Arguente für soziale Gerechtigkeit

Wir haben gerade in Politik & Wirtschaft das Thema soziale Gerechtigkeit und sollen nun Pro-Argumente zu diesem Thema aufstellen. Kann mir bitte jemand weiterhelfen?
Vielen Dank schonmal für die Hilfe :smile:
Lu

Hallo Luisa,

Zunächst ein Buchtipp:
„Gleichheit ist Glück“
von Richard Wilkinson und Kate Pickett

Darin geht es empirisch wie die Anglo-amerikanische Wissenschaft nun mal ist darum, welche Gesellschaften am glücklichsten sind und warum.

Eine der interessantesten Entdeckungen dieser Studie ist die, dass in einem Land mit extremen Unterschieden zwischen arm und reich aucnicht nur die Armen unglücklicher sind als in einer eher ausgeglichenen Gesellschaft, sondern auch die Reichen.
Die Aussagen dieses Buches sind für viele erfahrene Menschen Binsenweisheiten, allerdings wurden sie zum ersten Mal akribisch gesammelt, bewertet und klassifiziert.

Allerdings kannst du genug Beispiele für soziale Ungleichheit in deiner Umgebung entdecken. Ich gehe davon aus, dass du in eine Schule gehst. Dort gibt es wie immer ein Grüppchen von Schülern, die immer den neuesten Hype, die coolsten Klamotten, das teuerste I-Phone etc. anschleppen und sich dann gegenseitig ob ihrer Coolness bewundern.
Dann gibt es andere, die tragen immer seltsame Klamotten, sind oft eher still und wollen in Ruhe gelassen werden. Sie sind oft weder richtig gut aussehend, noch besonders cool, oder irgendwie sonst brillant. Ob das nun an den fehlenden Klamotten oder Gadgets liegt?
Oder vielleicht daran dass sie durch die anderen Kleider anders erscheinen?
Jedenfalls erfüllen solche für teures Geld gekauften Statussymbole den Zweck, sich abzugrenzen. Früher, als es noch üblich war Trachten zu tragen, waren diese gleichzeitig eine Werbung für das handwerkliche Geschick und den guten Geschmack der Trägerin, die ihre Tracht meist selbst hergestellt hatte und das Symbol einer Familien- oder Stammeszugehörigkeit. Heute geht es nur noch darum herauszustellen wie viel geld man für oft unnützen Kram ausgeben kann.
Nun kann man sowas schlecht abschaffen, ausser man führt Schuluniformen ein, aber auch da gibt es irgendwann maßgeschneiderte Luxusuniformen, die zwar fast genauso aussehen wie die schuleigene Ware von der Stange aber eben nur fast. Und schon geht das Spiel wieder los.

Was dagegen helfen könnte, ist, den Fokus auf andere Qualitäten zu legen. In Schulen wo z.B. Workshops laufen, etwa Theater AG, Literatur- oder Diskussionsgruppen, in denen solche Statussymbole nichts gelten, sondern andere, etwa die Fähigkeitkeit eine Diskussion so zu führen, dass sie nicht in Streit ausufert und vielleicht sogar zu einem verwertbaren Ergebis führt. Diese soziale Eigenschaft ist sehr viel wertvoller als ein I-Phone, kann aber nicht zur Geltung kommen wenn die Person, die sie hat aufgrund ihrer schlechten Ausstattung immer niedergeschrieen wird.
Solche Eigenschaften, bzw. die Stärken jedes einzelnen Schülers zu fördern ist, was man an Schulen zwar als Ziel beschreibt, was aber zugunsten eines standardisierten Lehrplans meist unter den Tisch fällt.
Ohensolche Alternativen geht es immer noch „nur“ um finanzielle Ungleichheit.
Die schafft Neid bei denen die sich auch gerne die tollen „Statussymbole“ leisten möchten, aber nicht können. Schlimmer noch, in einer Schulklasse wo nur noch diese Sachen als toll gelten haben menschliche Eigenschaften oft keinen eigenen Wert mehr. Wieviele Freundschaften brechen auseinander weil eine/r der beiden plötzlich ein Hobby entdeckt dass sich sein/e Freund/in nicht leisten kann. Plötzlich verkehren ehemalige dicke Freunde in verschiedenen Kreisen, wo die einen auf die uncoolen Nullen hinabsehen und die anderen die Arroganz der reichen Söhnchen/Töchterchen ankotzt. Und schon wird aus einem wirtschaftlichen Gefälle eine soziale Hackordnung, in der sich die Reicheren immer dank ihres Geldes einen Vorteil vor den Ärmeren verschaffen können. In so einer Gesellschaft leben wir.
Während reiche Menschen ihrem Hobby nachgehen und in den Medien wichtigtuerisch von ihrer Arbeit erzählen, und dass sie locker bis 70 und womöglich noch länger arbeiten wollen, machen die Armen meistens eine Arbeit, die sie nicht mögen, die ihnen nicht liegt und die ihnen keinen Spaß macht. Darüber werden sie auf Dauer krank und sterben wahrscheinlich sehr viel früher als die Reichen, für die Arbeit etwas war das sie freiwillig tun oder lassen konnten und das sie nie wirklich nötig hatten.
Natürlich ist klar dass eine Arbeit die man mit Freude tut, kaum müde und sehr froh und zufrieden machen kann, während etwas was man tut weil man seinen Lebensunterhalt verdienen muss, obwohl es keinen Sinn macht sehr ermüdend ist.
Schule ist sehr ermüdend. Wenn man als Kind in die Schule kommt will man eigentlich rennen gucken schreien lachen und dann irgendwann abends nach Hause kommen und was leckeres essen und dabei der Familie seine Abenteuer erzählen. Durch ein paar Jahre erzwungenes rumsitzen in Klassenzimmern lernen alle Schüler hauptsächlich still sitzen - und ein paar vielleicht doch noch etwas mehr.
Jedenfalls war es zu meiner Schulzeit nicht mehr cool im Schulhof rumzurennen und fangen zu spielen, sonder viel besser wenn man in einer Ecke heimlich Zigaretten raucht…also eigentlich imer noch das so verhasste rumsitzen, aber eben cool wie die Erwachsenen rumsitzen. Lauter Zeug das einen nicht weiter bringt und die eigenen Fähigkeiten verkümmern lässt Und wie immer hilft es ungemein wenn jemand mir mit einem dicken Geldpolster über die zwangsweise antrainierte körperliche Faulheit hinweghilft. Wenn ich niemand mit Geldpolster habe, muss ich entweder diese Faulheit bekämpfen, oder mir jemand suchen der mir dieses Geld zur Verfügung stellt. Diese zweckgerichtete Suche wird die Aufrichtigkeit der Beziehungen in einer Gesellschaft unterwandern, so dass man niemand mehr wirklich trauen kann.

