Angenommen

Hallo,

angenommen, einer Zeitschrift werden Daten zu einem Verbrechen (Kindesmissbrauch, Mord o.ä.) zugespielt. Die Ergreifung des/der Täter ist mit diesen Daten/Informationen möglich. Wäre es dann richtig und verständlich, diese Informationen mit dem Hinweis
Die Presse ist kein Hilfsorgan der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder der Steuerfahndung.
den Behörden vorzuenthalten?

Oder wie soll ich jetzt diese Argumentation der SZ verstehen?
http://www.sueddeutsche.de/kolumne/in-eigener-sache-…

Franz

Hallo!

angenommen, einer Zeitschrift werden Daten zu einem Verbrechen
(Kindesmissbrauch, Mord o.ä.) zugespielt.

Du musst/kannst/darfst/willst (ich will auf jeden Fall) unterscheiden zwischen Daten zu einem bereits erfolgten Verbrechen und Daten zu einem drohenden Verbrechen.

Ersteres bezieht sich auf die Aufklärung eines Verbrechens, da soll sich die Presse davor hüten, sich zum Hilfsorgan der Polizei zu machen.
Zweiteres geht um die Verhinderung eines Verbrechens bzw. um den Schutz von Leib und Leben.
Ich vermute, da muss sie ihre Informationen liefern.
(Der einzige, der auch da rechtlich noch immer nicht muss, ist wahrscheinlich der Beichtvater).

Außerdem gefällt mir dein „Angenommen“ nicht, weil es bei Steuerverbrechen nicht um diese Dimension „Schutz von Leib und Leben“ geht.

Gruß
Tyll

Abwägen
Hallo Franz,

wenn Du Zeuge eines Schlägerei einer Rockerbande wärest, würdest Du dann freiweillig vor Gericht aussagen?

Wenn Du Dich einem Reporter anvertraust, wärest Du damit einverstanden, dass der Reporter Deinen Namen nennt, damit das Gericht Dich vorladen kann?

Es geht darum, die Informanten zu schützen. Im Rahmen des erlaubten habe ich dafür Verständnis. Und solange ein Bundeskanzler a.D. hier sogar das Recht für ein Ehrenwort beugen kann, kann ich dass schon lange (naja, und die SZ von mir aus auch).

Gruß
achim

Hallo Tyll,

selbst im zweiten Fall (drohendes Verbrechen) wird sie das zwar melden müssen, aber nicht alle dazu erhaltenen Informationen weiterleiten. Zumindest nicht ohne expliziten richerlichen Beschluss.

Gruß
achim

schon klar (owt)

selbst im zweiten Fall (drohendes Verbrechen) wird sie das
zwar melden müssen, aber nicht alle dazu erhaltenen
Informationen weiterleiten. Zumindest nicht ohne expliziten
richerlichen Beschluss.

Gruß
achim

Hallo Wilbert,

Es geht darum, die Informanten zu schützen.

Die Übergabe von Daten beinhaltet doch nicht gleichzeitig Preisgabe des Informanten.

Im Rahmen des erlaubten

Was meinst du damit?

habe ich dafür Verständnis.

Ich erst einmal nicht. Wenn Verdacht auf Steuerhinterziehung (allgemeines Interesse) besteht, und dies scheint der Fall zu sein, dann käme die Herausgabeverweigerung der Bevorzugung einiger weniger gleich. Dass die Presse nun wieder ein paar prominente Rosinen (Gunter Sachs) öffentlich zerpflückt, ist ein weiteres Beispiel für Bevorzugung respektive Benachteiligung. Pressefreiheit???

Franz

Hallo Franz!

Manche Politiker verlangen allen Ernstes, daß Journalisten ihre Quellen preisgeben, damit sie die fertig gebratenen Tauben serviert bekommen und die Öffentlichkeit beruhigt ist, weil ja die bösen Steuersünder endlich dingfest gemacht werden. Man war ja tätig, hat ein paar Euro eingetrieben und kann dann zur Tagesordnung übergehen, alles beim Alten lassen.

