sprache leicht zu erlernen.

Heißt das, der Schüler merkt sich mehr Vokabeln pro Tag? Macht weniger Rechtschreibfehler? Weniger Grammatikfehler? Benutzt weniger Germanismen? u.s.w. u.s.f.

Dann musst Du noch andere Einflüsse auf den Fremdspracherwerb ausschließen. Du kannst z.B. nur dann eine sinnvolle Aussage machen, wenn die betreffende romanische Sprache bei Lateinkennern und Lateinlaien von demselben Lehrer unterrichtet wird.

Das alles ist jedoch noch mit einigermaßen geringem Aufwand machbar. Doch das Hauptproblem ist: Wäre solch eine Studie valide? Mäße sie wirklich den Einfluss der lateinischen Sprache auf den Fremdspracherwerb, oder bestünde der Einfluss in der Schulung des logischen Denkens (welches einem dann verbietet, „equal goes it loose“ zu übersetzen)? Dazu könnte man die Leichtigkeit des Erwerbs anderer als romanischer Sprachen zum Vergleich heranziehen, am besten nicht-indoeuropäischer Sprachen. Doch dann tut sich wieder das Problem weiterer Einflüsse, z.B. durch die Qualität der Lehrkraft, auf.

Kurz und gut: Konzipiere eine valide Studie zum Thema, dann wird sich schon jemand finden, der diese durchführt. Aber stell es Dir nicht zu einfach vor.

Liebe Grüße
Immo