Arbeiten am Sabbat ?

Hallo,

nur Interessehalber:
ich habe mal gehört, dass Juden am Sabbat nicht arbeiten dürfen, also rein garnichts.
Was ist aber mit so täglichen Beschäftigungen wie Essen kochen, Abwasch, Kinder versorgen und ev. alte, kranke Angehörige pflegen?

Oder einem Milchviehbauern? Milchvieh kann man nicht einfach einen Tag lang nicht melken. Und füttern muss man jedes Haustier jeden Tag was schließlich auch Arbeit ist.
Habe ich da etwas falsch verstanden? Gibt es Ausnahmen von der Regelung oder wie sieht das im Hausgebrauch aus?

Gruß und Danke, Hovke

Hallo Hovke,

nur Interessehalber:

genau dafür ist dieses Forum da.

ich habe mal gehört, dass Juden am Sabbat nicht arbeiten
dürfen, also rein gar nichts.

So ist es.

Was ist aber mit so täglichen Beschäftigungen

Du führst damit selber einen anderen Begriff ein und machst damit deutlich, daß es unterschiedliche „Qualitäten“ von Tun gibt. Nicht jedes Tun oder jede Beschäftigung gilt nach der jüdischen Tradition als „Arbeit“.

„Arbeit“ ist, was NICHT-Schabbat ist. Abgeleitet wird das aus der Bibel und zwar aus einer Liste von Tätigkeiten, die zum Bau des Tempels erforderlich waren. Für jede Kategorie gibt es dann weiterführende Auslegungen. Etwas abstrahiert und modernisiert könnte man formulieren:

Am Schabbat ist alles verboten, was einen Zustand verändert oder eine kreative Neuschöpfung ist. Der Schabbat galt übrigens auch für Sklaven und Tiere. Lebensrettung hat immer Vorrang.

wie Essen kochen, Abwasch

Essen kochen wird vor Schabbat für die ganze Zeit erledigt und führt zu einem ungemeinen Erholungseffekt.

Kinder versorgen und ev. alte, kranke Angehörige pflegen?

wird selbstverständlich gemacht

Oder einem Milchviehbauern? Milchvieh kann man nicht einfach
einen Tag lang nicht melken. Und füttern muss man jedes
Haustier jeden Tag was schließlich auch Arbeit ist.

Bestimmte unaufschiebbare Arbeiten werden unter bestimmten Regeln von Nichtjuden durchgeführt. Das ist dann der sogenannte Schabbesgoi.

Kühe werden gemolken, weil es ansonsten Tierquälerei wäre. Allerdings wird die am Schabbat gemolkene Milch von orthodoxen Juden nicht verwendet. Einen guten Freund von mir, der als Jugendlicher nach Palästina in einen orthodoxen Kibbuz kam, hat es sehr wütend gemacht, dass die am Schabbat gemolkene Milch weggeschüttet wurde.

Habe ich da etwas falsch verstanden? Gibt es Ausnahmen von der
Regelung oder wie sieht das im Hausgebrauch aus?

Es gibt keine Ausnahmen außer Lebensrettung, und vermutlich ist die Definition von „Arbeit“ in der jüdischen Tradition eine andere als Deine.

Viele Grüße

Iris

Kinder versorgen und ev. alte, kranke Angehörige pflegen?

wird selbstverständlich gemacht

Es gibt keine Ausnahmen außer Lebensrettung

Hmmm… Das war aber scheibar nicht immer so. Jedenfalls kann man in der Bibel lesen, daß Jesus auch deswegen angefeindet wurde, weil er am Schabbat Kranke geheilt hat. Nun mag Kranke heilen etwas anderes sein, als Leben retten, aber so groß ist der Unterschied wohl nicht.

Nun mag Kranke
heilen etwas anderes sein, als Leben retten, aber so groß ist
der Unterschied wohl nicht.

Dann frag mal Deinen Hausarzt, warum seine Praxis am Sonntag (und sicher nicht nur da …) geschlossen ist. Wo doch zwischen ‚Kranke heilen‘ und ‚Lebensrettung‘ kein nennenswerter Unterschied besteht. Schlage vor, dass Du ihn wegen unterlassener Hilfeleistung anzeigst.

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Hallo.

Hmmm… Das war aber scheibar nicht immer so. Jedenfalls kann
man in der Bibel lesen, daß Jesus auch deswegen angefeindet
wurde, weil er am Schabbat Kranke geheilt hat.

Zum einen muss man mit Jesus, den Erzählungen dort und wirklichen Verhältnissen sehr, sehr vorsichtig sein. Vieles was dort als Gegensatz zur jüdischen Lehre dargestellt wird, entspricht auch damals genau dieser.