Daß viele Leute und Unternehmen, die ihr Geld im Inland verdienen, dafür nicht die hier vorgesehenen Steuern zahlen, ist nicht neu. Auch daß man sich dazu der Hilfe von Banken bedienen kann, die über Dépendancen an geeigneten Standorten verfügen, ist ein alter Hut. Der Sachverhalt als solcher und die Methoden waren schon immer bekannt, aber die Politik nahm und nimmt das alles billigend in Kauf. Offensichtlich gab es noch nie ein Interesse, die Zustände zu ändern. Erst nachdem Journalisten für mehr Öffentlichkeit sorgen, rühren sich ein paar Hintern. Leider gehen dabei nur Blähungen ab, an wirksamen Maßnahmen scheint es immer noch kein Interesse zu geben.

Die Politik müßte … och nöö, ich hab’s mir gerade anders überlegt, lasse die Vorschläge stecken. Statt dessen gründe ich unter geeigneter Adresse eine aus einem Briefkasten bestehende Consultingfirma, die Gewinne abschöpft, indem sie hohe Rechnungen schreibt und das hart Verdiente natürlich ordnungsgemäß versteuert – mit irgendeinem lächerlichen Prozentsatz. Zypern war schon gar nicht schlecht, erscheint im Moment aber nicht en vogue. Immerhin sollen dort die Körperschaftssteuern von 10% auf irrwitzige 12,5% angehoben werden – man erkennt deutlich die rücksichtslos durchgreifende Hand beim entschlossenen Verstopfen von Steuerschlupflöchern.

Steuerhinterziehung kommt bei Leuten und Unternehmen, die nennenswertes Geld verdienen, sowieso kaum vor. Deshalb wäre es unsinnig, womöglich das Personal für Steuerprüfungen aufzustocken. Statt dessen sollten die Prüfungen bei Arbeitnehmern verschärft werden, um gnadenlos aufzudecken, wenn jemand für den Weg zur Arbeit einen Kilometer zu viel angegeben hat und den geltend gemachten Kittel womöglich in der heimischen Bastelwerkstatt trägt und falls ja, zu welchem Anteil.

Außerdem wird es sich lohnen, das Personal in Jobcentern mindestens zu verdoppeln, um bei Hilfeempfängern in jedem Einzelfall zu prüfen, ob sich im Kleiderschrank der alleinstehenden Frau eine Männerunterhose findet (ganz klar, es muß sich um eine verschwiegene Bedarfsgemeinschaft handeln … welcher Bedarf und welches Bedürfnis auch immer ), ob sich das minderjährige Kind bei Ebay einen Heiermann zum Taschengeld dazu verdient hat und ob die Bewerbungskosten in Höhe von 3 € wirklich anfielen. Da geht die Post ab, da muß man auf das Geld der Steuerzahler achten!

Daneben gibt es noch die wirklichen Skandale: So lag neulich im Hotel ein Schokoriegel auf dem Kopfkissen. Der Hotelier stellte eine Rechnung mit 7% Umsatzsteuer. Dabei handelt es sich beim Schokoriegel um eine Bewirtungsleistung, die mit 19% Umsatzsteuer zu Buche schlägt. Das war ein Akt eiskalter, von langer Hand geplanter, gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung und wir wundern uns, daß der Fiskus auf keinen grünen Zweig kommt!

Gruß
Wolfgang

Keine Denunziation
Hallo Franz,

Es geht darum, die Informanten zu schützen.

Die Übergabe von Daten beinhaltet doch nicht gleichzeitig
Preisgabe des Informanten.

bei einer Analyse der Originaldaten lässt sich der Informant mit großer Wahrscheinlichkeit schnell erschließen. So etwas ist Routinearbeit bei Geheimdiensten, die bei so etwas (‚Lecks‘ identifizieren) auch international zusammenarbeiten. Bradley Manning lässt grüßen. Ein Mann, der den Friedensnobelpreis - anders als sein oberster Dienstherr - wirklich verdient hätte.

Wenn Verdacht auf Steuerhinterziehung
(allgemeines Interesse) besteht, und dies scheint der Fall zu
sein, dann käme die Herausgabeverweigerung der Bevorzugung
einiger weniger gleich.

