Arbeitszeugnis für einen Helfer

Tach,
jetzt komme ich einmal mit einem Arbeitszeugnis.
Frage: Was fehlt, was ist zuviel? Es soll am Ende ein gutes Zeugnis darstellen, was keine „Geheimcodes“ oder sonstige Fallstricke enthält.

Arbeitszeugnis

Herr Muster, geboren am xx.xx.xx in WEITWEG, war vom dd.mm…20 bis zum dd.mm…23 in meiner Firma als Elektroinstallateur-Helfer beschäftigt.

Seine Tätigkeiten umfassten insbesondere:

  • Vorbereitende und unterstützende Tätigkeiten, darunter die Zusammenstellung benötigter Arbeitsmittel und Materialien, die Reinigung von Arbeitsstätten und den Transport von Materialien vom und zum Arbeitsort
  • Leitungsverlegung, inklusive der selbständigen Vorbereitung von Leitungswegen durch Schlitze, Rohre und Kanäle
  • Installation von Gerätedosen in Mauerwerk und Gipskartonwänden
  • Selbständiger Anschluss einfacher Betriebsmittel wie Leuchten, Schalter, Steckdosen und Kommunikationsdosen

Herr MUSTER eignete sich während der Beschäftigung ein umfassendes Wissen an, das er zur Bewältigung seiner Aufgaben sicher und erfolgreich einsetzte. Er hat sich in kurzer Zeit in seinen Aufgabenbereich eingearbeitet und zeigte ein hohes Maß an Initiative und Leistungsbereitschaft; dabei arbeitete er stets zielstrebig und sorgfältig. Seine Arbeitsergebnisse waren, auch bei wechselnden Anforderungen und unter sehr schwierigen Bedingungen, stets von guter Qualität. Auch unter hohem Arbeitsanfall erwies sich Herr MUSTER immer als belastbarer, fleißiger und zuverlässiger Mitarbeiter. Er erledigte die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit. Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden war stets einwandfrei, sein freundliches Wesen beeinflusste die Teamarbeit nachhaltig positiv.

Das Arbeitsverhältnis endet betriebsbedingt zum 31.08.2023.

Ich danke Herrn MUSTER für seine wertvolle Mitarbeit und bedauere es, ihn nicht mehr beschäftigen zu können. Für seinen weiteren Berufs- und Lebensweg wünsche ich ihm alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.

Unterschrift vom Inhaber.

Ich fang mal an: in meinen Augen ein absolut ehrliches, echtes, gutes Zeugnis. Man spürt deutlich, dass Du dem Herrn Muster nur das beste willst und keine Fallstricke einbaust.

Ein paar Kleinigkeiten:

  • man könnte das eine oder andere „stets“ durch ein „jederzeit“ ersetzen :wink:

Aber natürlich habe ich ein paar Fragen dazu:

Du darfst durchaus einen Satz „Die X_Strom GmbH ist ein inhabergeführter Strippenzieher mit Schwerpunkt der Strippenzieherei in dubiosen Fabrikgebäuden mit merkwürdigen Installationen“ oder so reinschreiben.
Ist Elektroinstallateur-Helfer die offizielle Berufsbezeichung?

Man sagt, dass man die Tätigkeiten in der Reihenfolge ihrer „Wichtigkeit“ und „Anspruchsvolligkeit“ sortieren solle. Da scheint mir der erste Punkt eher das „Deppengeschäft“ während die folgenden Punkte ja doch etwas anspruchsvoller sind?

Hatte er vorher überhaupt keine Ahnung von der Strippenzieherei? Dann würde ich das durchaus erwähnen, dass er da total viel gelernt hat. Vielleicht war er auch interessiert? Vielleicht war er auch auf ner Fortbildung?

Das ist so ein Haken: er war schon bereit zu leisten aber klappte halt nicht.

Nicht „sehr guter“? „hervorragender“?

Jeder Zeugnisgenerator kreischt an dieser Stellen lauthals „Note 2“ - willst das damit sagen?