Das in unserer frühen Kindheit oft noch so unkomplizierte Zusammenleben mit anderen wird zur schwierigen diplomatischen Aufgabe und man darf keinen Fehler machen, wenn einem die Vorteile bestimmter Beziehungen wichtig sind, oder man auch nur nicht als Außenseiter oder Looser da stehen will.
Die sozialen Zwänge sind in so einer Gesellschaft wohl für alle relativ gleich, aber wer Geld hat kann sich öfters davon frei kaufen und so einen Vorteil errringen.

In der Zusammenfassung dessen was ich bisher geschrieben habe
findest du folgende Mechanismen die eine ungleiche Gesellschaft gegenüber einer mit relativ ausgeglichenen Möglichkeiten hat.

  • Je ungleicher eine Gesellschaft ist, desto wichtiger wird Geld, desto wichtiger werden
    Statussymbole, Abgrenzung und Hackordnungen.

  • Je weniger es in einer Gesellschaft auf die Fähigkeiten des einzelnen ankommt und
    je mehr es auf Herkunft, Geld und Macht ankommt, desto unproduktiver, unfreier und
    dümmer wird eine Gesellschaft.

Ein lebender Mensch hat seine produktive Phase verlassen, sobald er sich nur noch um das Wachstum seines Kontos kümmert und nicht um sein eigenes geistiges, seelisches und soziales Wachstum.

Wenn dir das Beispiel Schule auf den Wecker geht, was ich verstehen könnte, sieh dir unsere Politiker an. Wie sie die Leitung hochspezialisierter Fachressorts wechseln, wie andere die Unterwäsche. Wie sie in ihren kurzen Amtszeiten meist nur einmal vor ein Mikrofon treten und danach schnell in eine neues Amt schlüpfen, von dem sie genauso wenig Ahnung haben. Hier siehst du Menschen, die sich aufgrund ihrer Herkunft Pöstchen geangelt haben und sich von einem gutbezahlten Posten zum anderen hochhangeln. Die Funktion dieser Pöstchen ist dabei nebensächlich. So wie diese Minister könnten auch wir von heute auf morgen Minister sein. Keine Ahnung von der Materie aber irgendwo jemand sitzen haben, der mir noch einen Gefallen schuldig ist. Freunde hat man in so einer Welt nicht mehr, nur noch hämische Spötter die sich kaputt lachen wenn du gescheitert bist.
Wenn dich das jetzt an die „Coolen von deiner Schule“ erinnert, liegst du gar nicht so falsch. Diesem barbarischen System entgegen hat die bürgerliche Kultur Werte geschaffen, hat Menschenrechte verankert, Grundgesetze und Revolutionen erfunden.
Abertausende sind gestorben um diesen barbarischen Unfug aus der Welt zu schaffen.
und jetzt kristallisiert sich in unserem Land und in der ganzen westlichen Welt ein neuer Adel heraus, der für sich Vorrechte aufgrund seiner Herkunft in Anspruch nimmt, der sich per eigener Definition über das Gesetz stellt und dem uncoolen Rest der Gesellschaft seine Ideen aufzwingt. Und wie macht er das, mit einer finanziellen Ungleichheit, die er problemlos in eine soziale Ungleichheit ummünzt, in der er, der Reiche natürlich die Elite darstellt. Dabei ist Geld haben eigentlich keine menschliche Eigenschaft.

Okay Louisa,

das sind meine Erkenntnisse zum Thema, ich hoffe du kannst daraus genug entnehmen und evtll. zur Diskussion stellen.
Zu meinem Hintergrund: Ich bin „gelernter“ Philosoph und beschäftige mich mit unserer Gesellschaft so wie ein Fisch sich mit Wasser beschäftigen würde, könnte er menschlich denken und fühlen. Für mich ist soziale Gerechtigkeit nicht nur eine Option, sondern die Garantie für ein Überleben der Spezies Mensch und damit auch aller Tiere und Pflanzen die sich mit er Menschheit eingelassen haben. Und ganz ehrlich könnte es dir passieren, dass du stark angefeindet wirst wenn du meine Argumente direkt vorträgst. Es macht also Sinn sich noch einer anderen Quelle zu bedienen, etwa diverser Parteiprogramme um dort Passagen über soziale Gerechtigkeit zu finden, oder das von mir eingangs erwähnte Buch, das sich zwar recht trocken liest, aber dafür „wissenschaftlich“ ist. Hier könntest du Thesen gegenüberstellen und selbst als Moderatorin in Erscheinung treten.