Am turme

hi leute,

musstet ihr in der schule schonmal das gedicht „am turme“ von annette von droste-hülshoff interpretieren?

oder weiß jemande wo man eine interpretation findet? weil bei der suche im internet war ich bissl erfolglos, ich meine vorarbeit ist schon erledigt, nur das alles in einen ordentlichen text zu bringen mit toller einleitung etc. ist bissl naja…schwierig…zumal mir dafür einfach die zeit fehlt …

bin über jede sinnvolle antwort dankbar

Hallo,
schön, dass Du an dieses schöne Gedicht erinnerst.
Ich kenne dazu auch keine Interpretation; aber ich denke, dass Du nicht fehlgehst, wenn Du die ich-Aussagen in dem Gedicht autobiographisch deutest

  • und dabei die hälftige Teilung jeder Strophe beachtest:
    erste Hälfte jeweils eine Aussage über die Situation (Ich steh …; Und drunten seh ich …; Und drüben seh ich …; Wär ich …)
    zweite Hälfte: der dadurch angeregte vergebliche Wunsch.
    Hinsichtlich des Reimschemas handelt es sich um selbstständige Hälften
    a,b,a,b; cdcd).
    Aber das hast Du sicher längst schon alles herausgefunden.

Viel Erfolg!
Gruß
H.

hi hans, naja ich hab hier noch ein paar probleme…ausgearbeitet habe ich bis jetzt folgendes:

zur form kann ich sagen, es ist eine ballade, in der die darstellung vorherrschend ist. sie besteht aus vier strophen, jede strophe unterteilt sich in halbstrophen zu je 4 versen.

was meinst du konkret mit

erste Hälfte jeweils eine Aussage über die Situation (Ich steh
…; Und drunten seh ich …; Und drüben seh ich …; Wär ich
…)
zweite Hälfte: der dadurch angeregte vergebliche Wunsch

in halb strophen findet man kreuzreime (abab)
in der 1-3 strophe fängt der 5. vers immer mit „o“ an. in allen strophen fängt der 7. vers mit „und“ an.
einige vergleiche: „… wie spieldende doggen…“ oder „…so keck wie eine standarte…“; „…wie eine seemöwe streifen…“
allegorie: " wär ich ein jäger auf freier flur"

DOCH WAS WILL SIE DAMIT AUSDRÜCKEN?

  • mit schreienden staren…
  • warum schreibt sie auf tod und leben? - weil normal sagt man ja auf leben und
    tod…
  • was bezweckt sie mit denn wellen, die sie mit doggen vergleicht (hat das auch
    nen tieferen sinn?)
  • möchte sie springen, weil sie etwas verändern will oder weil sie keinen ausweg
    mehr sieht?
  • versteh auch den bezug auf das walross nicht :frowning:
  • wimpel wehn, so keck wie eine standarte - drückt sie damit hoffnung aus?
    naja un diese deutungsprobleme ziehen sich durch das ganze gedicht.

die überschrift stellt ihre beobachtende position dar. doch wieso nicht AUF dem turme?

das lyrische ich ist eine frau.

metrum ist steigend, wenig fremdwörter, besteht aus aussagesätzen

inhalt: es handelt von einer frau, die sich alleine fühlt, sie sehnt sich nach geborgenheit, will darin aber eine größere rolle übernehmen (sonst würde sie sich umschlingen lassen), hat träume/ fantasien. sie wünscht sich vielleicht ein kind (mänade)

es geht scheinbar auch um emanzipation

in der ersten strophe will sie etwas neues und in der letzten sieht sie aber ein, dass es nicht erfüllbar ist „heimlich lösen mein haar“.

wirkung: es wirkt melankolisch, leicht depressiv, träumerisch, ist bildlich gut beschrieben --> gut vorstellbar.

was ist das zentrale motiv? ist das die frau, die sich alleine fühlt? aber hat ja eigentlich nichts mit motiv zu tun?
und was sind die randmotive?
gibt es eine aussageabsicht? doch eigentlich kommt nur zum ausdruck das träume oft schäume sind, oder?
was versteht man unter einer bauform und hat das gedicht eine inhaltliche gliederung? oder ist die gliederung die aufteilung in halbstrophen?
was ist eine stilebene und wie definiert man da brüche?
gibt es einen bildbereich, der besonders hervorsticht, der sich dann irgendwie mit dem hauptmotiv verbindet?

hm ich bin hier eindeutig überfordert.

