Antrag auf Propädeutkum wurde abgelehnt

Sehr geehrte Experten,

ich studiere Maschinenbau seit diesem Monat an einer Hochschule in Bayern. Ich absolvierte bereits eine Ausbildung zum Industriemechaniker (IHK) ebenfalls in Bayern. Nun überschneiden sich Fächer im Laufe meines Studiums mit den Fächern, die ich in der Berufsschule hatte. Das Fach „Fertigungstechnik“ gibt es beispielsweiße 1:1 im Studium.

Ich habe folgendes im der Studien- und Prüfungsordnung gelesen:

"§ 4 Propädeutikum
Die folgenden Module werden als Propädeutikum geführt:
a) Fertigungstechnik,
b) Konstruktion,
c) Grundlagen der Informationstechnik,
d) Grundlagen der Werkstoffe,
e) Betriebswirtschaftliche Grundlagen für Ingenieure.

Diese Module können durch die Anrechnung außerhalb des Hochschulbereichs erworbener Kompetenzen absolviert werden. Die Anrechnung ist grundsätzlich auf bis zu zwei Module begrenzt.

Studierenden, die am Ausbildungsmodell „Hochschule Dual“ teilnehmen, können weitere Module, auch über diese Grenze hinaus, angerechnet werden, sofern sie die weiteren anzurechnenden Kompetenzen im Rahmen der Berufsausbildung/Berufsschule erworben haben und eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Hochschule Hof und der betreffenden Bildungseinrichtung vorliegt."

Ich besitze nicht nur „Vorkenntnisse“ oder „Grundkenntnisse“, sondern Fachwissen eines Facharbeiters. Man kann doch nicht 3,5 Jahre Ausbildung mit Teilzeitunterricht, in dem 4 Stunden pro Woche dem Fach Fertigungstechnik galten, unter dem Niveau der Hochschule stellen, in welcher das Fach nur ein Semester absolviert werden muss.

Nun erkennt meine Hochschule aber meine Berufsausbildung nicht an, obwohl Studenten, die sich gleichzeitig im Dualen Studium befinden noch MEHR als 2 Module angerechnet bekommen. Diese sitzen sogar mit den Industriemechanikern in der selben Berufsschulklasse und schreiben die selben Prüfungen usw.
Ein weiterer Kommilitone hat eine Ausbildung zum Technischen Zeicher absolviert(sogar mit Auszeichnung bestanden) und bekommt nicht das Semester Konstruktion angerechnet, obwohl der Inhalt des Faches weit unter dem Niveau eines technischen Zeichners und sogar einem Industriemechaniker liegt.

Ich erhoffte mir durch eine Anrechnung mehr Freizeit, die ich für andere Fächer opfern könnte. Gerade im Maschinenbaustudium ist die Stundenanzahl pro Woche sehr hoch.

Die Studien- und Prüfungsordnung ist die Rechtliche Grundlage meines Studiums. Wie kann die Prüfungskommision den Antrag auf Propädeutikum ablehnen? Ich hatte in dem Fach Fertigungstechnik eine 1. An der Note kann es also auch nicht liegen. Mit einer Begründung, dass meine Ausbildung nicht annähernd so tiefgründig wie das Studium sei, gebe ich mich auch nicht zufrieden. Ich habe das Script gesehen und da übersteigt meine Wissensbildung durch meine Ausbildung den Horizont des Scriptes bei Weitem.

Bis jetzt wurde nur das Praktikum im Fach Fertigungstechnik als bestanden angerechnet.

Ich kann es einfach nicht verstehen und sehe es auch nicht ein. Meine 3,5 Jahre Ausbildung sind anscheinend nichts wert. Ich bin dankbar um die praktische Erfahrung und das dadurch gewonnene technische Verständnis, doch erwartete ich mehr als nur die die Anrechnung eines Praktikas. Das Beispiel des Kommilitonen empfinde ich noch als eine größere Frechheit. Er bekommt auch nichts annerkannt.

Was kann ich nun tun? Habe ich recht mit meiner Behauptung, dass das Niveau der Ausbildung in einem Fach das Studium übersteigen kann? Sollte dies nicht ein Grund für eine Anrechnung sein? An wen kann ich mich wenden? Haben Sie einen allgemeinen Rat dazu?

Hallo,

in meinem Semester waren mehrere Chemielaboranten, CTAs und Chemotechniker. Keiner hat irgend etwas aus dieser Ausbildung fürs Studium anerkannt gekriegt, obwohl auch bei denen einige Sachen in der Ausbildung intensiver durchgenommen wurden als im Studium.
Mit der Anerkennung studienfremder Leistungen tun sich Hochschulen erfahrungsgemäß sehr schwer und einen Rechtsanspruch gibt es (zumindestens in NW) nicht. Alles sind Einzelentscheidungen des Prüfungsausschusses.

