(SZ) Immer dann, wenn es um das Königshaus
schlecht steht, erinnern sich die Leute
im noch vereinigten Königreich daran,
dass die Windsors eigentlich Deutsche
sind. Tatsächlich wurzelt der Stammbaum
des immer noch neuen, dritten Königs
Karl, der sich Charles nennt, in Sachsen-
Coburg-Gotha, in Hannover und einwenig
auch in Glücksburg. Diana, die vielbeweinte,
erregte sich angelegentlich über ihre
„schrecklichen deutschen Verwandten“.
Sie gab damit einem in Manor Houses unter
Lords und Ladies bis heute verbreiteten
Ressentiment Ausdruck, dass Corgis, Barbourjacken
und Landrover auch nach vier
Generationen noch keine Briten, geschweige
denn Engländer machen. In diese Kerbe
schlägt jetzt auch eine neue Biografie über
König Charles. Deren Autorin Catherine
Mayer meint, dass Charles auch wegen seiner deutschenWurzeln
ein begeisterter Homöopath
sei.
Bekanntlich ist die Homöopathie eine
Art zivilgesellschaftlicher Voodoozauber,
der in erster Linie in Deutschland, Österreich
und der Schweiz praktiziert wird,
auch wenn er durchaus Anhänger (m/w/d)
in anderen Teilen der Welt hat. Hierzulande
gibt es jene, die an die medizinische
Wirkmächtigkeit der kleinen Kugeln glauben,
und jene, die das nicht tun. Für Letztere
ist die Homöopathie mangels wissenschaftlicher
Untermauerung Placebo-
Humbug; für Erstere ist sie Teil eines Lebensstils,
den sie sich nicht schlechtreden
lassen wollen.Weil es zum deutschen Charakter
gehört, Dinge sehr ernst zu nehmen,
gäbees in beidenLagern erhebliches Potenzial,
sich zur Verteidigung der jeweils eigenen
Position mit Sekundenkleber am Gesundheitsminister
zu befestigen, würde
ein solcher Akt nicht als in sich gesundheitsgefährdend
angesehen. Jedenfalls ist
die Homöopathie, erfunden vor gut 200
Jahren vomsächsischen Arzt Hahnemann,
tatsächlich etwas typisch Deutsches wie etwa Wanderers
Nachtlied, das Nackttanzen
in den Zwanziger jahren oder diemystische
Beziehung zum Wald einschließlich der
jüngeren Humanisierung von Bäumen
durch Fernsehförster.
Als die Bild-Zeitung noch nicht bartlos
war, machte sie beim unglücklichen Benedikt
die Schlagzeile: Wir sind Papst. Heute
könnte man schreiben: Wir sind König,
weil unser Karl ja nicht nur Homöopath,
sondern auch Gefühlsökologe sowie mittel sanfter Modernitätskritiker
ist. Er fiele,wäre
er nicht König, in Eppendorf, Haidhausen
oder im Prenzelberg nicht auf. Er würde
bewusst und weitgehend fleischlos leben,
führe Rad und läse hin und wieder die
Zeit, von der er sagen würde, sie sei zwar
nicht mehr ernsthaft politisch, gäbe ihm
aber menschlich viel.Wahrscheinlich würde
er die Grünen wählen, jedenfalls in Baden-
Württemberg und in Tübingen. Weil
er privat krankenversichert wäre, würden
ihm die Kügelchen bezahlt. Eigentlich schade,
dass wir keinen König mehr haben.