In dem Fall würde ich die Reihenfolge umdrehen: an erster Stelle stehen die Kunden, ne? Dann die Vorgesetzten und erst dann die Kollegen. Gerade mit dem folgenden Satz

könnte man sonst mutmaßen, dass der die ganze Zeit fröhlich am Plaudern (und ggf. auch bechern) war und um ihn rum immer mehr Party als Arbeit stattfand. Ich vermute, das willst Du nicht sagen?

Ich sehe da eher einen unglaublich liebenswürdigen, netten, fröhlichen nicht-Muttersprachler der irgendwie nie ne Ausbildung hingekriegt hat und sich nun überall nützlich macht und „die Arbeit sieht“ und ohne großes Federlesens auch erledigt.

[Editiert vom Moderator X_Strom. Zur besseren Anonymisierung Beschäftigungsdaten entfernt]

Nein, es gibt keinen solchen Beruf.
Ist die Eigendarstellung notwendig, sinnvoll, üblich?

Aus meinem Deutschunterricht von vor 86 Jahren hatte ich mir gemerkt, dass man bei Argumentationen das schlagkräftigste / wichtigste Argument am Schluss äußern soll. Im Zeugnis also anders herum - wird gemacht.

Exakt Null.

Die Lernwilligkeit und Lernfähigkeit war teilweise erkennbar. Dasselbe gilt für das von mir und meinen Fachkräften wahrgenommene Interesse. Da müsste ich entweder hemmungslos lügen - oder nichts schreiben.

WEITWEG geboren. Seine Deutschkenntnisse erlaubten nur eine schwierige Kommunikation, wir haben über die Jahre keine Verbesserungen feststellen können. Fortbildungen auf WEITWEG-isch werden hier eher nicht angeboten.

Stets gut ist schon übertrieben. Eine ehrliche Aussage würde lauten: Herr Muster war immer freundlich und oft schon übertrieben hilfsbereit. Das schnelle Vergessen einmal angelernter Fertigkeiten führte dazu, dass seine Arbeiten stets engmaschig überwacht und korrigiert werden mussten. Seine Unbekümmertheit und Sorglosigkeit haben zu einer fünfstelligen Schadenssumme geführt. Es gab keine sichtbare, positive Entwicklung bei Deutschkenntnissen, Interesse und Arbeitsqualität. Die Ausführungsgeschwindigkeit war ausreichend.
Herr Muster ist der Richtige, wenn man ein Team von Facharbeitern hat, welches man von einfachen Tätigkeiten entlasten möchte. Er hat sich nicht davor gescheut, auch mal Drecksarbeiten zu machen - was nicht heißt, dass wir ihn ausgenutzt haben.

Unsicher ich bin. Die einen schreiben so, die anderen so.

Oh, habe ich da aus Versehen einen „Code“ erwischt? Dann lass ich das weg. Eine seiner auffälligsten Eigenschaften ist aber diese große Höflichkeit.

Seine Leistungen waren brauchbar. Aber ich habe zu wenig Bedarf an so einfachen Tätigkeiten, um ihn weiter einsetzen zu können. Zudem kommt bald ein Azubi dazu, der auch aus WEITWEG stammt, aber fließend Deutsch spricht und ein angenehmes, vielversprechendes Vorstellungsgespräch dargeboten hat.

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Auf jeden Fall. Ich will als potentiell zukünftiger Arbeitgeber wissen, ist der gute Mann Strippenzieher-Helfer bei einem Strippenzieher-Meister gewesen? Oder hat er diese Funktion neben einem ebenfalls unqualifizierten Hausmeister gemacht?

Ja, so kenne ich das auch. Das wichtigste, häufigste zuerst. Wenn man lange dabei ist und Tätigkeiten nur zeitweilig übernommen hat, kann man das auch erwähnen.

„• für drei Jahre übernahm er die Heilstein-Beratung gegen Elektrosmog, bis wir uns entschlossen, dieses Geschäftsfeld wegen Unwissenschaftlichkeit aufzugeben“

Wenn er wirklich vom Team und Kunden geschätzt wurde, könnte man sowas hier nehmen:

„Herr/Frau war aufgrund seines/ihres freundlichen Wesens und seiner/ihrer kollegialen Haltung bei Vorgesetzten, Kollegen und Kunden anerkannt und sehr geschätzt.“ Quelle: die erstbeste Internetseite.