Bezogen auf diese Stelle hier, geht es ja nicht um Lebensrettung, sondern um Heilung. Solange diese aufgeschoben werden kann, darf sie nicht am Schabbat gemacht werden. Allerdings müsste ich genau hier im Text nachlesen, wie es sich danach wirklich verhielt.

Nun mag Kranke
heilen etwas anderes sein, als Leben retten, aber so groß ist
der Unterschied wohl nicht.

Doch. So muss z. B. heute bei jedem Medikament u.a. diese Frage geklärt werden (vom Arzt) und hier muss sehr wohl deutlich unterschieden werden.

Gruss,
Eli

Hallo.

ich habe mal gehört, dass Juden am Sabbat nicht arbeiten
dürfen, also rein garnichts.

Ja, aber wie Iris schon anmerkte, gibt es unterschiedliche Begriffe von Arbeit. So ist Werken etwas gans anderes als physikalische Arbeit und Tätigkeiten umfassen wiederum anderes. So auch hier. Der Begriff von Arbeit aus der jüdische Lehre ist recht komplex.

Wie Iris schon anmerkte, geht dieser auf den Bau des Stiftszeltes zurück, da dieses ausdrücklich mit dem Hinweis auf das Arbeitsverbot am Schabbes, dort dann verboten wurden. Also hat die jüdische Tradition hieraus eine Liste von 39 Hauptarbeiten abgeleitet, welche auch alle anderen Stellen aus der Bibel hinzunehmen, wo es um dieses Arbeitsverbot am Schabbat geht. Aus diesen Hauptarbeiten werden dann alle anderen Regel abgeleitet, welche dann ganze Bücher fühlen.

Was ist aber mit so täglichen Beschäftigungen wie Essen
kochen, Abwasch, Kinder versorgen und ev. alte, kranke
Angehörige pflegen?

Bei jedem dieser Punkte kann man ja und nein antworten, es kommt dann ganz darauf an, was im Einzelnen damit gemeint ist. So ist bspw. das Kochen, also Erwährmen von festen Speisen am Schabbat verboten. Andere Formen des Kochens hingegen sind teilweise erlaubt. In religiösen Haushalten (nur Bruchteile der Juden leben heute noch religiös nach diesen Regeln) wird daraum in der ganzen Woche vor Schabbat das Essen für diesen Tag vorbereitet und vorgekocht und dann Freitag nachmittag (ein Tag beginnt hier abends, so auch der Schabbat) auf ein Feuer gestellt wo es dann denn ganzen folgendne Tag bis zum Verzehr warm gehalten wird.

Abwasch hingegen ist fast kein Problem, allerdings muss hierbei aufgepasst werden, dass kein warmes Wasser hierzu erwärmt wird (auch hier wird Wasser den ganzen Tag über bei gleicher Temperatur gehalten) und manche Geräte nicht verwendet werden, welche aufgrund anderer Arbeiten verboten sind, wie Schwämme und manche Spülmittel.

Alles andere stellt kein weiteres Problem dar, allerdings tauchen auch hier wiederum viele Einzeltätigkeiten auf, welche dann sehr wohl ein Problem sind, entweder ganz verboten sind oder auf eine andere Weise ausgeführt werden müssen.

Oder einem Milchviehbauern? Milchvieh kann man nicht einfach
einen Tag lang nicht melken. Und füttern muss man jedes
Haustier jeden Tag was schließlich auch Arbeit ist.

Füttern von Tieren ist hiernach keine Arbeit und hier gilt auch am Schabbes, dass Tiere vor dem Menschen „gefüttert“ werden müssen. Dafür gibt es bei Tieren ganz andere Probleme, da bspw. Jagen verboten ist und somit jegliches Einfangen von Tieren.

Habe ich da etwas falsch verstanden? Gibt es Ausnahmen von der
Regelung oder wie sieht das im Hausgebrauch aus?

Wie du siehst, ist es recht kompleziert, weswegen bspw. ein Nichtjude, welcher zum jüdischen Volk übertreten will und nach diesen Regeln leben will, spezielle Kurse besuchen muss und meistens auch in einer jüdischen Familie leben muss, damit er all diese Regeln mit allen Feinheiten lernen kann.

Der Einfachheit ist es am Besten, wenn man sich dabei nicht jegliche Arbeit vorstellt, sondern besser schaffende Tätigkeiten, denn auch darauf geht das Gebot dieses Ruhetages ja auch zurück. G’tt ruhte sich vom Erschaffen aus und wir sollen als seine Partner, es Ihm hier gleichtun.

Stelle dir also ein Tag vor, wo man faulenzt, mit der Familie zusammen ist, viel Singt und Betet und ausgiebig isst und hierbei alles schon bereitet ist, also niemand schuften muss. Einen Tag der Ruhe, ohne Stress, mit ganz eigenen Gerüchen und Geschmäcken… einen Tag wo der Mensch zu G’tt sich auf die Bank setzt und beide auf ihr Werk zurück blicken.

