Aristotelische Logik + das Wort Einige

Hola,

In der aristotelischen Logik gibt es die Quantität:
Einige.

z.B.:
Einige Menschen sind sterblich.

Was hat Aristoteles nun mit einige genau gemeint? Wir wissen ja jetzt nicht, wieviel „einige“ eigentlich sind. Was können wir also 100% daraus schließen? Ich würde sagen: Es gibt mindestens einen Menschen der sterblich ist.

Wobei das Wort einige eigentlich für mich dazu tendiert, dass mindestens zwei Menschen sterblich sind…aber da wir nicht wissen, wieviel einige sind, wissen wir demnach auch nicht, dass es mindestens zwei sind. Und Null kann es nicht sein, weil dann die Aussage völlig anders lauten müsste meines Erachtens, nämlich: Kein Mensch ist sterblich, was eine völlig andere Aussage ist.

Deshalb bleibt eigentlich nur als sinnvolle Aussage das bestehen, was ich oben anfangs schrieb.

Was genau hat Aristotles denn nun genau mit einige gemeint? Das ist irgendwie nicht wirklich klar für mich, wobei ich denke, dass er es so gemeint hat, wie ich es ganz oben geschrieben habe.

Partikulare Aussage
Hi.

In der aristotelischen Logik gibt es die Quantität:
Einige.
z.B.:
Einige Menschen sind sterblich.
Was hat Aristoteles nun mit einige genau gemeint?

Es geht hier um den - modern gesagt - Existenzquantor „einige“ im Unterschied zum Allquantor „alle“. Für „einige“ lässt sich auch sagen „mindestens ein“.

Z.B. „Einige Menschen sind rothaarig“ (partikulare Aussage)

Im Unterschied dazu sagt man aber: „Alle Menschen sind sterblich“ (universelle Aussage)

Wie passt das „einige Menschen sind sterblich“ da hinein? Kant schreibt (KrV, S. 240):

In dem Satze: alle Menschen sind sterblich, liegen schon die Sätze: einige Menschen sind sterblich, einige Sterbliche sind Menschen, nichts, was unsterblich ist, ist ein Mensch, und diese sind also unmittelbare Folgerungen aus dem ersteren.

Besagter partikularer Satz ist also im universellen Satz „enthalten“.

Wir wissen ja jetzt nicht, wieviel „einige“ eigentlich sind. Was können wir also 100% daraus schließen? Ich würde sagen: Es gibt
mindestens einen Menschen der sterblich ist.

Ich denke, du klebst da zu sehr an einem Beispielsatz, den du ohne Kontext gelesen hast. Aristoteles verwendet diesen Satz, um das Gegenteil das Satzes „Kein Mensch ist sterblich“ zu demonstrieren. Als eigenständige sinnvolle Aussage ist der Satz natürlich nicht gemeint.

Es gibt aber sicher andere User, die zu diesem Thema mehr sagen können, z.B. (und da habe ich keinen Zweifel) Metapher.

Chan

Syllogistik + das Wort ‚einige‘
Hallo,

Chan hat das Wichgtigste ja bereits erklärt. In der Prädikatenlogik hat man zwar die beiden Quantoren ›œ›œ∀x P(x) „für alle x gilt: x ist P“ und ∃x P(x) „es gibt ein x, für das gilt: x ist P“. Die „unscharfen“ Quantifizierungen „einige“, „manche“ usw. werden dagegen nur in der umgangsprachlichen Repräsentation verwendet. Sie sind mit der Negation „für nicht alle x gilt …“ äquivalent.

Dagegen ist „einige“ von Bedeutung in der Syllogistik. Die Grundlagen hat Aristoteles in Peri Hermeneias (lat. De Interpretatione), in den Analytiken und dann in der Topik gelegt.

Hier spricht man allerdings nicht von Quantoren, sondern von qualitativen und quantitativen Urteilen. Die quantitativen in den zwei Kategorien: „alle“ (allgemeine Urteile) und „einige“ (partikuläre Urteile), wobei „einige“ immer äquivalent ist mit „mindestens ein“. Und die qualitativen in den zwei Kategorien: „kommt zu“ und „kommt nicht zu“, bzw. „sind“ und „sind nicht“.