Hallo,
ich komm grad von einer längeren Autofahrt zurück, bei der mir das Gedicht ständig im Kopf umging und ich weiterdachte. Deshalb antworte ich, obwohl es nicht meine Absicht ist, die Hausaufgaben anderer Leute zu machen.

zur form kann ich sagen, es ist eine ballade

Nein. Schlichte Probe: Das Gedicht enthält keine nacherzählbare Handlung, sondern drückt nur subjektive Befindlichkeit des lyrischen Ich aus.

was meinst du konkret mit

erste Hälfte jeweils eine Aussage über die Situation (Ich steh
…; Und drunten seh ich …; Und drüben seh ich …; Wär ich
…)
zweite Hälfte: der dadurch angeregte vergebliche Wunsch

Die letzten vier Zeilen sagen das m. E. deutlich: Das lyrische Ich (ein weibliches, wie auch Du sagst) ist zu Bravheit und Sittsamkeit gezwungen (MUSS sitzen) und kann/darf nur ihr Haar im Wind flattern lassen, statt all das zu tun, was in den Strophen gewünscht wird.
Versuch, das ganze Gedicht im Licht dieser letzten vier Zeilen zu verstehen!

in halb strophen findet man kreuzreime (abab)
in der 1-3 strophe fängt der 5. vers immer mit „o“ an. in
allen strophen fängt der 7. vers mit „und“ an.

Was bringen diese Beobachtungen für Erkenntnisse?

einige vergleiche: „… wie spieldende doggen…“ oder „…so
keck wie eine standarte…“; „…wie eine seemöwe streifen…“

Ja, Vergleiche sind Bestandteil der poetischen Sprache. Was drücken sie hier aus? Das Gleiche wie die anderen Bilder in den Strophen: Sehnsucht nach Freiheit, Wildheit, Anteilnahme an kühnem Leben …

DOCH WAS WILL SIE DAMIT AUSDRÜCKEN?

  • mit schreienden staren…

Ausmalung von Bildern gehört zur poetischen Sprache.

  • warum schreibt sie auf tod und leben? - weil normal sagt man
    ja auf leben und
    tod…

Weil es schließlich um leben geht und nicht um totsein.

  • was bezweckt sie mit denn wellen, die sie mit doggen
    vergleicht (hat das auch
    nen tieferen sinn?)
  • möchte sie springen, weil sie etwas verändern will oder weil
    sie keinen ausweg
    mehr sieht?

Aber nein! Schau auf die Fortsetzung: „… springen möcht ich […]/ recht in die tobende Meute, / Und jagen durch den korallenen Wald“!

  • versteh auch den bezug auf das walross nicht :frowning:

Thema der ersten Strophe: im Sturm stehen!
Thema der zweiten Strophe: An der Jagd auf See teilnehmen

  • wimpel wehn, so keck wie eine standarte - drückt sie damit
    hoffnung aus?

Ausmalung des Bilds.

die überschrift stellt ihre beobachtende position dar. doch
wieso nicht AUF dem turme?

Schau in die erste Zeile: Sie steht auf einem Balkon und der ist AM Turm.

metrum ist steigend, wenig fremdwörter, besteht aus
aussagesätzen

Ja, das gehört zur Sprachgestalt, aber mach s kurz, wenn s für die Deutung nichts bringt.
Wichtig vielleicht das Metrum: der Schwung, der durch Häufung der Dreihebigkeit (´xxx) zustande kommt.

inhalt: es handelt von einer frau, die sich alleine fühlt, sie
sehnt sich nach geborgenheit, will darin aber eine größere
rolle übernehmen (sonst würde sie sich umschlingen lassen),
hat träume/ fantasien. sie wünscht sich vielleicht ein kind
(mänade)

Halte ich für verfehlt.

es geht scheinbar auch um emanzipation

So kann man es auch nennen, aber es ist mehr und allgemeiner: Teilnehmen am Leben!

wirkung: es wirkt melankolisch, leicht depressiv*, :

Genau, und deshalb kann man das lyrische Ich hier mit der Autorin gleichsetzen (wenn man etwas Kenntnis von ihrer Biographie und von den gesellschaftlichen Konventionen eines adeligen Fräulein im 19. Jahrhundert beibringt).

* Drostes wahrscheinlich depressivstes Gedicht: Die ächzende Kreatur.

ist bildlich gut beschrieben --> gut vorstellbar.

Na also: Die Bilder und Vergleiche dienen der Anschaulichkeit.

Im ersten Postig frägst Du nach einem Einstieg.
Wie wär s mit dem ganz gegensätzlichen Existenzgefühl eines Menschen, der aus beruflichen Gründen auf einem Turm lebt und bei dieser Aussicht und diesen Aussichten glücklich und selig ist?:
Das Lied des Türmers in Goethes Faust!

Gruß
H.

was ist das zentrale motiv?

Ich will mich nicht wiederholen: mein 2. Posting.

gibt es eine aussageabsicht? doch eigentlich kommt nur zum
ausdruck das träume oft schäume sind, oder?

Sie lebt ein Leben, das sie ablehnt. (Gibt es etwas Richtiges im Falschen?)

was versteht man unter einer bauform und hat das gedicht eine
inhaltliche gliederung? oder ist die gliederung die aufteilung
in halbstrophen?

In vier Strophen ist das gleiche Thema variiert. Und die Gliederung der einzelnen Strophen ist immer gleich.

was ist eine stilebene und wie definiert man da brüche?

