Alzheimer

Liebe/-r Experte/-in,
meine Mutter ist 86 und körperlich noch recht fit,lebt aber seit 1/2 Jahr mit Demenz im Heim, seit 4 Wochen sogar in der geschlossenen Abteilung. Nun sagte man mir, dass es nicht besonders hilfreich ist, ihr einen Ortswechsel zuzumuten,sondern man soll sich lieber mit ihr auf dem recht großen Areal aufhalten und dort mit ihr und spazieren gehen.
Mein Bruder ist aber der Meinung, dass es besser ist, er nimmt sie mit dem Auto mit und fährt mit ihr in die Umgebung, um dort im Wald o.ä. zu laufen und ihr auch anderes zu bieten als das Heim.
Ich habe leider die Erfahrung gemacht, dass sie ein rascher Umgebungswechsel beim Autofahren eher überfordert.
Welche Lösung ist besser und vor allem hilfreich für sie?
Besten Dank für Ihre Antwort
MfG Ursula Pohl

hallo Ursula,
es kommt natürlich auf den grad der demenz an, eine „stabile“ umgebung ist aber vorzuziehen. Man muss und kann davon ausgehen, dass menschen mit demenz zuerst das kurzgedächtnis verlieren, krass gesagt, ist ab einem bestimmten zeitpunkt das morgentliche aufstehen immer wieder ein neues erlebnis…

Ich würde mich ihr auf dem gelände des heimes widmen, dort ist sie nicht überfordert, schnelle ortswechsel sind nicht gut…
Alte leute lieben es z.b. familienalben anzuschauen, da sind die menschen noch so, wie man sie in der (langzeit=von früher) erinnerung hat…

gruß

georg

Hallo,

aus der Ferne schlecht zu beurteilen…generell kann ich mir schon vorstellen, daß ein dementer Mensch damit überfordert ist, aber das kommt natürlich auf den Einzelfall an. Wenn Sie Ihre Mutter durch Ortswechsel jedoch schon überfordert erlebt haben, dann würde ich auch eher abraten, es sei denn es wären Fahrten an Orte ihrer Vergangenheit (also wirklich Jahrzehnte zurück), die sie eventuell wiedererkennt? Mit denen Sie gemeinsame Erinnerungen verbinden?

Viele Grüße und alles Gute,
katzeolivia

Liebe Ursula !

Es macht sicher keinen Sinn etwas „Besonderes“ zu unternehmen - zumal wenn Ihre Mutter sich nicht wohl fühlt, unsicher ist. Oft werden Alzheimerkranke sehr ängstlich weil sie nicht verstehen was passiert. Kümmern Sie sich um sie ! Das ist wichtig. Ein Spaziergang - auch wenn es immer derselbe ist - Musik hören, einfach da sein. Keine Überforderungen.

Alles Gute und herzliche Grüsse, Peter Saborowsky

Liebe Frau Pohl - erst einmal möchte ich ihnen sagen, daß ich keine Ärztin bin und meine Erfahrung mit Dementen „nur“ aus der täglichen Arbeit in einer Wohngemeinschaft für Demente herrühren.
Wichtig zu wissen, wäre in welchem Stadium der Demenz sich ihre Mutter befindet. In einem anfänglichen Stadium werden Ortswechsel noch gut toleriert, später ist es für Demente oft hilfreich wenn sie Orte wiedererkennen und sich damit sicher fühlen. Sicherheit ist ein zentrales Thema in der Gefühlswelt aller dementiell erkrankten Menschen - so ist ein Ortswechsel in Gesellschaft eines lieben bekannten Menschen wahrscheinlich schöner für ihre Mutter als ein noch so größzügiges Areal oder eine noch so schöne Umgebung in der sie alleine oder nur mit Fremden ist.
Wenn die Spaziergänge mit ihrem Bruder für ihre Mutter eine schöne Gewohnheit werden so wird sie sie auch angenehm finden wenn sie den Ort nicht kennt - andererseits ist nicht einzusehen, warum nicht auf dem Gelände spaziert werden kann um damit alle negativen Eindrücke zu vermeiden.
Da ich ihre Mutter nicht kenne rate ich ihnen die Ratschläge des Personals zu beherzigen, daß täglich mit ihrer Mutter umgeht.
Hoffentlich konnte ich ihnen ein wenig helfen -
liebe Grüße

Hallo Ursula,

Eine fremde Umgebung oder einen ständigen Ortswechsel regt Alzheimer Patienten nicht an sondern auf .
Man will was Gutes tun, aber es hat den gegenteiligen Effekt.Die Patienten werden unruhig und sie wissen nicht mehr wo sie sind .Sie brauchen Stabilität und ein vertrautes Umfeld.