Mit S(ubjekt) und P(rädikat) hat man somit 4 Urteils- Typen :

Die allgemeinen Urteile:

  1. Alle S sind P
  2. Alle S sind nicht P (= Kein S ist P)
    Die partikulären Urteile:
  3. Einige S sind P
  4. Einige S sind nicht P

In Symbolschreibweise:
allgemein:

  1. S a P
  2. S e P
    partikulär:
  3. S i P
  4. S o P

Sie werden seit der Spätantike in dem sog., „logischen Quadrat“ zusammengefaßt, in welchem man auch einige Beziehungen zwischen ihnen darstellen kann: kontradiktorische, konträre und subkonträre Beziehungen.

Kontradiktorisch ist dabei z.B.
S e P und S i P
„kein S ist P“ und „einige S sind P“
wobei „einige“ wie gesagt = „mindestens ein“ heißt.

und ebenso:
S a P und S o P
„alle S sind P“ und „einige S sind nicht P“
wobei „einige“ wie gesagt = „mindestens ein“ heißt.

Mit diesen Urteiltypen werden dann die Obersätze und Untersätze (alias 1. und 2. Prämissen) gebildet. Dabei wird S als Oberbegriff, P als Unterbegriff bezeichnet. Es kommt der sog. Mittelbegriff in beiden Sätzen hinzu und der Schluß-Satz wird daraus gewonnen, indem der Mittelbegriff herausgenommen wird (weshalb der Prozess Ver"mittlung" heißt) und beide Sätze dadurch zusammengeschlossen werden zu einem (weshalb das Ganze „Schluß“ genannt wird). Und es gibt Regeln, die über Richtigkeit und Falschheit des Schlusses entscheiden.

M a P alle M sind P
S i M einige S sind M

S i P einige S sind P

M e P alle M sind nicht P = kein M ist P
S i P einige S sind M

S o P einige S sind nicht P

Wenn du fragst, wieviele denn „einige“ nun sein sollen: Das spielt in der Syllogistik keine Rolle. „einige“ = „mindestens ein“ genügt völlig, da es in der Schlußlogik nicht um jeweilige Inhalte der Urteile (= Aussagesätze) geht, sondern um die Richtigkeit oder Falschheit der abstrakten reinen Form der jeweiligen Schlußfiguren.

Daß das dann auch für jedwede konkrete Inhaltsbesetzung von Prämissen gültig ist, das war ja gerade die revolutionäre Entdeckung von Aristoteles.

Gruß
Metapher

Hier spricht man allerdings nicht von Quantoren, sondern von qualitativen und quantitativen Urteilen. Die quantitativen in den zwei Kategorien: „alle“ (allgemeine Urteile) und „einige“ (partikuläre Urteile), wobei „einige“ immer äquivalent ist mit „mindestens ein“. Und die qualitativen in den zwei Kategorien: „kommt zu“ und „kommt nicht zu“, bzw. „sind“ und „sind nicht“. mehr…

Wenn einige äquivalent ist mit „mindestens ein“ dann bedeutet dies ja, dass das partikuläre Urteil es nicht ausschließt, dass sich eine partikuläre Aussage auf alle Subjekte erstreckt.

Hier liegt glaube ich die Wurzel meines Problems:
Wenn einige Menschen sterblich sind (aber nicht alle) dann können die Aussagen „Alle Menschen sind sterblich“ und „Einige Menschen sind sterblich, aber nicht alle“ nicht zusammen miteinander existieren. Es wären Widersprüche. Deswegen hacke ich so sehr auf das Wort „Einige“ herum, was denn genau damit gemeint ist.

Ein Widerspruch würde aber nicht mehr existieren, wenn man sagen würde „Mindestens ein Mensch ist sterblich“ (und somit die Möglichkeit offen lässt, dass alle Menschen sterblich sein könnten) und gleichzeitig behauptet, dass alle Menschen sterblich sein führt das für mich zur Widerspruchsfreiheit dieser Aussagen. Ganz im Gegensatz zu den obigen beiden Aussagen.

Das verwirrt mich.

