Hallo,
ich fand es zwar gut, dass Frau Merkel bereits am Morgen nach dem Anschlag ein Statement abgegeben hatte.
Für eine dem Anlass angemessene Rede an die Nation fand ich sie leider zu blass. Anteilnahme für die Angehörigen der Opfer und Dank an die Rettungskräfte vor Ort sind eine Sache. Doch gehört nicht mehr dazu? Muss nicht z.B. eine Art von Drohgebärde in Richtung Hintermänner und Sympathisanten erfolgen, muss das Volk nicht darauf vorbereitet werden, dass der Kampf gegen die islamistischen Kriminellen erst am Anfang steht und noch lange andauern kann, aber dass wir unsere Werte verteidigen werden ?
Erwartet man nicht, dass die Regierung die Ermittlungsbehörden stärkt und verstärkt, anstatt nur eine spätere Bestrafung zu versichern, die so hart sein soll, „wie es unsere Gesetze verlangen“?
Sollte nicht für eine Unterstützung und Solidarität der Bevölkerung mit den Sicherheitskräften appelliert werden?
Ich hatte nicht gehofft, dass es später am Abend noch eine Art von Blut, Schweiß und Tränen-Rede geben würde. Aber zumindest etwas in der Art von Helmut Schmidts Rede 1977, damals in ähnlicher Situation, hatte ich schon erwartet:
Haben wir vielleicht doch nur „Schmidtchen“ und nicht „Schmidt“?
Muss nicht der, der "Drachen bekämpft, selbst zum Drachen werden?
…wies George Orwell darauf hin, dass der militärische Vormarsch von Nazi-Deutschland nicht zu stoppen war unter Berufung auf Freiheit und Demokratie, sondern nur, indem man an die dumpfen Instinkte appellierte, die auch Hitler stark machten: Vaterland und Familie.Selbst Stalin, der solche Werte mit Füßen getreten hatte, legte den Kommunismus ad acta und propagierte den Großen Vaterländischen Krieg, weil sich nur so, mit Rückbesinnung auf die Tradition und Einbeziehung der Kirchen, die er vorher gnadenlos unterdrückt hatte, der Hitler-Faschismus besiegen ließ.
Wer Drachen bekämpft, wird selbst zum Drachen, schreibt Nietzsche. Anders ausgedrückt: Die Offensive des Terrorismus wehrt man nicht ab im Namen der Schwulenehe oder anderer politisch korrekter Slogans, sondern indem man ein Stück weit zu dem wird, was man bekämpft: aggressiv und intolerant.
Oder ist der alte Pathos oder zumindest noch die 1977 zum Ausdruck gebrachte Entschlossenheit heute nicht mehr zeitgemäß?
Sollten nicht die Werte unserer Leitkultur betont werden, für die es zu kämpfen gilt?
Die Rede von „Werten“ ist also tendenziell „polemogen“, um es mit Niklas Luhmann zu sagen, kriegserzeugend: Ich habe meine Werte, du hast die deinen. Im Zweifelsfall siegen die höhere Überzeugtheit und Entschlossenheit, die größere Skrupellosigkeit. Wenn jetzt beispielsweise der Springer-Chef Mathias Döpfner eine „Radikalisierung der gesellschaftlichen Mitte“ fordert, dann verlangt er doch wohl von uns allen (der „Mitte“) einen solchen Kampf in der Arena der Werte.
Ich hoffe auf eine ausdrucksvollere und zum Schulterschluss anregenden Neujahrsansprache der Kanzlerin
Gruß
rakete