Keine Denunziation
Hallo Franz,
Es geht darum, die Informanten zu schützen.
Die Übergabe von Daten beinhaltet doch nicht gleichzeitig
Preisgabe des Informanten.
bei einer Analyse der Originaldaten lässt sich der Informant mit großer Wahrscheinlichkeit schnell erschließen. So etwas ist Routinearbeit bei Geheimdiensten, die bei so etwas (‚Lecks‘ identifizieren) auch international zusammenarbeiten. Bradley Manning lässt grüßen. Ein Mann, der den Friedensnobelpreis - anders als sein oberster Dienstherr - wirklich verdient hätte.
Wenn Verdacht auf Steuerhinterziehung
(allgemeines Interesse) besteht, und dies scheint der Fall zu
sein, dann käme die Herausgabeverweigerung der Bevorzugung
einiger weniger gleich.
Ich bin mir da jetzt nicht so ganz sicher, ob das nun naiv ernstgemeint ist oder ob Du da bewusst die Sachlage auf den Kopf stellt. Wer bevorzugt da denn wirklich „einige Wenige“? Tatsächlich die Presse? Wer schafft denn die Bedingungen, die Steuerhinterziehung in großem Umfang überhaupt erst ermöglichen? Anders gesagt - wer sorgt dafür, dass die sog. „Schlupflöcher“ existieren und erhalten bleiben? Die „Geschäftsmodelle“ für Steuervermeidung und Steuerhinterziehung sind doch bekannt - wenn auch nicht der Mehrzahl der Bürger. Beseitigt wird diese stillschweigende Begünstigung von „Besserverdienenden“ (FDP-Jargon) doch erst dann, wenn eine breite Öffentlichkeit von diesen Zuständen erfährt.
Grundsätzlich geht es hier weniger um Strafverfolgung von Steuerhinterziehern - für die wird man sich ohnehin wieder einmal eine Art Amnestie ausdenken, wenn es ernst wird. Es geht um die Komplizenschaft zwischen Politik und den Vermögenden, die Steuerhinterziehung in diesem Umfang erst ermöglicht.
Warum also glaubst Du, hat der unbekannte Informant seine Daten der Presse gegeben und nicht direkt an die Behörden?
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- offensichtlich, weil er Öffentlichkeit herstellen will und (aus, wie ich meine, guten Gründen) nicht daran glaubt, dass staatliche Behörden an solch einer Öffentlichkeit interessiert sind. Schließlich dokumentiert das ja das Versagen (‚Versagen‘ natürlich nur aus dem Blickwinkel des ehrlichen Steuerzahlers) der Politik.
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- offensichtlich, weil er den staatlichen Behörden in Bezug auf seine eigene Sicherheit nicht traut. Weil er befürchtet, als Informationsleck identifiziert und geschlossen zu werden. Es geht da um verdammt viel Geld - und ein Unfall ist schnell passiert. Oder man landet wie Manning im Knast einschließlich „Sonderbehandlung“ oder man muss sich wie Julian Assange nach einem Staat umsehen, der einem politisches Asyl gewährt.
Politik und Behörden werden sich also damit begnügen müssen, dass zumindest bei uns die Originaldaten nicht von ihnen, sondern von der Presse ausgewertet werden und dass sie dasselbe erfahren wie die Öffentlichkeit. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Dieses „nicht mehr“ ist der Informantenschutz, ohne den eine kritische und aufklärerische Pressearbeit nicht mehr möglich ist - weil es sonst nämlich bald keine Informanten mehr gäbe. Selbst wenn die offensichtlichen Befürchtungen des Informanten übertrieben sein mögen - seinen Wunsch nach Anonymität hat die Presse zu respektieren.
Im Kodex des Deutsche Presserates heisst es ganz eindeutig (Ziffer 5):
"_Ziffer 5 – Berufsgeheimnis
Die Presse wahrt das Berufsgeheimnis, macht vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und gibt Informanten ohne deren ausdrückliche Zustimmung nicht preis.
Die vereinbarte Vertraulichkeit ist grundsätzlich zu wahren.
5.1 – Vertraulichkeit
Hat der Informant die Verwertung seiner Mitteilung davon abhängig gemacht, dass er als Quelle unerkennbar oder ungefährdet bleibt, so ist diese Bedingung zu respektieren. Vertraulichkeit kann nur dann nicht bindend sein, wenn die Information ein Verbrechen betrifft und die Pflicht zur Anzeige besteht. Vertraulichkeit muss nicht gewahrt werden, wenn bei sorgfältiger Güter- und Interessenabwägung gewichtige staatspolitische Gründe überwiegen, insbesondere wenn die verfassungsmäßige Ordnung berührt oder gefährdet ist._
Anmerkung: In Deutschland gibt es eine Anzeigepflicht bei Straftaten nur in einem sehr eng definierten Rahmen (§ 138 StGB). Auch dies aus gutem Grund. Bürger und erst recht die Presse sind nicht Erfüllungsgehilfen staatlicher Überwachungsorgane.
Über als geheim bezeichnete Vorgänge und Vorhaben darf berichtet werden, wenn nach sorgfältiger Abwägung festgestellt wird, dass das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit höher rangiert als die für die Geheimhaltung angeführten Gründe.
5.2 – Nachrichtendienstliche Tätigkeiten
Nachrichtendienstliche Tätigkeiten von Journalisten und Verlegern sind mit den Pflichten aus dem Berufsgeheimnis und dem Ansehen der Presse nicht vereinbar.
5.3 – Datenübermittlung
Alle von Redaktionen zu journalistisch-redaktionellen Zwecken erhobenen, verarbeiteten oder genutzten personenbezogenen Daten unterliegen dem Redaktionsgeheimnis. Die Übermittlung von Daten zu journalistisch-redaktionellen Zwecken zwischen den Redaktionen ist zulässig. Sie soll bis zum Abschluss eines formellen datenschutzrechtlichen Beschwerdeverfahrens unterbleiben. Eine Datenübermittlung ist mit dem Hinweis zu versehen, dass die übermittelten Daten nur zu journalistisch-redaktionellen Zwecken verarbeitet oder genutzt werden dürfen. "
Das Ansinnen Schäubles ist mE unverkennbar auf Denunziation des Informanten gerichtet - wenn etwa die Süddeutsche hier einknicken würde, hätte sie ihren Ruf als seriöses und unabhängiges Presseorgan ein für allemal verspielt und der Pressefreiheit in Deutschland schweren Schaden zugefügt. Die Pressefreiheit als verfassungsmäßig garantiertes Rechtsgut (Art. 5 GG) wiegt deutlich schwerer als das Interesse staatlicher Organe an Mithilfe bei der Aufklärung von Straftaten. Wobei man durchaus im Hinterkopf behalten sollte, dass das ‚Leaken‘ der Daten an die Presse vermutlich selbst eine Straftat (Datenschutz!) war. Man kennt die Diskussion aus den Vorgängen um die Steuer-CDs.
Freundliche Grüße,
Ralf