Die 4 kategorischen Urteile

Wenn einige äquivalent ist mit „mindestens ein“ dann bedeutet
dies ja, dass das partikuläre Urteil es nicht ausschließt,
dass sich eine partikuläre Aussage auf alle Subjekte
erstreckt.

Kommt drauf an, meine ich. Wenn empirisch klar ist, dass „einige Menschen“ und nicht „alle“ rothaarig sind, dann ist die Erstreckung auf „alle“ ausgeschlossen. Wenn aber - seltene Situation - ein unbekanntes Objekt in Erscheinung tritt, über das keine universellen Aussagen machbar sind - z.B. ein gelandeter dreibeiniger Alien mit blauer Haut -, dann sagt man: „Es gibt mindestens ein X, für das gilt: X ist ein Alien, hat drei Beine und eine blaue Haut“. Ausschließen kann man dabei nicht, dass die Merkmale „drei Beine“ und „blaue Haut“ auf alle Aliens dieser Gattung zutreffen.

Hier liegt glaube ich die Wurzel meines Problems:
Wenn einige Menschen sterblich sind (aber nicht alle) dann
können die Aussagen „Alle Menschen sind sterblich“ und „Einige
Menschen sind sterblich, aber nicht alle“ nicht zusammen
miteinander existieren.

Wie gesagt, Aristoteles demonstrierte mit dem Satz „Einige Menschen sind sterblich“ nur das logische Gegenteil von „Kein(e) Mensch(en) sind (ist) sterblich“. Als Gegenteil von „Alle Menschen sind sterblich“ nannte er „einige Menschen sind nicht sterblich“. In beiden Gegenüberstellungen kann nur EINE Aussage wahr sein. Im Falle der ersten ist das natürlich „Einige Menschen sind sterblich“. Denn falsch ist das ja nicht. Ich zitierte bereits Kant, der sagte, dass ein universelles Urteil das entsprechende partikulare „enthält“. Nichtsdestotrotz hat das universelle Urteil gegenüber dem in ihm enthaltenen partikularen natürlich Priorität.

Formal entsprechen diese Sätze den vier möglichen Formen kategorischer Urteile:

Alle X sind Y, Einige X sind nicht Y, Kein X ist Y und Einige X sind Y.

Wahrscheinlich kann dir das Metapher noch genauer verklickern. Ich bin nur die Vorband.

Chan

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Hallo,

zunächst mal sorry für den faux pas im ersten Absatz: Die Bemerkung betreffs „einige“, „manche“:

Sie sind mit der Negation „für nicht alle x gilt …“ äquivalent.

ist natürlich auch prädikatenlogisch falsch. Vielmehr ist
„für nicht alle x gilt …“
äquivalent mit
„für einige x gilt nicht …“

In der Syllogistik wird das etwas anders gesehen, da hier zwischen allgemeinem und partikulärem Urteil bzw. deren Negationen, unterschieden wird. In den Bemerkungen zur Syllogistik steht es dann ja auch richtig:

wobei „einige“ immer äquivalent ist mit „mindestens ein“.

Wenn einige Menschen sterblich sind (aber nicht alle) dann können die Aussagen „Alle Menschen sind sterblich“ und „Einige Menschen sind sterblich, aber nicht alle“ nicht zusammen miteinander existieren.

Völlig richtig.
„Alle Menschen sind sterblich“
ist ein Urteil vom Typ A alias S a P.
„Einige Menschen sind sterblich, aber nicht alle“ ist identisch mit
„Einige Menschen sind nicht sterblich“
Das ist ein Urteil vom Typ O alias S o P!

Und A -Urteile stehen zu O -Urteilen in einem kontradiktorischen Verhältnis.

Ebenso wie E -Urteile zu I -Urteilen:
„Kein Säugetier ist ein Pilz“ („Alle Säugetiere sind nicht Pilze“)
ist ein Urteil vom Typ E alias S e P.
„Einige Säugetiere sind Pilze“
ist ein Urteil vom Typ I alias S i P.

Es wären Widersprüche.

Eben. Die Urteile widersprechen sich.
Dein Problem liegt darin, daß du das partikuläre Urteil:
„einige“ identifiziert hast mit dem allgemeinen Urteil:
„einige … aber nicht alle“
denn das ist identisch mit „nicht alle“.