Gruss,
Eli

Also lieber Eli,

sei mir nicht bös,

aber diese Religion wär mir zu anstrengend, wenn ich das so lese.

Wobei, von außen betrachtet eigentlich recht sympatisch: Missionieren nicht, es gibt keinen Glockenlärm, und kein Gebrülle vom Minarett.

:wink:

^OO^

Hi

Naja, dafür entläuft halt so ne Kuh, rennt auf die A10 und verursacht nen Verkehrsunfall :confused:

Aber Wahnsinn ist das schon, mit den vielen Regeln. Gut, 99% streng werden außer den orthodoxen Juden wohl die wenigsten leben, aber bei der Masse von Regeln die es zu geben scheint (es gab da doch mal eine Zahl, oder? Waren das nicht knapp unter 400?) ist es schon eine starke Leistung auch nur 50% davon einzuhalten.

lg
Kate

Holz sammeln
Schon darauf steht die Todesstrafe.

… einen Tag wo der Mensch zu G’tt sich auf die
Bank setzt und beide auf ihr Werk zurück blicken.

Hallo Eli,

dieses Bild ist so schön, da kann ich gar nicht anders als ein ganz dickes Sternchen zu geben.

Viel schöner kann man den Sinn und Zweck des Sabbats nicht beschreiben, der ja keine Strafe, sondern ein Geschenk an die Menschen ist.

Gruß
Hardey

Hi

Naja, dafür entläuft halt so ne Kuh, rennt auf die A10 und
verursacht nen Verkehrsunfall :confused:

wohl kaum, denn Auto fahren ist auch verboten :wink:

Aber Wahnsinn ist das schon, mit den vielen Regeln. Gut, 99%
streng werden außer den orthodoxen Juden wohl die wenigsten
leben, aber bei der Masse von Regeln die es zu geben scheint
(es gab da doch mal eine Zahl, oder? Waren das nicht knapp
unter 400?) ist es schon eine starke Leistung auch nur 50%
davon einzuhalten.

613!

Gruss Harald

Hallo alle,

vielen Dank für die ausführlichen Antworten. Es ist zwar kompliziert, aber jetzt habe ich eine ganz gute Vorstellung davon, wie es funktioniert.

Gruß, Hovke

Hallo.

sei mir nicht bös,
aber diese Religion wär mir zu anstrengend, wenn ich das so
lese.

Warum sollte ich deswegen böse sein? All’ dies ist anstrengend, nicht nur Gelesen sondern auch praktisch. Nur, was ist nicht anstrengend, was uns berührt?

Gruss,
Eli

Nur,
was ist nicht anstrengend, was uns berührt?

Hallo Eli,

damit hast du auch wieder wahr!

Mein Beitrag war übrigens mit einem Augenzwinkern versehen!

Schöne Grüße!

To.i

Hallo.

613!

Ja, richtig, es werden 613 Gebote gezählt, wobei viele davon eigentlich jeder einhält und normalerweise dieses auch keine grosse Anstrengung von uns heutzutage verlangt, wie „morde nicht“ und viele andere betreffen uns heutzutage nur noch indirekt, wie alle Gebote bezüglich des Tempeldienstes. Für den realen Alltag bleiben dann davon nur noch wenige Gebote übrig.

Allerdings sind es auch nicht die Gebote welche hier die Anstrengung, die Arbeit verursachen, sondern die Regeln welche sich daraus ergeben und diese gehen dann wohl in die Tausende, welche alle im normalen Alltag zu beachten sind.

Beispielsweise kann man dieses am Gebot sehen, das Fleisch eines Kalbes nicht in der Milch seiner Mutter zu kochen. Für sich betrachtet liese sich dieses recht einfach kontrolliert auflösen, nur wird das Gebot dreimal in der Tora aufgeführt, woraus die mündliche Lehre einen Zaun zog, welche jegliche Trennung von Milch und Fleisch einfordert. Und hier geht es um Bruchteile, womit dann eben auch Geschirr zu trennen ist. Und schon ist aus dem einen doch klein erscheinenden Gebot eine Unzahl an Regeln abgeleitet, welche alleine für sich ganze Bücher füllen.

So gibt es hier Bücher welche sich alleine mit den Auswirkungen auf moderne Küchengeräte, wie Microwellenofen, Mixöfen usw. beschäftigen.

Gruss,
Eli

Schon darauf steht die Todesstrafe.

So einfach ist es auch wieder nicht, da hiervor ein Gerichtsprozess liegt, welcher erst einmal klären muss, ob hier überhaupt eine Schuld und ein todeswürdige Vergehen vorliegt.

