Arbeitsunfähig und Gewerbe?

Wenn man aus psychischen Gründen arbeitsunfähig ist und Krankengeld bezieht, darf man dann parallel ein Gewerbe anmelden, um von zuhause aus selbständig zu arbeiten? Und wenn ja, wie sind die Bedingungen?

Du darfst während der AU alles machen, was deine Genesung nicht gefährdet oder verzögert.

Bei psychischen Gründen kann ich es mir sehr gut vorstellen, dass ein selbständiges Arbeiten von Zuhause nicht dieselben negativen Effekte wie das Arbeiten in der Firma haben könnte.
Aber auch das genaue Gegenteil kann vorliegen - wer zum Beispiel wegen eines Burnouts einfach am besten gar nichts mehr unternehmen sollte, was mit Aufgaben, Zwängen, Erledigungen, Kundenumgang … zu tun hat, der sollte tunlichst selbständig nicht genau das machen, wovor ihn die AU für die unselbständige Arbeit schützt.

Kann der behandelnde Arzt nicht konsultiert werden? Das beste wäre, wenn man ihm das Vorhaben erklärt und sich bestätigen lassen könnte, dass ein selbstbestimmtes Arbeiten in der häuslichen Umgebung die Leiden sogar lindern könnte.

Auf jeden Fall sollte man im Arbeits- und Tarifvertrag nachschauen, was dort zu Nebentätigkeiten steht. Meines Wissens sind diese immer anzeigepflichtig* und ggf. auch genehmigungspflichtig.

Alles was Recht ist, aber in was für einer kranken Gesellschaft leben wir hier mittlerweile? Dass jemand laut unsanktioniert darüber nachdenken kann während Krankengeldbezug, aus welchem Grund auch immer, ein Gewerbe anzumelden um sich selbständig zu machen. Ist es mittlerweile egal von wo und mit welchen Mitteln, man Geld abgreifen kann das andere erarbeitet haben.

Dagegen bin ich definitiv auch!

Aber es gibt z.B. Fälle, wo ein Mensch plötzlich nicht mehr Auto fahren kann, weil er die entsprechende Angststörung hat.
Der kann den Beruf des Schulbusfahrers oder Polizisten im Funkstreifenwagen nicht mehr ausüben; aber sicherlich in einem Lager Warensendungen kommisionieren oder am Telefon Geschäfte abwickeln.

Vielleicht meldet sich noch ein Krankenversicherungskundiger zu dem möglichen Auswirkungen auf die Krankengeldzahlungen , wenn der Ertrag der selbstständigen Tätigkeit dann feststeht.

Wenn Frau Fleißig bei der „Knecht & Maloch KG“ als Kauffrau im Großhandel geknechtet wurde, dauerhaft Überstunden ackern musste, von Kollegen missachtet und gemobbt wurde - nun aber festgestellt hat, dass sie ein Händchen für die Reparatur von Frequenzumrichtern hat, dann spricht meines Erachtens moralisch und rechtlich nichts gegen ein bischen legale, angemeldete und zu versteuernde Arbeit zu Hause.

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Hallo,
nur mal so und nebenbei - Arbeitsunfähig und Krankengeld, nebenher aber selbständig und Arbeitseinkommen. Wenn ich kein Rentner wäre, sondern noch in Arbeitnehmer, würde ich mich aufregen. :sunglasses:
Fachlich gesehen - aus Sicht der Krankenkasse erst mal ein Unding und Anlass dafür, die Arbeitsunfähigkeit zu bezweifeln.
Gruß
Czauderna

Auf den „moralischen“ Aspekt mag ich nicht eingehen, aber…

Ist das in dieser Pauschalität so? Ich weiß das wirklich nicht, aber mich erinnert das an den „Wanderurlaub auf Malle“, der bei einem Menschen mit Winterdepression im Januar vielleicht von der Krankenkasse aus okay ist, während das gleiche Ansinnen vom Typi mit gebrochenem Bein ziemlich sicher nicht okay ist? Will sagen: wäre sowas ne Einzelfallentscheidung oder geht das pauschal gar nie?’

