Anzugs- und Drehmoment

Hallo wer-weiss-was Team und User,

tolle Seite, bin noch relativ neu hier 8-).
Ich hoffe, ihr könnt mir ein paar Antworten zum Thema
„Anziehen von metrischen Schrauben mit Drehmomentschlüssel“.

  1. Wie wird die Vorspannkraft definiert ?
    (Habe zwar die Formel und kanns mir auch ungefähr vor-
    stellen, aber ich möchte genau wissen, was sie aussagt.)
  2. Welche Vorteile hat es, wenn ich eine Schraube mit Drehmoment
    anziehe gegenüber nochmalen Schraubenschlüssel ?
  3. Wenn ich eine Schraube mit Drehmomentschlüssel anziehen will,
    wie muss ich diese vorbereiten, d.h. muss die erstmal handfest
    gezogen werden? Gibt es da bestimmte Vorgehensweisen?

Ich würde mich sehr über qualifizierte Antworten freuen :smile:.

Vielen Dank !

Hallo wer-weiss-was Team und User,

tolle Seite, bin noch relativ neu hier 8-).
Ich hoffe, ihr könnt mir ein paar Antworten zum Thema
„Anziehen von metrischen Schrauben mit Drehmomentschlüssel“.

Hallo,

  1. Wie wird die Vorspannkraft definiert ?
    (Habe zwar die Formel und kanns mir auch ungefähr vor-
    stellen, aber ich möchte genau wissen, was sie aussagt.)

Das ist die Kraft, mit der der Schraubenkopf / die Mutter auf die Auflage drückt, bzw. die Kraft, mit der das zu befestigende Teil auf seine Unterlage gepresst wird. Ist auch die Kraft, mit der die Schraube gestreckt wird. Nach dem Prinzip "Aktion = Reaktion " ( Kraft = Gegenkraft ).

  1. Welche Vorteile hat es, wenn ich eine Schraube mit
    Drehmoment
    anziehe gegenüber nochmalen Schraubenschlüssel ?

Die Vorspannkraft ist (weitgehend) proportional zum Drehmoment. D.h. in der Regel : je mehr Drehmoment, desto mehr Vorspannkraft.
Du kannst dann mit einem Drehmomentenschlüssel (entsprechend der Vorgabe des Konstrukteurs, die in der Zeichnung steht) die Schraube korrekt anziehen. Beim normalen Schraubenschlüssel geht’s nur nach Gefühl, und letzters kann gewaltig täuschen.
Ausserdem kannst du mit dem Drehmomentenschlüssel eher vermeiden, dass die Schraube zu stark angezogen wird und dadurch Schaden nimmt.

  1. Wenn ich eine Schraube mit Drehmomentschlüssel anziehen
    will,
    wie muss ich diese vorbereiten, d.h. muss die erstmal
    handfest
    gezogen werden? Gibt es da bestimmte Vorgehensweisen?

Das empfiehlt sich besonders bei Erstmontage , um eventuelle Widerstände durch Grate o.ä. zu überwinden.
Wenn du eine Zusammenbauzeichnung hast, dann schau da hinein. Dort stehen die Angaben zur Höhe des Drehmomentes (ggfls nach DIN, dann in der DIN-Tabelle nachschlagen). Allerdings sollte der Konstrukteur der Schraubverbindung die so ausgelegt haben (Durchmesser, Schraubenkopf), dass sie mit normalem Werkzeug vernünftig angezogen wird. Also kein M10 fürs Zusammenhalten von Kunststoffteilen.
Manchmal, für hochbeanspruchte Schraubverbindungen z.B. an Motoren, gibt es sehr präzise Vorschriften für einzelne Fälle : Reihenfolge, Drehmoment und Drehwinkel.
Gruß
Karl

Ich würde mich sehr über qualifizierte Antworten freuen :smile:.

Vielen Dank !

Hallo,

noch 2 Ergänzungen zum Schrauben:

  1. Besonders wichtig ist ein gleichmässiges Anziehen, wenn Dichtungen verwendet werden, typischer Fall Zylinderkopf. Sonst können Verspannungen entstehen bis zur Rissbildung im Zylinderkopf. Hier ist ein Drehmomentschlüssel Pflicht, auch wenn altgediente KFZ-Meister behaupten, sowas hätten sie im Gefühl.

  2. Beim Schrauben in der Industrie mit Robotern werden heute ganze Anzugs-Strategien angewendet: Einschrauben mit konstanter Drehzahl, Anziehen mit definiertem Drehmoment, dann noch um eine definierten Winkel (ein paar Grad) weiterdrehen.

Gruss Reinhard

Hallo,

  1. Besonders wichtig ist ein gleichmässiges Anziehen, wenn
    Dichtungen verwendet werden, typischer Fall Zylinderkopf.
    Sonst können Verspannungen entstehen bis zur Rissbildung im
    Zylinderkopf.