Ich bin mir da jetzt nicht so ganz sicher, ob das nun naiv ernstgemeint ist oder ob Du da bewusst die Sachlage auf den Kopf stellt. Wer bevorzugt da denn wirklich „einige Wenige“? Tatsächlich die Presse? Wer schafft denn die Bedingungen, die Steuerhinterziehung in großem Umfang überhaupt erst ermöglichen? Anders gesagt - wer sorgt dafür, dass die sog. „Schlupflöcher“ existieren und erhalten bleiben? Die „Geschäftsmodelle“ für Steuervermeidung und Steuerhinterziehung sind doch bekannt - wenn auch nicht der Mehrzahl der Bürger. Beseitigt wird diese stillschweigende Begünstigung von „Besserverdienenden“ (FDP-Jargon) doch erst dann, wenn eine breite Öffentlichkeit von diesen Zuständen erfährt.

Grundsätzlich geht es hier weniger um Strafverfolgung von Steuerhinterziehern - für die wird man sich ohnehin wieder einmal eine Art Amnestie ausdenken, wenn es ernst wird. Es geht um die Komplizenschaft zwischen Politik und den Vermögenden, die Steuerhinterziehung in diesem Umfang erst ermöglicht.

Warum also glaubst Du, hat der unbekannte Informant seine Daten der Presse gegeben und nicht direkt an die Behörden?

    • offensichtlich, weil er Öffentlichkeit herstellen will und (aus, wie ich meine, guten Gründen) nicht daran glaubt, dass staatliche Behörden an solch einer Öffentlichkeit interessiert sind. Schließlich dokumentiert das ja das Versagen (‚Versagen‘ natürlich nur aus dem Blickwinkel des ehrlichen Steuerzahlers) der Politik.
    • offensichtlich, weil er den staatlichen Behörden in Bezug auf seine eigene Sicherheit nicht traut. Weil er befürchtet, als Informationsleck identifiziert und geschlossen zu werden. Es geht da um verdammt viel Geld - und ein Unfall ist schnell passiert. Oder man landet wie Manning im Knast einschließlich „Sonderbehandlung“ oder man muss sich wie Julian Assange nach einem Staat umsehen, der einem politisches Asyl gewährt.

Politik und Behörden werden sich also damit begnügen müssen, dass zumindest bei uns die Originaldaten nicht von ihnen, sondern von der Presse ausgewertet werden und dass sie dasselbe erfahren wie die Öffentlichkeit. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Dieses „nicht mehr“ ist der Informantenschutz, ohne den eine kritische und aufklärerische Pressearbeit nicht mehr möglich ist - weil es sonst nämlich bald keine Informanten mehr gäbe. Selbst wenn die offensichtlichen Befürchtungen des Informanten übertrieben sein mögen - seinen Wunsch nach Anonymität hat die Presse zu respektieren.

Im Kodex des Deutsche Presserates heisst es ganz eindeutig (Ziffer 5):

"_Ziffer 5 – Berufsgeheimnis
Die Presse wahrt das Berufsgeheimnis, macht vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und gibt Informanten ohne deren ausdrückliche Zustimmung nicht preis.
Die vereinbarte Vertraulichkeit ist grundsätzlich zu wahren.