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Vielen Dank für die ausführliche und hilfreiche Antwort. lg

Hallo,
ja, genau so ist es - in der Realität ist das so - erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse medizinisch abgeklärt sind, können auch solche Konstellationen in der Praxis funktionieren.
Ich betrachte solche Fälle nicht nur aus der (ehemaligen) Praxis als Krankenkassenmitarbeiter, sondern auch als beitragszahlendes Mitglied einer Krankenkasse und als solches sehe ich die Konstellation Krankengeld und Arbeitsentgelt/Arbeitseinkommen auch kritisch.
Gruss
Czauderna

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Dürfen darf man, aber das ist ja wohl nicht die eigentliche Frage. Denn die hat verschiedene Perspektiven.

  1. Gewerbeanmeldung: das sagt alles und nichts. Eine Gewerbeanmeldung kann Kleingewerbe bedeuten. Außerdem sagt die Anmeldung an sich nichts darüber aus, wann die eigentliche Tätigkeit erfolgt und inwieweit die überhaupt mit einer AU kollidiert.
  2. Gesundheitliche Aspekte und Geld: kollidieren beide Zustände? AU aus bestimmten physischen Gründen kann ganz andere Tätigkeiten problemlos durchführbar lassen, andere nicht. Psychische Erkrankungen gehen tendenziell eher damit einher, dass generell und nicht nur arbeitsplatzbezogen AU besteht, wobei Ausnahmen die Regrl bestätigen. So ist z.B. gut vorstellbar, dass jemand wegen eines Arbeitsplatz bezogenen Burnouts oder einer Depression AU ist, aber für andere Tätigkeiten arbeitsfähig. Nur muss man sich gefallen lassen, dass da sehr genau hingeschaut wird.
  3. gesundheitliche Aspekte und Gesundheit: wer eine psychische Erkrankung hat, sollte sehr gut überlegen, ob eine Selbstständigkeit so die richtig gute Idee ist. Wenn man im Rahmen einer voraussichtlich länger dauerenden Erkrankung kürzere Episoden hat, wo es einem so gut geht, dass man bspw. Taschen näht und die dann im Rahmen eines Gewerbes verkauft, ist das etwas anderes, als wenn man von täglichem Streamen vor Publikum redet und xtausend Varianten dazwischen.
    Das Eine kann gesundheitlich fruchtbar sein, das andere schaden. Schon alleine wegen Stress.

Ganz blöd wird es dann, wenn das darauf angelegt ist, jemanden zu bescheissen.

Es tut mir leid, ich bin nicht sicher, ob ich Deine Antwort richtig verstehe… Das mag aber daran liegen, dass meine Frage möglicherweise nicht klar gestellt war. Was ich eigentlich wissen wollte: darf ich wenn ich Krankengeld beziehe „unter gar keinen Umständen“ selbstständig tätig sein oder darf ich das nach entsprechendem Antrag und Einzelfallprüfung?

Das sind zunächst zwei verschiedene Paar Schuhe. Ob die weitere Tätigkeit im angestellten Verhältnis oder selbstständig ausgeführt wird ist das eine Paar. Die Frage ist mit dem Arbeitgeber grundsätzlich zu klären. Angezeigt werden ihm gegenüber muss es, ggf. gibt es Einschränkungen im Arbeitsvertrag und das Gewerbe kann versagt werden.
Für den Fall der AU ist das (Klein-)Gewerbe dann nicht anders zu behandeln, wie es ein Nebenjob wäre. Es gibt Konstellationen, bei denen möglich ist, die eine Tätigkeit auszuüben, während das in der anderen nicht möglich ist. Insofern ist die Antwort auf die eine Frage: „Darf ich Unter gar keinen Umständen selbstständig sein“ so mit nein zu beantworten.
Die Krankenkasse darf nicht nur, sie muss aber Missbrauch verhindern. Und der Arbeitgeber hat bei Missbrauch das Recht zur fristlosen Kündigung. Damit diese Konstellation also überhaupt funktioniert, müsste das Gewerbe dem Arbeitgeber gegenüber angezeigt worden sein und der Arzt explizit auf den einen Job hin AU attestiert und andere Tätigkeiten für möglich erachtet haben.