Alles Gute weiterhin

Undine 57

Hallo Frau Pohl,

ich gehe mal davon aus, dass bei ihrer Mutter sog. Weglauftendenzen vorliegen, sonst wäre sie nicht im Heim geschlossen untergebracht. Da dieses eine freiheitsentziehende Maßname ist, bedarf sie der Zustimmung eines Richters. Leider weiß ich nicht inwieweit die Demenz bei Ihrer Mutter fortgeschritten ist. Aber geschlossen untergebracht heißt, dass sie im Heim bleiben muss, zu ihrem eigenen Schutz. Ihr Bruder scheint es ja wirklich gut mit Ihrer Mutter zu meinen, was ich auch verstehen kann, aber ein häufiger Ortswechsel kann wirklich Stress pur für Ihre Mutter bedeuten, zumal eine Demenzerkrankte Defizite in der Orientierung (zeitlich, örtlich, situativ und zur Person) aufweist. Auch sind dabei die Konzentration, das Merken, das Denken und die Aufmerksamkeit eingeschränkt.

Um ihnen wirklich weiterhelfen zu können, benötige ich folgende Angaben:

  • wie weit ist die Demenz bei ihrer Mutter fortgeschritten?
  • zeigt sie Weglauftendenzen?
  • liegt, sowie ich glaube, ein richterlicher Beschluss bezüglich der geschlossenen Unterbringung vor?
  • steht sie unter Betreuung im rechtssinne? Wenn ja, für welche Aufgabenkreise und wer hat die Betreuung?

Würde mich freuen nochmal von Ihnen zu hören und verbleibe bis dahin mit freundlichen Grüßen
Ute Moeser

Werte Frau Moeser,
danke für Ihre ausführliche Antwort. Selbstverständlich liegt ein richterlicher Unterbringungsbeschluss vor. Ich selbst habe als Tochter schon seit Jahren eine Generalvollmacht. Sie war bis vor 6 Wochen in einem Heim, aus dem sie leider 2x weglief und immer wieder versucht hat weg zu kommen. Sowohl der richterliche Beschluss wie auch das neurologische Gutachten sagen aus, dass sie an fortgeschrittener Demenz leidet mit deutlichen Einbußen der Gedächtnisfunktionen. Sie ist zeitlich, örtlich und situativ deorientiert. Lt. Arzt leidet sie an hochgradigen Gedächtnis-und Orientierungsstörungen.
Sie ist körperlich noch immens fit und daher ist auch ihr Bewegungsdrang enorm gesteigert.
Dies also die Antwort auf Ihre Fragen.
Mich würde nun noch interessieren, ob Sie sich in Ihrer Alltagspraxis mit Alzheimerpatienten beschäftigen oder woher Sie sich das Fachwissen angeeignet haben.
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Pohl

Liebe Frau Pohl,

ich bin gelernte medizinische Fachangestellte (Arzthelferin) und arbeite seit über 20 Jahren in einer Facharztpraxis für Neurologie und Psychiatrie. Den Umgang mit Demenzkranken bin ich gewohnt, aber er wird niemals zur Routine werden, denn jeder der an Demenz erkrankt ist reagiert anders. Die einen sind sehr freundlich, die anderen hingegen können durchaus auch aggressiv reagieren. Das zeigt sich mir immer wieder bei der Durchführung des sog. MMST und Uhrentest, dabei ist sehr viel Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen gefragt. Seit einigen Jahren schreibe ich die neurologisch-psychiatrischen Betreuungsgutachten, die meine Chefin für das hiesige Amtsgericht erstellt, somit kann ich noch mehr diesbezügliches Wissen mein Eigen nennen.

Ich rate Ihnen ihre Mutter im Heim zu belassen. So hart wie es jetzt auch klingen mag, aber ein Ortswechsel (Ausfahren um spazieren zu gehen) bedeutet für Ihre Mutter größten Stress und vermutlich wird sie sich hinterher auch nicht mehr daran erinnern. Ich sehe das ja in unserer Praxis, die entsprechenden Patienten wissen nie wo sie hin sollen, wenn sie aufgerufen werden, obwohl sie schon seit zig Jahren zu uns kommen.

Ganz liebe Grüße

Ute Moeser

Hallo Frau Pohl,

es gibt keine ultimativ richtige Lösung.
Fest steht aber, daß die Wahrnehmung eines an Demenz erkrankten Menschen nicht mehr mit der von gesunden Menschen zu vergleichen ist und ihn viele Dinge überfordern, die für Gesunde selbstverständlich sind.
Rasche Ortswechsel ( und vielleicht auch der Wald, der wenig Orientierung bietet) können zu Verunsicherung führen. Ich würde auf das Gefühl des Betroffenen achten, fühlt er sich wohl, ist es gut, ist er nervös und unruhig würde ich solche Situationen vermeiden. Man kann auch Anregung ins Heim bringen (alte Fotoalben, Musik von früher, Gespräche, Nähe) oder auch ein Fußmarsch um das Heim herum bis ins nächste Kaffee.
Überforderung ist nicht gut. Unterforderung auch nicht, aber die kleinsten Alltäglichkeiten und manchmal schon die Jacke anzuziehen können Angst auslösen. Trauen Sie Ihrem Gefühl. Dem Betroffenen sollte es gut gehen.
Viel Erfolg!
Jasmin