Aber steht das so in seinem Vertrag? Meist nennen sich solche HONK-Jobs doch „Manager Assistant of Strippenzieher“?

Dazu schrieb Pierre ja schon was. Ich find’s auch wichtig, ob der Typ in ner inhabergeführten Zehnmann-Bude war oder bei einem großen Elektrokonzern mit Sitz in Berlin und München. Denn entsprechend lese ich auch das Zeugnis anders.

Okay, dann lass den Satz genau so.

Okay, dann ist das Zeugnis aber doch allzu gut. Ich hatte ja ein anderes Bild bekommen. Aber das erklärt, warum das Du so konsequent auf das Wort „selbstständig“ verzichtest, das solltest dann auch so beibehalten. Und eventuell auch bei der Aufzählung der Tätigkeiten weglassen?

Vielleicht kannst das noch irgendwie reinschreiben, das scheint mir neben seiner Höflichkeit und Fröhlichkeit ja auch irgendwie das einzig positive zu sein.

Vielleicht im Sinne von „seines freundlichen Wesens und seiner Höflichkeit auch im Umgang mit schwierigen Kunden und unter hoher Arbeitsbelastung…“

Und natürlich wird das auch in diesem Fall den Kohl nicht fett machen, aber ich finde für einen Strippenzieher die Kunden wichtiger als Chefs und Kollegys. Denn die Kunden zahlen doch allen anderen das Gehalt.

Und jeder neue Chef wird ziemlich schnell merken, dass der Kerl kaum Deutsch spricht und damit schlicht die Basis für’s Lernen fehlt und allein deshalb nicht viel mehr als echte Hilfsjobs übrig bleibt. Darum würde ich das Zeugnis gar nicht sooo hoch bewerten (und ich denke auch nicht, dass der Herr Muster da auf sprachliche Feinheiten achten wird, weil er’s nicht kann).

Wenn ich mich richtig erinnere wäre der „korrekte Code“ für das, was @Frau_Jana_Boemer hier andeutet der folgende:

„Herr XXX sorgte stets für ein angenehmes Betriebsklima.“

Ich würde aber auch zur Umformulierung raten, so wie von @Pierre vorgeschlagen.

existiert in Arbeitszeugnissen nicht und hat nie existiert. Es geht dort nicht um irgendwelche festgelegten Codierungen, sondern um „wohlwollende“ Formulierungen für negative Bewertungen.

Schöne Grüße

MM

Zwei Zeugnisse von geradezu weltbekannten Kreditinstituten sagen „nein“. Ich denke aber auch, dass es bei nicht ganz so weltbekannten Unternehmen hilfreich sein kann, ein paar Angaben zu machen, damit der Leser das Zeugnis und die Stelle etwas einordnen kann. Als angelernter Strippenzieher bei Siemens Kernkraftwerke GmbH nicht mehr weiterbeschäftigt zu werden, hat vielleicht doch noch eine andere Aussage als bei X-Strom Strippenzieherbude mit einer Handvoll Beschäftigter nicht mehr weiter beschäftigt zu werden.

Das Internetz sagt übrigens auch, dass es heute üblich ist, Kurzbeschreibungen des Unternehmens mitzuliefern, wenn dieses nicht ohnehin schon weltbekannt ist.

Das Problem - so denn es überhaupt noch existiert - ist die unsäglich dämliche Idee, man könne irgendwelche Geheimaussagen mit vernichtender Wirkung in vermeintlich harmlosen Formulierungen verstecken.
Der Klassiker ist wohl „war gesellig“ - hat ein schlimmes Alkoholproblem.

Ich habe eure Anregungen und Änderungsvorschläge umgesetzt. Eine kurze Eigendarstellung, die Umsortierung von wichtig zu unwichtig, ein paar Formulierungsänderungen.

Das Kündigungssgespräch habe ich jetzt seit 30 Minuten hinter mir. Er hat gelächelt und sich für die Zeit bedankt. Damit hätte ich nicht gerechnet. Ich glaube aber auch, dass er weiß, dass er (auch als Hilfskraft) in dieser Branche vermutlich direkt einen neuen Job bekommt.

Das war meine erste Kündigung in 20 Jahren Selbständigkeit.

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