Arbeitsweise im Studium und Motivation

Hallo!

ich habe in letzter Zeit ein größer werdendes Motivationsproblem.

Vorgeschichte: Nachdem ich die ersten zwei Semester sehr erfolgreich Physik angefangen habe, kam im 3. Semester ein Praktikum dazu.

Dieses Praktikum ist ziemlich mies gelaufen und jetzt im 4. Semester verliere ich wegen dem Praktikum ein ganzes Jahr (das Praktikum geht über ein Jahr und ich muss es wiederholen).

Komischerweise ist meine Motivation im 4. Semester komplett kaputt gegangen. Am Anfang habe ich wirklich versucht überall da zu sein alles perfekt zu machen. Doch mit der Zeit, und besonders als dann das Praktikum kaputt gegangen ist, ist mir das alles nur noch wie eine sinnlose Formalie vorgekommen.

Zudem habe ich in meinen Übungsgruppen im 4. sem. Kommilitonen die mir total unsympathisch sind bekommen. Durch meine späten Arbeitszeiten im Nebenjob bin ich manchmal morgens zu spät gekommen und wurde dann direkt so angeschaut als hätte ich jemanden umgebracht. Die Leute sind arrogant, halten sich für toll und „erwachsen“, finden das peinlich und meinen sie wärns. Dazu muss ich sagen, dass ich meine Kontakte fast alle außerhalb der Uni hab und super mit meinen Leuten klar komme. Wegen meinen Kommilitonen (auch) habe mich dann mit der Zeit immer unwohler gefühlt, und immer wieder hab ich mich schlechter gefühlt, wenn das Praktikum schlecht gelaufen ist (protokoll zu schlecht, gemecker, dumme sprüche) und jetzt in den letzten Wochen ist meine gesamte Motivation dermaßen gekippt.

Es ist jetzt so schlimm geworden, dass ich auf die gesamten Veranstaltungen verzichte, weil ich einfach keinen Sinn darin sehe. Zudem habe ich keine Kraft mehr, mit diesen Leuten zusammen zu sitzen oder mir im Praktikum vor Augen zu führen, wie schlecht meine Protokolle sind (hab ja eh schon am Anfang des Semesters zu viele Fehlversuche gehabt). Stattdessen setze ich mich in die Bibliothek und bereite mich auf die Klausuren vor, die ich dieses Semester mitschreiben werde (nicht alle ,da durch Praktikum durchgefallen). Dafür stehe ich sehr früh auf, versuch immer schon um 6 uhr los zu fahrn damit ich um 7 da sein kann.

Das Komische ist: in die Uni-Bibliothek komme ich ohne Probleme. Auch zu meinem Job gehe ich immer motiviert und gerne (Hausaufgaben Betreuung und Kinder-Jugend-Treff). Nur diese Veranstaltungen, da kann ich iwie meinen Hintern nicht mehr hin bewegen.

Leider komme ich mir jetzt wegen dem Fehlen und weil ich jetzt ein Jahr verliere vor wie ein kleiner Verbrecher. Aber auf der anderen Seite bin ich es auch einfach Leid, immer überall springen zu müssen, obwohl es mir nichts bringt, die Veranstaltungen kommen mir wie verplemperte Zeit vor, die ich absitzen würde.

Würdet ihr die restlichen Veranstaltungen besuchen, damit ihr nachher von euch behaupten könnt, nicht gefehlt zu haben, oder würdet ihr, wie ich, auch lieber nur noch für die Klausuren lernen ?

Danke im Voraus für eine Antwort und Freundliche Grüße

Hallo,

ich denke, an dir frisst die Niederlage im Praktikum. Möglicherweise hat das eine Menge negativer Gefühle für dich selbst ausgelöst, und du bist enttäuscht von dir selbst und zweifelst an dir und deinen Fähigkeiten. Vielleicht kommt auch das Gefühl hinzu, die Erwartungen anderer (Eltern?) enttäuscht zu haben.

Besonders wenn es das erste Mal in deinem Leben war, wo du gescheitert bist, kann das das Selbstwertgefühl tief erschüttern. In der Folge hast du begonnen, dich quasi selbst zu bestrafen, indem du deine eigenen negativen Gefühle für dich auf deine Kommilitonen übertragen hast. Das ist möglicherweise leichter gefallen, weil diese ohnehin nicht sehr sympathisch waren - aber letzten Endes scheint es mir, als wärst du selbst gerade dein größter Gegner.

All das, was nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Scheitern steht, ist weiterhin okay. All das, was dich daran erinnert und dich konfrontiert, möchtest du meiden, weil es dir schlechte Gefühle macht.

Vielleicht führt also dein Weg aus der Misere darüber, dir selbst zu verzeihen. Du könntest dir noch einmal sehr bewusst anschauen - auch wenn es schmerzt - was genau eigentlich im Praktikum schief gelaufen ist, worin deine Anteile lagen und worin die der anderen Seite. Vielleicht stellst du abschließend fest, dass du tatsächlich Mist gebaut hast, vielleicht wird auch deutlich, dass du nicht die alleinige Verantwortung trägst.

In jedem Fall kannst du für dich mitnehmen, was dir in Zukunft nicht mehr passieren wird.

