Zum Begriff: von einem Aschenputtel-Syndrom oder eine Aschenputtel-Komplex liest man öfter, aber das sind sehr uneinheitlich gebrauchte Begriffe.
Ich denke, auf den Begriff kommts auch nicht an.
Zur Situation: das ist natürlich eine sehr extreme Form einer entgleisten (Stief)familienkonstellation, aber sie zeigt einige allgemeine Regelhaftigkeiten für problematische Entwicklungen in Stieffamilien. Zu nennen wäre v.a. der Umstand, dass eigene gemeinsame Kinder des neuen Paares die Beziehungskonstellationen der Stieffamilien oft dramatisch zu Ungunsten des Stiefkindes verschieben, d.h. dass es in eine sehr prekäre Außenseiterposition innerhalb der Stieffamilie rutscht. Nicht drin, nicht draußen.
Zumal dann, wenn der andere Elternteil nicht nur als Rückhalt ausfällt, sondern vermutlich als ständiges Negativbild in der neuen Familie „anwesend“ ist, und als solches z.B. die Mutter zur Flucht in die neue Kernfamilie (Partner plus gemeinsame Kinder) gedrängt hat.
Da könnte die Bereitschaft der jungen Frau, sich bereitwillig ausbeuten zu lassen, ihr Versuch gewesen sein, sich damit zumindest funktional eine Stellung innerhalb des Familiensystems zu sichern. Eventuell ist die Ausbeutung ursprünglich also gar nicht so sehr einem bösen Willen ihrer Mutter und ihres Stiefvaters geschuldet gewesen. Da greift eben ein Rad ins andere.
Das war jetzt aber natürlich reine Spekulation meinerseits.
Klar ist aber, dass sich solche Muster über die Jahre enorm festigen, zumal inzwischen soziale Fakten (kein Schulabschluss, keine Ausbildung) geschaffen sind, die einen Ausbruch aus diesem Gefängnis noch viel schwieriger machen.
Dass die junge Frau allzu gut Hilfe annehmen könnte, kann ich mir nicht vorstellen, sonst hätte sie sich diese Hilfe längst besorgt. Das klingt jetzt sehr hart, ist aber gar nicht so gemeint. Es ist einfach furchtbar schwer, den Willen aufzubringen, sich aus so einem (teils sicher auch selbstgewähltem) Arrangement wieder zu lösen.
Ein Versuch im Sinne von „Komm mit, ich helf dir da raus“ würde wahrscheinlich, wenn nicht gleich, spätestens bei konkreten Maßnahmen scheitern.
Aus welcher Konstellation heraus kennst du sie denn?
Aus dem beruflichen Kontext?
Dann sollte es institutionelle Möglichkeiten geben, um an sie heranzukommen, zu denen du jetzt sicher mehr sagen kannst als wir.
Zu wem um sie herum hast du denn überhaupt Kontakt?
Gruß
F.