Gandalf

Hi itchy,

sag mal - habt Ihr an der Hochschule Anwesenheitspflicht?

*wink*

Petzi

Hallo!

Mit einer Begründung, dass meine Ausbildung nicht
annähernd so tiefgründig wie das Studium sei, gebe ich mich
auch nicht zufrieden.

Die Begründung ist aber zutreffend.

Habe ich recht mit meiner Behauptung, dass das Niveau der Ausbildung :in einem Fach das Studium übersteigen kann?

Nein. Du liegst mit dieser Behauptung gründlich daneben.
Inhalte einer gewerblichen Ausbildung und eines einschlägigen Studiums haben wenig bis nichts miteinander gemein. Die Ziele sind ganz andere.

Etwa ein Kfz-Mechatroniker soll am Ende seiner Lehre in der Lage sein, ein Auto zu reparieren. Sein Tun wird von einem beaufsichtigenden Meister gelenkt. Beide, Geselle/Facharbeiter und Meister, beschäftigen sich mit Technik, die schon mal funktioniert hat. Wenn das Ventil verbrannt ist, wird es eben ausgewechselt. Sie müssen und können qua theoretischem Background nicht beurteilen, ob die Materialzusammensetzung und das benutzte Verfahren der Oberflächenhärtung beim Original-Ersatzteil vom Hersteller optimal gewählt wurden. Ihre Aufgabe ist die Beschäftigung mit fertiger Technik. Die wird von ihnen zusammengeschraubt. Ein Maschinenbau-Ing. ist nach dem Ende seines Studiums nicht in der Lage, einen Kfz-Motor instand zu setzen. Womöglich ist er nicht einmal in der Lage, ohne Selbstverstümmelung mit Werkzeug umzugehen und er hat auch nie gelernt, irgendwas Sinnvolles zusammenzuschrauben. Dafür hat sich der Ing. aber z. B. mit Problemen von Gewinden und den darin auftretenden Kräften und Verformungen beschäftigt, von deren Existenz Facharbeiter und Meister nicht einmal etwas ahnen.

Der Kfz-Mechatroniker wird am Ende seiner Ausbildung an Autos arbeiten. Nur an Autos. Demgegenüber ist ein Maschinenbau-Ing. nicht festgelegt. Kann sein, dass er Flachschleifmaschinen entwickelt oder Programme für Zigarettenmaschinen schreibt oder Festigkeitsuntersuchungen an Flügeln von Windkraftanlagen durchführt oder Spritzgusswerkzeuge konstruiert oder Mahlwerke für Kaffeemühlen optimiert oder … oder … Es gibt vermutlich keinen Industriezweig ohne Maschinenbauingenieure. Deshalb hat ein Ingenieurstudium wenig bis nichts mit Anwendungen zu tun und deshalb ist ein Maschinenbau-Ing. am Ende seines Studiums zunächst zu gar nichts zu gebrauchen. Statt dessen wurde er mit theoretischem Rüstzeug befähigt, sich in überschaubarer Zeit in die Tiefe eigentlich jeder Technik einzuarbeiten. Ein Ing. ist per Ausbildung kein Schrauber wie ein Facharbeiter; er hat zunächst nur Grundlagenkenntnisse und ein paar rudimentäre Kenntnisse praktischer Anwendungen auf dem Niveau von Laborversuchen.

Jeder Maurergeselle würde sich krumm und schief lachen, sähe er, wie ein diplomierter Bau-Ing. ohne praktische Ausbildung versucht, eine Wand zu verputzen.

Ein Radio-und Fernsehtechniker-Lehrling kann nach dem ersten Lehrjahr viele Fehler an Rundfunkgeräten finden und beheben. Dagegen beschäftigt sich ein E-Technik-Student nach dem ersten Studienjahr mit Laplace-Transformation und Sprungantworten irgendwelcher (in den Augen des Radio- und Fernsehtechnikers lachhaft simpler) Netzwerke. Tatsächlich ist der Geselle aber niemals in der Lage, zu begreifen, was in dem vermeintlich simplen Netzwerk abgeht. Obwohl (oder gerade weil) er am Ende seines Studiums kaum etwas praktisch Brauchbares zustande bringen kann, ist der E-Ing. nach seinem Studium nicht festgelegt. Ob er Sensorik für künstliche Gliedmaßen entwickelt, Software für irgendwelche Steuerungen schreibt, Fahrerassistenzsysteme optimiert oder Scanner für Kassensysteme erdenkt, erfordert als Handwerkszeug Grundlagenwissen. Genau das vermittelt ein Studium. Die anwendungsspezifischen Dinge (was eben ein Facharbeiter lernt) muss sich der Ing. in seiner beruflichen Praxis selbst aneignen.