Und dann mach’ dir ein Getränk deiner Wahl auf oder tu sonst etwas Befreiendes und hake es ab. Shit happens - und er war dann für etwas gut, wenn wir draus lernen können.

Vielleicht ist es wirklich eine gute Idee, nur noch das zu machen, was aktuell wichtig ist und im nächsten Semester/ Jahr mit neuer Energie durchzustarten. Ein wenig Abstand von einigen Dingen kann manchmal hilfreich sein.

Vielleicht kommst du aber auch zu dem Schluss, dass dir das, was du jetzt übst, beim zweiten Anlauf von Nutzen sein wird. Dann nimm mit, was du kriegen kannst.

Ich bin ziemlich sicher, dass die anderen Studenten dann auch kein Problem mehr sind, weil du mit dir selbst wieder im Reinen bist.

Schöne Grüße,
Jule

Hallo

Das Komische ist: in die Uni-Bibliothek komme ich ohne Probleme. Auch zu meinem Job gehe ich immer motiviert und gerne (Hausaufgaben Betreuung und Kinder-Jugend-Treff). Nur diese Veranstaltungen, da kann ich iwie meinen Hintern nicht mehr hin bewegen.

Was ist denn daran komisch? Bei diesen Veranstaltungen wirst du blöd angemachst, an den anderen beiden Orten nicht. Wieso ist es komisch, wenn man zu den anderen beiden Orten gerne hingeht und zu dem Ort, an dem man unfreundlich behandelt wird, ungerne? Eigentlich fände ich es eher komisch, wenn es anders wäre.

Leider komme ich mir jetzt wegen dem Fehlen und weil ich jetzt ein Jahr verliere vor wie ein kleiner Verbrecher.

Vor wem genau? Wer sieht dich als kleiner Verbrecher?
Überleg dir das mal, dann bist du schon ein Stück weiter.
Dass es 99,9999992 % der Menschheit ziemlich egal ist, ob du ein Jahr länger oder kürzer studierst, das ist doch klar? Finde also denjenigen, dem es nicht egal ist.

Wenn es die eingebildeten Kommilitionen sind, so mache dir klar, dass es Menschen gibt, die sich gerne als Elite fühlen wollen, und die zu diesem Zweck andere Mitmenschen mobben, die für diesen Zweck geeignet erscheinen, und das sind solche, die a) sich nicht wehren und b) denen es etwas ausmacht und c) wo sie irgendeinen Aufhänger finden. Vielleicht könntest du da an deiner Einstellung arbeiten? Wenn du dir immer wieder sagen würdest, dass es nicht an dir liegt, wie die mit ihren Mitmenschen umgehen, sondern an denen, und das mehr an dir abprallen lassen würdest, dann würde das auch irgendwann aufhören. -

die Veranstaltungen kommen mir wie verplemperte Zeit vor, die ich absitzen würde.

Was sind das denn für Veranstaltungen? Zu Übungen muss man doch hingehen, oder nicht? Zu Vorlesungen natürlich nicht, aber man hat doch nicht nur Vorlesungen…

Würdet ihr die restlichen Veranstaltungen besuchen, damit ihr nachher von euch behaupten könnt, nicht gefehlt zu haben,

Wenn das wirklich der einzige Grund ist, natürlich nicht.
Ist es aber sicher, dass man da gar nichts erfährt, was man nicht auch anders lernen kann?

Viele Grüße

Hallo,
Ich glaube, solche Phasen erleben viele Studenten mal. Versuch, noch so viel wie möglich zu reißen (Klausuren) und dann starte nächstes Semester mit neuer Power! Ein Semester länger studieren ist ärgerlich, bringt einen aber nicht um!

Alles Gute,
batz (auch grad im Unistress…)

Auszeit
Hallo Monadic512,

ich habe die ersten Semster im Physikstudium als Lernprozess zum Steigern der Frustrationstoleranz erlebt.

Eine gewisse Frustrationstoleranz ist wichtig für die spätere Arbeit: Viele Experimente werden daneben gehen, man grübelt wochenlang über Problemen, die dann aber meistens schließlich gelöst werden!

Die Hälfte meiner Kommilitonen haben das Studium abgebrochen, weil sie an den Mathekursen gescheitert sind, was meiner Meinung hauptsächlich daran lag, dass sie nicht durchgehalten haben. Ich habe selbst mehrmals überlegt, Bäcker zu werden oder etwas anderes „Sinnvolles“ zu tun und bin heute froh, es nicht getan zu haben.

Glaube mir, es wird besser (spätestens, wenn Du in einer Arbeitsgruppe an einem Lehrstuhl bist) und es wird auch wieder Spaß machen!

Wichtig fand ich es, zwischendurch den Frust von der Seele zu reden. Wenn Du eingebildete Kommilitonen hast, geh zur (psychologischen) Studienberatung. Nimm Dir eine Auszeit, vergiss das verlorene Jahr und wenn Du wieder Energie hast, starte neu durch.

Eine andere Sache, die ich mir überlegen würde:
Es gibt die Möglichkeit, bei den Arbeitsgruppen als studentische Hilfskraft, z.B. für Messungen, anzufangen. Du bekommst Kontakt zu anderen (netten :wink:) Physikern und siehst wofür sich Deine Mühen im Studium lohnen :wink: ach ja, Geld gibt es auch…

Kopf hoch!
Sarah