Hält sie die begonnenen poetische Sprachhöhe durch?

gibt es einen bildbereich, der besonders hervorsticht, der
sich dann irgendwie mit dem hauptmotiv verbindet?

Bilder: Könnte man nicht jede Strophe (WunschBILDER!) geradezu malen?

hm ich bin hier eindeutig überfordert.

Nicht aufgeben, sondern langsam und nachdichtend, ausmalend, nachempfindend so lesen, dass das Gedicht das Gefühl bekommt, dass Du es gern hast.
Und fürs Interpretieren das Allerwichtigste:
Analysieren bedeutet immer zerlegen, zergliedern, also: kaputt machen; so wie das Kind den Teddy analysiert und dann liegen die Sägespäne da. Am Ende der Interpretation muss das Gedicht nun ein besser verstandenes, bewusst erfasstes wieder GANZES sein.

Gruß und nochmals: Viel Erfolg!
H.

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Servus Hannes,

sey hierfür

nachempfindend so lesen, dass das Gedicht das Gefühl bekommt,
dass Du es gern hast.

aufs Gröblichste bedankt! Danach hab ich seit Jahren (mit Unterbrechungen) gesucht.

Eine gute Nacht wünscht

MM

Am Turme der Meersburg
Hallo, ihr!

die überschrift stellt ihre beobachtende position dar. doch
wieso nicht AUF dem turme?

Weil die Droste nicht AUF dem Turm stand, sondern AM Turm;
nämlich neben dem Turm des Meersburger Schlosses, wo ihre
Wohnung lag, wenn sie bei ihrer Schwester, die die Frau des
Schlossbesitzers Lasswitz war, wohnte.

Das Gedicht hat einen ganz konkreten, ganz realen Ort- und Zeitpunkt.

Ich stand häufig an dem Fenster, aus dem sie auf den Bodensee
hinaussah.
Tu das mal bei Gelegenheit. Man versteht einige der Gedichte
der Driste besser, wenn man mal dort war.
Da werden dir auch die Bilder von den Doggen, den Wimpeln usw.
klar.

das lyrische ich ist eine frau.

Das lyrische Ich ist die Droste selbst, eine damals schon
ältere Dame,
der - trotz ihr poetischen und damit verbundenen wirtschaftlichen Erfolge - die Anerkennung in der Gesellschaft fehlte;
die als Frau vielfältigen Hemmnissen unterworfen war;
der als Frau viele Freiheiten genommen waren,
sogar die, mit offenen Haaren in die Öffentlichkeit zu erscheinen;
abgesehen von der, einmal am Tag ihre Haare aufzulösen und im Winde flattern zu lassen. Und das auch nur heimlich, denn es gehörte sich eben nicht, dass eine „ehrbare Matrone“ - und das war die Droste zu
dieser Zeit schon, denn das Bild, wie sie auf dem alten Fünfmarkschein
und beim Projekt Gutenberg zu sehen ist, ist überaus geschmeichelt, aber dort kann man sehen, wie ihte gebändigten Haare aussehen -, mit offenem Haar herumlief.

Und während sie die Haare geöffnet hatte, um sie
durchzubürsten und dann erneut zur Frisur zu formen - also die
Haare wieder zusammen zu flechten und zu knoten und zu binden,
was eine Matapher für ihre Unfreiheit ist - schaut sie vom
Meersburger Schloss, neben dem alten Dagobertsturm auf den
Bodensee naus, sieht die Wellen, die wie freie, wilde Doggen
an Ufer springen, sieht die Möwen frei im Wind segeln, die
Wimpel, die Wolken; und denkt an das freie Leben, das Krieger,
Jäger, ja selbst der einfache Mann haben; und wünscht sich so
ein bisschen Freiheit anstelle ihrer beengten Situation als
unverheirateter Frau in der damals kleinadligen Gesellschaft.

Gruß Fritz

naja sag nicht gleich hausaufgaben machen :wink: ich saß schon mehrere stunden an dieser vorarbeit und kam bei manchen sachen einfach nicht weiter.

vielen dank leute, ihr habt mir wirklich ein großes stück weiter geholfen.

einige der Gedichte

der Driste

Chapeau, Fritz,
das gelingt nur wenigen und nur selten!

Gruß
H.

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der Driste

das gelingt nur wenigen und nur selten!

Hast du dich schon mal durch ihre „Geistlichen Gedichte“ gequält?

Da werden dicke Finger von alleine kreativ! :wink:

Gruß
Fritz

Hast du dich schon mal durch ihre „Geistlichen Gedichte“
gequält?

Ja, Fritz,
ich denke, ich habe in einem der Postings zu „Am Turme“ auf „Die ächzende Kreatur“ hingewiesen. Ich such jetzt nicht danach, aber ich meine, es steht in den GG, ist vielleicht sogar das erste.

Aber ansonsten: Deiner Meinung.
Gruß
H.