Ich finde es hingegen erstaunlich, wie flott Du Urteile über den Buddhismus formulierst, den Du offensichtlich nicht sonderlich gut kennst. Ein Tip: beschäftige Dich mal mit Dighanikaya 27 (Aggañña Sutta). Dem Text lässt sich entnehmen, dass Buddha keine „Entstehung“ im Sinne eines Uranfangs lehrte, sondern ein zyklisch expandierendes und kontrahierendes Universum. Was den bedauerlichen Schönheitsfehler hat, dass insbesondere die von Explorer80 (genauer: Wilkinson Microwave Anisotropy Probe, WMAP) vom 01.10.2001 bis 20.08.2010 gesammelten Daten auf ein offenes, beschleunigt expandierendes Universum verweisen. Diese empirischen Daten stehen im Widerspruch zum Cyclic Universe - Modell von Paul Steinhardt und Neil Turok, das (wie das Aggañña Sutta) eine Verlangsamung der Expansion bis zum Stillstand und eine anschließende Kontraktionsphase postuliert. Außerdem eine fünfdimensionale Raumzeit (Bulk) und miteinander kollidierende vierdimensionale Branen, zu denen sich in dem Sutta allerdings keine sachdienlichen Hinweise finden lassen. Dieses Modell ist nicht nur hochspekulativ; das größte Problem besteht darin, dass es nicht validierbar zu sein scheint. Jedenfalls sind diesbezügliche Vorschläge nirgendwo in Sicht. Überspitzt formuliert bedeutet das, dass das Steinhardt-Turok-Modell in etwa denselben naturwissenschaftlichen Wert besitzt wie das Aggañña Sutta. Ein mehr oder weniger interessantes spekulatives Glasperlenspiel.
Eine etwas ernster gemeinte Anmerkung: ich persönlich finde das in bestimmten Kreisen so beliebte Verweisen auf die tatsächliche oder auch nur vorgebliche Kompatibilität buddhistischer oder sonstiger religiöser Lehren mit modernen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen völlig irrelevant und entsprechend uninteressant. Die in dem genannten Text beschriebene Kosmologie zum Beispiel ist in religionswissenschaftlicher Hinsicht durchaus nicht uninteressant. Es wäre jedoch unsinnig, sie aus ihrem zeitgeschichtlichen Kontext zu reißen und als Dogma zu präsentieren - oder auch als eine Theorie mit wissenschaftlichem Anspruch, die womöglich noch von der modernen Naturwissenschaft bestätigt wird. Das wäre auf derselben Ebene angesiedelt wie das ‚intelligent Design‘ fundamentalistischer (und naturwissenschaftlich komplett ahnungsbefreiter) Christen. Wenn schon Design, wäre ich in Anbetracht solch intellektueller Purzelbäume eher geneigt, eine Theorie des unintelligent Design zu vertreten.
Übrigens: die eigentliche Funktion des Sutta besteht natürlich nicht in der Formulierung einer ‚Genesis‘ (spekulative Mythen haben Buddha herzlich wenig interessiert) sondern in der Kritik am Kastensystem und insbesondere an den angemaßten Privilegien der Brahmanenkaste - beides (u.a. in den Upanischaden) kosmologisch begründet.
Ansonsten, da Du den unschuldigen Schopenhauer als Zeugen aufrufst: es könnte lohnend sein, sich mal mit Schopenhauers Kausalitätsbegriff zu beschäftigen und damit, wie er die Frage eines Uranfangs, einer ersten Ursache, auflöst. Findest Du in „Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde“. Es empfiehlt sich allerdings (bzw. Schopenhauer selbst empfiehlt dies explizit) sich zuvor ein wenig mit Kants KdrV vertraut zu machen.
Freundliche Grüße,
Ralf