Der Gang dürfte dann wie immer sein: die Kasse prüft. Wenn sie misstrauisch wird bzw. medizinischen Prüfungsbedarf sieht, schaltet sie den MDK ein. Dann kann sie weitere Zahlungen von Krankengeld verweigern, wenn sie die AU künftig nicht mehr sieht. Bestätigt sich, dass das alles vorgetäuscht war, geht das auch rückwirkend und zieht ggf. weiteren Ärger nach sich.

Hallo,
„Antrag und Einzelfallprüfung“ trifft es am besten.
Ich hatte in meiner Praxis schon einige Fälle, wo es so gelaufen ist.
In der Hauptbeschäftigung arbeitsunfähig, z.B. wegen eines Unfalls, und Krankengeldbezug, in der Nebentätigkeit (egal ob Arbeitnehmer oder selbständig) aber arbeitsfähig aufgrund der Art der Tätigkeit. In allen Fällen wurde geprüft, ob diese Nebentätigkeiten Einfluss auf die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in der Hauptbeschäftigung haben, was die Dauer angeht.
Wenn dies nicht der Fall war, dann konnte in diesen Einzelfällen auch weiterhin Krankengeld gezahlt werden.
Gruss
Czauderna

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Besten Dank, jetzt hab ich’s verstanden :slight_smile: Macht ja auch irgendwie Sinn…

Vielen Dank für die ausführliche Antwort, es geht tatsächlich um depressive Episoden, die zwischendrin zulassen von zuhause aus tätig zu werden und dem Zustand zu Gute kommen. Hier liegt kein mutwilliges Bescheissen vor, aber man muss sich tatsächlich einiges gefallen lassen, um ein Gewerbe rechtzufertigen. lg und danke

Na, dann weißt ja was zu tun ist: besprich das mit Deinem behandelnden Arzt und dann trittst Du an Deine Krankenkasse ran :slight_smile: Viel Erfolg!

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Du solltest das mit deiner Ärztin / Arzt und / oder Psychotherapeut / in besprechen. Es gibt inzwischen verschiedene Krankenkassen, die konkrete Projekte zur beruflichen Wiedereingliederung speziell an Depression Erkrankter haben. Dass das mit dem Arbeiten tageweise gut klappt, dann wieder mal ein paar Tage gar nicht oder mit halber Kraft, ist bei diesem Krankheitsbild ja der Regelfall und nicht die Ausnahme. Phasenweise ist da eine Tätigkeit sogar hilfreich, während sie in anderen nicht möglich oder sogar schädlich sein kann.
Hier ist ein Beispiel:
https://www.ikk-classic.de/gesund-machen/arbeiten/wiedereingliederung-nach-psychischer-erkrankung
Aber es gibt auch noch andere. Du kannst dich da auch mal beraten lassen bei Selbsthilfe, wie u.a. der


In jedem Fall tust du in eigenem Interesse gut daran, das auf Kooperationsbasis zu machen. Ärger mit der Krankenkasse und / oder dem Arbeitgeber kannst du nicht gebrauchen. Vielleicht gibt es ja auch die Möglichkeit, ein solches Wiedereingliederungsmodell bei deinem Arbeitgeber zu machen.

Das über ein eigenes Gewerbe zu machen hat, mal abgesehen vom Krankengeld, auch Vor- und Nachteile. Vorteil ist sicherlich, dass du dir das selbst einteilen kannst. Allerdings gehst du mit Gewerbe auch in gewissem Rahmen Verpflichtungen ein. Hier kann das problematisch werden, wenn dadurch Druck entsteht, der sich mit der Depression beisst. Wenn du also gewisse Dinge nicht wahrnehmen kannst, dadurch Druck von außen entsteht, der dich dann umso mehr in eine depressive Episode schiebt. Wenn du das durchziehen möchtest, dann sollte vielleicht auch jemand im Hintergrund sein, der das notfalls abfangen kann. Zumindest solltest du einen Plan B für solche Situationen haben… vorher.

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