Richtig ist, dass in der Tora ein Fall hierzu geschildert wird, welcher heute die Wichtigkeit aufzeigt, aber damals anders lag, als dieses heute gesehen würde.

Nach der mündliche Lehre, stand damals die Welt kurz vor der Erlösung, welche kommt (u.a.), wenn das ganze jüdische Volk zwei Schabbatot einhält. Vor dem Holzsammeln lag schon einer, der Zweite scheiterte dann am Holzsammler, welcher hierdurch die Erlösung verhinderte. Da man hierbei davon ausgeht, dass dieses alles gewusst war und eben das Volk damals auch dieses hohe Niveau an Heiligkeit erreicht hatte (einer aus Millionen bricht den Schabbat), war die Strafe hierfür so weitgehend.

Auch bei anderen Vorkommnissen in der Tora können wir sehen, dass das Strafmass davon abhängt, welche Stellung bzw. Heiligkeit der Betreffende hat und welche Auswirkungen dadurch sein Handeln und ob ihm dieses bekannt ist.

So wird Mosche alleine dafür massiv bestraft, dass er einmal für einen kurzen Moment, erbost war. Andere wird nach der Tora dieses zugestanden, aber eben nicht einem Führer des Volkes, dem Vorsitzenden des Hohen Gerichts, dem Bruder des Hoheprieters, dem Empfänger der Tora…

2 Like

Hi!

Wie kommt es denn, dass sich an diese scheinbar stetig wachsende Zahl von Regeln gehalten wird?
Ich meine, gut, die grundsätzlichen Regeln machen im Sinne der Religionsausübung ja Sinn, aber mit der Zeit kommen immer mehr und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Gelehrten immer einig waren. Dennoch scheinen (zumindest nach meinen bisherigen Erfahrungen damit) gerade kleine Alltagsregeln wie selbstverständlich angenommen zu werden. Ist natürlich nicht nur ein jüdisches Phänomen aber wenn wir dich als Experten gerade mal hier haben :smile:

lg
Kate

Hallo.

Wie kommt es denn, dass sich an diese scheinbar stetig
wachsende Zahl von Regeln gehalten wird?

Och, ich hatte es noch nicht einmal über Minhagim (Gebräuche), welche ja auch noch zahlreich sind :wink: Ansonsten sehe ich keinen so grossen Zuwachs an Regeln. Eigentlich sind diese seit einige hundert Jahren recht konstant, allerdings müssen Veränderungen in der Welt in dieses Regelwerk eingefügt werden. Das betrifft hierbei aber nicht nur das Judentum, sondern auch alle anderen Kulturen.

Ich meine, gut, die grundsätzlichen Regeln machen im Sinne der
Religionsausübung ja Sinn, aber mit der Zeit kommen immer mehr
und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Gelehrten
immer einig waren.

Nein, es gibt verschiedene Richtungen (und damit meine ich jetzt nicht einmal die grobe Einteilung in Liberal und Orthodox und weiteren) sondern auch innerhalb dieser einzelnen Richtungen, wo Regeln verschieden aufgefasst werden. So essen bspw. Sefarden kein Fisch mit Milchig zusammen, Aschkenasim sehr wohl. Und bei manchen ist Reis an Pessach verboten bei anderen nicht usw.

Diese Unterschiede betreffen dann aber immer den „Zaun“ welcher um das Gesetz gezogen wurden. Um hier eine Übertretung zu verhindern, wurden Bereiche eingezogen, welche eine Übertretung lange davor verhindern.

Dennoch scheinen (zumindest nach meinen
bisherigen Erfahrungen damit) gerade kleine Alltagsregeln wie
selbstverständlich angenommen zu werden.

Ansonsten würde ich die Einhaltung von Regeln an die Autorität binden, welche man dahinter wähnt und welche Macht man dieser zugesteht. Damit meine ich nicht die Angst davor, wie zuoft fälschlich angenommen wird, sondern die eigene Ernsthaftigkeit welche man diesen Regeln entgegen bringt. Und hier ist es auch nicht der rachende G’tt, welcher sein wachendes, zorniges Auge über die Juden hält, damit diese auch noch die kleinste, eigentlich unsinnigste Regel einhalten, sondern seine umfangreiche Liebe. Von Aussen ist dieses vielleicht kaum zu verstehen, aber diese ist es, welche dann sich eben auch in der gegenseitigen Liebe zu diesen Regeln ausdrückt. So verstehen die meisten Juden (welche sich daran halten) diese nicht als Last, als Pflicht, als Strafe, sondern als Gebot an die eigene Liebe zu sich selbst, zu G’tt, zu dieser Welt.

Gruss,
Eli

Hallo,

vielen lieben Dank für deine Auskünfte :smile:

lg
Kate

danke
für die Aufklärung - Sternchen