5.1 – Vertraulichkeit
Hat der Informant die Verwertung seiner Mitteilung davon abhängig gemacht, dass er als Quelle unerkennbar oder ungefährdet bleibt, so ist diese Bedingung zu respektieren. Vertraulichkeit kann nur dann nicht bindend sein, wenn die Information ein Verbrechen betrifft und die Pflicht zur Anzeige besteht. Vertraulichkeit muss nicht gewahrt werden, wenn bei sorgfältiger Güter- und Interessenabwägung gewichtige staatspolitische Gründe überwiegen, insbesondere wenn die verfassungsmäßige Ordnung berührt oder gefährdet ist._
Anmerkung: In Deutschland gibt es eine Anzeigepflicht bei Straftaten nur in einem sehr eng definierten Rahmen (§ 138 StGB). Auch dies aus gutem Grund. Bürger und erst recht die Presse sind nicht Erfüllungsgehilfen staatlicher Überwachungsorgane.
Über als geheim bezeichnete Vorgänge und Vorhaben darf berichtet werden, wenn nach sorgfältiger Abwägung festgestellt wird, dass das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit höher rangiert als die für die Geheimhaltung angeführten Gründe.
5.2 – Nachrichtendienstliche Tätigkeiten
Nachrichtendienstliche Tätigkeiten von Journalisten und Verlegern sind mit den Pflichten aus dem Berufsgeheimnis und dem Ansehen der Presse nicht vereinbar.
5.3 – Datenübermittlung
Alle von Redaktionen zu journalistisch-redaktionellen Zwecken erhobenen, verarbeiteten oder genutzten personenbezogenen Daten unterliegen dem Redaktionsgeheimnis. Die Übermittlung von Daten zu journalistisch-redaktionellen Zwecken zwischen den Redaktionen ist zulässig. Sie soll bis zum Abschluss eines formellen datenschutzrechtlichen Beschwerdeverfahrens unterbleiben. Eine Datenübermittlung ist mit dem Hinweis zu versehen, dass die übermittelten Daten nur zu journalistisch-redaktionellen Zwecken verarbeitet oder genutzt werden dürfen.
"

Das Ansinnen Schäubles ist mE unverkennbar auf Denunziation des Informanten gerichtet - wenn etwa die Süddeutsche hier einknicken würde, hätte sie ihren Ruf als seriöses und unabhängiges Presseorgan ein für allemal verspielt und der Pressefreiheit in Deutschland schweren Schaden zugefügt. Die Pressefreiheit als verfassungsmäßig garantiertes Rechtsgut (Art. 5 GG) wiegt deutlich schwerer als das Interesse staatlicher Organe an Mithilfe bei der Aufklärung von Straftaten. Wobei man durchaus im Hinterkopf behalten sollte, dass das ‚Leaken‘ der Daten an die Presse vermutlich selbst eine Straftat (Datenschutz!) war. Man kennt die Diskussion aus den Vorgängen um die Steuer-CDs.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo Tyll,

Zweiteres geht um die Verhinderung eines Verbrechens bzw. um
den Schutz von Leib und Leben.
Ich vermute, da muss sie ihre Informationen liefern.

so ist es - bei Mord und Totschlag besteht eine Anzeigepflicht, wenn man davon zu einem Zeitpunkt erfährt, an dem Ausführung oder Erfolg noch abgewendet werden können. § 138 StGB - dazu gehören noch einige weitere Straftaten, die in der Praxis allerdings vergleichsweise selten auftreten.

(Der einzige, der auch da rechtlich noch immer nicht muss, ist
wahrscheinlich der Beichtvater).

Richtig. Diese Ausnahme ist in § 139 Abs. 2 StGB geregelt. Meines Erachtens ist die Streichung dieses Absatzes überfällig. Es ist kein Grund einsehbar, warum Geistliche hier im Vergleich mit Rechtsanwälten Verteidigern, Ärzten, und Psychotherapeuten (in Absatz 3 Nr. 3 geregelt) zusätzlich privilegiert werden.

Außerdem gefällt mir dein „Angenommen“ nicht, weil es bei
Steuerverbrechen nicht um diese Dimension „Schutz von Leib und
Leben“ geht.

Das möchte ich unterstreichen. Eine Steuerstraftat ist in Bezug auf den Rang des verletzten Rechtsgutes etwas anderes als eine Verletzung der Rechtsgüter Eigentum, Freiheit oder gar Leben. Eine derartige Gleichsetzung ist polemisch.

Freundliche Grüße,
Ralf

Meines Erachtens ist die Streichung dieses Absatzes
überfällig. Es ist kein Grund einsehbar, warum Geistliche hier
im Vergleich mit Rechtsanwälten Verteidigern, Ärzten, und
Psychotherapeuten (in Absatz 3 Nr. 3 geregelt) zusätzlich
privilegiert werden.

Was meinst du mit „:stuck_out_tongue:rivilegiert werden.“?
Der Beichtvater erfährt doch von der Tat erst nachher! und nicht vorher, wenn die Tat noch zu verhindern wäre.
Gruß
Jochen