Ohne werten zu wollen, sind die Anspüche und Ziele von gewerblicher Ausbildung und Studium unterschiedlich. Deshalb kann man von einer Lehre für ein vermeintlich verwandtes Studium keine Vorkenntnisse anerkennen. Anzuerkennende Vorkenntnisse sind schlicht nicht vorhanden.

Zum Schluss noch dies: Deine Fehleinschätzung ist gefährlich für dich. Nicht von ungefähr bricht etwa die Hälfte aller Studierenden in den MINT-Fächern das Studium im Verlauf der ersten Semester ab. Einige Studis glauben, aufgrund ihrer gewerblichen Lehre über Vorkenntnisse zu verfügen. Zunächst wird im Schnelldurchgang ein bisschen Abi- oder FH-Reife-Wissen aufgefrischt und in einigen Fächern tauchen aus der Ausbildung vertraute Begriffe auf - schon klappen die Ohren zu. Die Meinung von der tollen Vorbildung scheint sich zu bestätigen. Eigenlich können diese Studis schon zu Hause bleiben. Sie bekommen nämlich nicht mit, wie ein Schnellzug Fahrt aufnimmt. Sobald ihnen dämmert, dass sich irgendwas rasend schnell an ihnen vorbei entwickelt hat, ist es schon zu spät. An den Fachbereichen E-Technik, Maschinenbau und Informatik pflegen die Erst- und Zweitsemester reihenweise in Mathe I und Mathe II mehr oder weniger vergeblich den Scheinen hinterher zu laufen, bei den E-Technikern sind es zusätzlich die Scheine Allg. Elektrotechnik I + II, bei den Maschinenbauern zusätzlich Techn. Mechanik I + II. In allen anderen Fächern sieht’s auch grausig, aber nicht ganz so hoffnungslos aus. Brauchte man für die Erstsemester noch den größten Saal, wird es nach dem 3. Semester richtig kuschelig. Dann sind nämlich u. a. all die Leute weg, die glaubten, Vorkenntnisse zu haben und nicht rechtzeitig aufwachten. Das Spiel wiederholt sich an jeder Hochschule seit Jahrzehnten.

Gruß
Wolfgang

Je nach Fach haben wir Anwesenheitspflicht. Ist immer unterschiedlich und wird auch kontrolliert.

Erst mal danke für Ihre Antwort.

Vor meinem Studienbeginn dachte ich nicht daran, dass meine Ausbildung sehr viel zu einem erfolgreichen Studium beitragen wird. Ich ging eher davon aus, dass mein technisches Verständnis ausgeprägter ist und die Praxiserfahrung in gewisserweise dabei helfen kann. Mir ist bewusst, dass die meisten an Mathematik und TM scheitern, da dies einfach die schwierigsten Fächer sind, in welchen mir meine Ausbildung absolut nichts bringt, sondern einfach nur „büffeln bis zum Umfallen“ die Lösung ist. Deshalb wäre ich um jede Vorlesung weniger froh, um mich gerade auf diese Durchfallfächer mehr vorbereiten zu können.

Die Anrechnung von Fächern wären in meinem Fall „Lernfächer“. Schließlich gibt es doch auch Fächer, in der zum Beispiel der Umgang mit dem Tabellenbuch ein Teil der Vorlesung ist. Oder es gibt Fächer, in welchen die Ingenieure eine Allgemeinbildung erlangen sollen. Wenn ich das Script mit meinem Stoff in der Berufsschule vergleiche, kann ich sagen, dass ich dort mehr erlernte. Außerdem werden bei dualen Studenten noch mehr Fächer angerechnet, welches ich als ungerecht empfinde.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass ich Ihre Erklärung sehr gut nachvollziehen und verstehen kann.

Vielen Dank für Ihre Antwort. Ich werde sehen, was ich tun kann.

Hi,

und genau dieses Fach (diese Fächer) um die es geht haben Anwesenheitspflicht? Und die Profs lassen da nicht mit sich reden?

Okay, dem sei so - auch wenn ich mir das nicht vorstellen kann, dass ein Prof auf die Anwesenheit eines Studenten besteht, der eh schon alles kann und weiss :smile:

Aber gut, dann ist’s halt so, dann gehste dort hin, hockst Deine Zeit ab, bringst den Prof gelegentlich mit ner klugen Frage ausm Konzept (wenn Du das schlau anstellst, wird er zukünftig eh freiwillig auf Deine Anwesenheit verzichten *fg*) und ansonsten machst Dich bei Deinen Kommilitonen beliebt indem Du denen, die kein so solides Vorwissen wie Du mitbringen hilfst.

*wink*

Petzi

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Guten Abend!

Die Anrechnung von Fächern wären in meinem Fall „Lernfächer“.
Schließlich gibt es doch auch Fächer, in der zum Beispiel der
Umgang mit dem Tabellenbuch ein Teil der Vorlesung ist.

Du denkst mit der Erfahrung von der Berufsschule. Du befindest dich aber an einer Hochschule. Tabellen können für den Praktiker im Berufsalltag sinnvoll sein. Das ist aber eine andere Baustelle. Du wirst mit Tabellen im Studium nicht viel zu tun haben, aber Verfahren kennenlernen, wie man zu den Tabellenwerten kommt. Als Industriemechaniker guckst du in eine Tabelle, um zu wissen, wieviel Kraft der Stanzstempel braucht, um ins Material zu gehen. Als Maschinenbau-Student nützt dir die Tabelle nichts, weil du die Kraft errechnen sollst. Von Tabellen und Formelsammlungen, die man in der Berufsschule braucht, kannst du dich als Maschinenbau-Student weitgehend verabschieden - alles viel zu nah am einengenden Blick auf unmittelbare Anwendbarkeit. Statt dessen geht es in den Urschlamm der Grundlagen.

Das ist auch gut so. Wäre ein Studium an der praktischen technischen Anwendung orientiert, wären die Inhalte ebenso schnell veraltet, wie sich die Technik fortentwickelt.

Oder es gibt Fächer, in welchen die Ingenieure eine
Allgemeinbildung erlangen sollen.

Wird überall individuell gehandhabt. Die Lehrinhalte wirst du aber nicht mit denen einer Berufsschule vergleichen können. Die Schüler einer Berufsschule sind 16 bis 20 Jahre alt und bringen als Voraussetzung mehrheitlich Haupt- oder Realschulabschluss mit. Studierende und der an sie zu stellende Anspruch sind damit nicht vergleichbar. Du wirst hoffentlich selbst erkennen, dass die Argumentation, man möge das Mittelschulniveau auf Studieninhalte der Hochschule anrechnen, nicht sonderlich überzeugend klingt.

Wenn ich das Script mit meinem Stoff in der Berufsschule vergleiche, :kann ich sagen, dass ich dort mehr erlernte.

Das ist genau der Effekt, den ich im vorigen Posting erwähnte. Du erkennst ein paar Begriffe und folgerst, das alles schon zu können.
Ich wiederhole mich: Du irrst dich in gefährlicher Weise. Berufsschule und Hochschule haben unterschiedliche Ziele. Dabei gibt es an Berufsschulen Lehrinhalte, die an Hochschulen gar nicht vorkommen. Das Zusammennageln einer Verschalung, das Verputzen einer Wand, das Verdrahten eines Schaltschranks und der Umgang mit einer Feile sind Lehrinhalte gewerblicher Ausbildungen. Nichts davon lernt man an einer Hochschule und Absolventen können das auch nicht (es sei denn, sie absolvierten vorher eine gewerbliche Lehre). Es gibt keine nennenswerte Schnittmenge der Lehrinhalte an Berufs- und Hochschulen. Deshalb gibt’s keine Möglichkeit der Anrechnung von an einer Berufsschule erworbenen Kenntnissen.

Außerdem werden bei dualen Studenten noch mehr Fächer angerechnet, :welches ich als ungerecht empfinde.

Ein duales Studium ist eine Kombination aus betrieblicher und akademischer Ausbildung und hat beträchtliche Schnittmengen mit einem reinen Hochschulstudium. Die Anrechnung von Leistungsnachweisen eines dualen Studiums erscheint deshalb nachvollziehbar.

Gruß
Wolfgang

Moin,

Ich werde sehen, was ich tun
kann.

nach der Lektüre von Wolfgangs Artikel muss ich meine Aussagen etwas relativieren.
Das Chemiestudium ist recht praxisbelastet, man steht also viel im Labor und arbeitet mit den Händen. Das sind Tätigkeiten, die Laboranten & Co in ihrer Ausbildung weit intensiver (wenn die Ausbildung was taugt) mitkriegen. Das ist aber, wenn man andere natur- und ingenieurwissenschaftliche Fächer betrachtet, eher die Ausnahme.
Bezüglich Thorie und Stoffmenge kann ich mich Wolfgang nur anschließen, das sind zwei völlig andere Welten und auch bei uns scheiterten viele, die das nicht begriffen.

Gandalf

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