Auch um eine gleichmäßige Flächenpressung der Dichtung zu gewährleisten.
Gruß
Karl

Eine Schraube ist ein federndes Element. Federn kann die Schraube aber nur optimal, wenn sie auf ca. 70-95% (üblicherweise) der Streckgrenze (elastisch) angezogen wird (bester bzw. einziger Schutz ohne Klimbim vor Losdrehen). Wird sie zu stark angezogen (überelastischer Anzug), längt sie sich bleibend (schnürt sich u.U. sogar ein) und die Vorspannung ist flöten. Wird sie zu gering angezogen bzw. Vorspannung zu gering, ist nicht genügend Vorspannung da und die Schraube lockert sich und löst sich bzw. Dauerbruch erfolgt. Das liegt daran, daß die Schraube entlang ihrer schiefen Ebene (aufgewickelte Windung ergibt Dreieck) runterrutschen will. Daher ist Lösemoment IMMER niedriger (ca. 20%) als Anzugsmoment. Anzugsmoment hängt neben Schraubengüte und Abmessung hauptsächlich vom Reibbeiwert ab. In 1. Näherung 50:50 Gewindereibung zu Kopfauflagereibung. Wenn also Schraube eingeölt wird, sinkt Reibbeiwert mü und damit Anzugsdrehmoment. Normalerweise mü = 0.12 - 0,14. Stellt Euch eine Kiste vor, die auf der schiefen/ schrägen Ebene hochgezogen werden soll. Je glatter die Strasse, desto leichter gehts. Wenn Schraube eingölt wird, unbedingt geänderten Reibbeiwert beachten!!! Sonst gibts Schadensfall.
Gruß HR

Vielen Danke für die tollen Antworten, das hat mir sehr weitergeholfen!

Eine Schraube ist ein federndes Element. Federn kann die
Schraube aber nur optimal, wenn sie auf ca. 70-95%
(üblicherweise) der Streckgrenze (elastisch) angezogen wird
(bester bzw. einziger Schutz ohne Klimbim vor Losdrehen).
Wird sie zu stark angezogen (überelastischer Anzug), längt sie sich
bleibend (schnürt sich u.U. sogar ein) und die Vorspannung ist
flöten.

Hallo Herbert,
letzteres trifft nicht so eindeutig zu : Im Motorenbau wird sehr wohl deutlich bis in den Bereich der Streckgrenze hinein angezogen, also in den überelastischen Bereich. Siehe http://www.kamax.de/pdf/Motorenversch… auf Seite 2 unter dem Stichwort „drehwinkelgesteuertes Anziehen“ und auch http://www.google.de/search?hl=de&q=d
Auch ist es unbedingt vorteilhaft, durch niedrigen Reibwert (geölt) an Gewinde und Kopf möglichst wenig des Drehmoments durch Reibung zu verzehren, damit das Drehmoment optimal in Vorspannkraft umgesetzt wird.
Gruß
Karl

Eine Schraube ist ein federndes Element. Federn kann die
Schraube aber nur optimal, wenn sie auf ca. 70-95%
(üblicherweise) der Streckgrenze (elastisch) angezogen wird
(bester bzw. einziger Schutz ohne Klimbim vor Losdrehen).
Wird sie zu stark angezogen (überelastischer Anzug), längt sie sich
bleibend (schnürt sich u.U. sogar ein) und die Vorspannung ist
flöten.

Hallo Herbert,
letzteres trifft nicht so eindeutig zu : Im Motorenbau wird
sehr wohl deutlich bis in den Bereich der Streckgrenze hinein
angezogen, also in den überelastischen Bereich.

Stimmt! Deshalb habe ich auch mit Vorbedacht geschrieben: „üblicherweise“. Weil üblicherweise eben NICHT überelastisch angezogen wird. Ich wollte den Fragesteller nicht ethisch verwirren.

Auch ist es unbedingt vorteilhaft, durch niedrigen Reibwert
(geölt) an Gewinde und Kopf möglichst wenig des Drehmoments
durch Reibung zu verzehren, damit das Drehmoment optimal in
Vorspannkraft umgesetzt wird.

Auch meine Meinung! Aber!! Kann u.U. gefährlich sein (Mutter-Gegengewinde: Ausführung, wiederholtes Auf- und Zuschrauben durch untersch. Personen) und kostet unnötig Geld (Öl) und Zeit (vor bzw. bei Montage einölen). Evtl. muß sogar mit entspr. Prüfgeräten der genaue Reibbeiwert und damit das entspr. Anziehmoment labormäßig ermittelt werden (teuer!). Zudem genügt i.d.R. die Klemmkraft „normaler“ d.h. phosphatierter + leicht eingeölter Schrauben vollkommen. Was man nicht braucht, muß man auch nicht machen! Also nur in besonderen Fällen sinnvoll.
Gruß HR