Salve.
Fehlen jeglicher Kraftwerksbedienung und der automatischen
Reaktorabschaltung relativ kurz ist. Hast du Zahlen? 1h, 6h,
12h vielleicht? Oder sogar schon früher, weil das KKW erkennt,
dass seine elektrische Leistung nicht mehr abgenommen wird
Wovon träumen die Menschen nachts?
Soweit ich weiß, existieren solche Abschaltungen überhaupt nicht. Ich wüßte nicht, wie das regelungstechnisch anzustellen wäre, irgendeinem Kraftwerk künstlich klarzumachen, daß einfach so seine Leistung nicht mehr gebraucht wird. Verschwänden schlagartig alle Menschen, würde sich die Last im Netz nicht groß ändern. Man sollte sich im Klaren darüber sein, wie große die Automatisierung heutzutage schon ist, insbesondere in energieinteniven Betrieben. Nicht wenige Arbeitskräfte überwachen „nur“, und greifen nur bei Fehlern ein, idealerweise also nicht.
Der einzige „Schutzmechanismus“ ist die Netzregelung, die Spannung (Blindleistung) und vor allen Dingen Frequenz (Wirkleistung) überwacht. Ich bin leider nicht mehr absolut auf dem Laufenden, inwieweit ein Kraftwerk automatisch abgeschaltet werden kann oder ob nach wie vor Bedienpersonal die Trennung vom Netz und im Extremextremfall die Abschaltung vornehmen muß. Der Zweck der sogenannten Primär- und Sekundärregelung ist jedenfalls nicht die Kraftwerksabschaltung, sondern die Ausregelung von Störgrößen, um den stabilen UCTE-Verbundbetrieb zu garantieren. Das heißt, zuerst zerfällt der UCTE-Verbund, dann zerfallen die Inselnetze in kleinere Inseln, und schließlich zerfallen die nationalen Netze in Regelzonen. Ein 100%iger Zusammenbruch oder ein 100%iger Leerlauf ist allerdings unwahrscheinlich.
Gerade Kernkraftwerke fahren idealerweise sehr gleichmäßig und vollautomatisch, denn Kernkraftwerke sind reine Grundlastkraftwerke. Das Fehlen von Menschen würde ein KKW erstmal überhaupt nicht kümmern.
Bevor die Menschheit verschwindet, ist nämlich anzunehmen, daß nicht kollektiv das Licht ausgeschaltet wird, daß signifikante ausgedehnte Verbraucher wie die Straßen- und Städtebeleuchtung in Betrieb bleiben, und daß energieintensive Großbetriebe wie z.B. Chemiewerke erst nach Tagen oder Wochen ins Stocken geraten, nämlich wenn die Nachlieferung von Grundstoffen nicht mehr stattfindet. Und bevor sich die Netzregelung massiv an den KKW vergreift, sind erst einmal Spitzenlast- und Mittellastkraftwerke an der Reihe, d.h. Sonnen-, Wind-, Fallwasser- und „schnelle“ thermische Kraftwerke (Kohle, Gas und Dampf).
Ich jedenfalls würde meine Hoffnung ganz und gar nicht in vermeintliche Automatiksysteme stecken, die entweder nicht existieren, oder überhaupt nicht so arbeiten, wie Laien sich das im allgemeinen vorstellen. Die deutschen Atomkraftwerke sind vom Standpunkt des Elektroenergieingenieurs uralte, elendige Drecksbuden, die schon vor zig Jahren hätten abgeschaltet werden müssen. Tickende Zeitbomben, keinen Scheiß sicherer als in anderen Ländern, schon gar nicht seit der Liberalisierung 1998. Im deutschen Kraftwerksingenieurslang gibt es sogar den Begriff des „auslegungsüberschreitenden Störfalls“ (Tschernobyl, Fukushima…). Anders gesagt, die Bemessung der deutschen KKW erfolgte eben nicht im Hinblick auf jeden erdenklichen Störfall (obschon die Physik/Technologie dahinter superextrem gefährlich ist und nichts geringeres als brachialste Überbemessung gerade gut genug wäre), sondern irgendwelche Ingenieure, damals ohne einschlägige Erfahrung, haben unter erheblichem politischen Druck irgendwelchen Quark zusammengefummelt.
Vermutlich wurde zu einem nicht geringen Teil auf Bemessungsgrundlagen und Tabellenbücher für Kohlkekraftwerke zurückgegriffen, denn das kannte und konnte man damals bereits wie im Schlaf. Ich meine, selbst heutzutage wird das Design von KKW noch signifikant verbessert (Kernfänger, Notkondensator). Eigentlich purer Wahnsinn. Wir betreiben eine Technologiue im frühen Beta-Stadium, die im Katastrophenfall die Umwelt total verseucht und unermessliche Schäden in der Tier- und Pflanzenwelt verursacht.
Ergo: Nachdem die Menschheit verschwindet, geht die Chose eine Weile ungestört weiter, aber dann geraten die KKW irgendwann außer Kontrolle und es wird unausweichlich zu „auslegungsüberschreitenden Störfällen“ kommen. Spätestens wenn das Personal fehlt, um die abgeschalteten Brennelemente in die Abklingbecken zu verfrachten und deren permanente Kühlung zu gewährleisten.
reinerlein