Dagegen stehen A-Urteile mit I-Urteilen einerseits, und E-Urteile mit O-Urteilen andererseits in einem sog. Subalternation s-Verhältnis:
Wenn A alias S a P, dann auch I alias S i P.
Wenn alle Hasen Ohren haben, dann haben auch einige Hasen Ohren.
und
Wenn E alias S e P, dann auch O alias S o P.
Wenn alle Hasen keine Ohren haben, dann haben auch einige Hasen keine Ohren.

Dein logischer Fehler, der dir zu Recht Kopfzerbrechen machte, bestand also darin, daß du „einige, aber nicht alle“ mit „einige“ gleichsetztest, statt mit „nicht alle“.

Hoffe, jetzt gehts wieder besser?
Gruß
Metapher

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Syllogismen + Urteile
Hallo :smile:

Nur zur Info zur besseren Kommunikation: Das logische Quadrat ist mir bekannt und ich kann mit all den A-,I-, E- und O-Urteilen also was anfangen.

Ich habe mir heute ein wenig weitere Gedanken gemacht und habe nochmal über den Satz „Einige Menschen sind sterblich“ sinniert.

Das ist dabei herausgekommen:
Wenn ich sage: „Einige Menschen sind sterblich“ so räumt dies meines Erachtens die Möglichkeit ein, dass auch alle Menschen sterblich sein können. Denn: Wenn einige Menschen sterblich sind, dann sagt dieses Urteil ja rein gar nichts darüber aus, was mit den anderen Menschen ist, welche von diesem Urteil gar nicht erfasst werden (also ich meine die Menschen, die mit dem Wort einige nicht erfasst werden). Es sagt über diese Menschen nichts aus, weder ob sie sterblich sind unsterblich sind, grün blau rot, oder sonst irgendetwas. Es sagt eben nichts aus :smile:

Wenn ich allerdings sage „Einige Menschen sind sterblich aber nicht alle“ dann ist das eine ganz andere Aussage. Ich würde daraus auch die Aussage machen: Nicht alle Menschen sind sterblich. Dies würde ich mit dem O-Urteil (partikulär verneinend) identifizieren. Und das O-Urteil steht im Widerspruch zum A-Urteil.

Aber ich habe eben genau das gedacht, dass „einige“ auch aussagen würde, dass eben nicht alle Menschen sterblich seien. Und das ist eben falsch!

So jetzt hoffe ich, dass das was ich gesagt habe, auch richtig ist?

Vielen Dank.

Nur zur Info zur besseren Kommunikation: Das logische Quadrat ist mir bekannt und ich kann mit all den A-,I-, E- und O-Urteilen also was anfangen.

Ah. Ok.

Wenn ich sage: „Einige Menschen sind sterblich“ so räumt dies
meines Erachtens die Möglichkeit ein, dass auch alle Menschen
sterblich sein können. Denn: Wenn einige Menschen sterblich
sind, dann sagt dieses Urteil ja rein gar nichts darüber aus,
was mit den anderen Menschen ist, welche von diesem Urteil gar
nicht erfasst werden (also ich meine die Menschen, die mit dem
Wort einige nicht erfasst werden).

Völlig richtig. Und umgekehrt: Wenn alle Hasen Ohren haben, dann haben auch einige Hasen Ohren. Das zusammen macht gerade die linke Spalte des „Quadrates“ aus. Analog die rechte. Und das heißt deshalb „Subalternation“.

Ich würde daraus auch die Aussage machen: Nicht alle Menschen sind sterblich. Dies würde ich mit dem O-Urteil (partikulär verneinend) identifizieren. Und das O-Urteil steht im Widerspruch zum A-Urteil.

So isses.

Aber ich habe eben genau das gedacht, dass „einige“ auch
aussagen würde, dass eben nicht alle Menschen sterblich seien.
Und das ist eben falsch!

So jetzt hoffe ich, dass das was ich gesagt habe, auch richtig ist?

Komplett richtig.

Schönen Gruß

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Cool.

Ab jetzt kann ich dann wieder in Ruhe schlafen und weiß dass mit meiner Logik alles in Ordnung ist :wink: