Ein paar Fakten …
Kann jemand die von PlusMinus vorgelegten Argumente
widerlegen?
Ja.
- bei der Berechnung der Szenarien für die Preisentwicklung
ohne Ausstieg wurden mit stärker sinkendem Energieverbrauch
(z.B. durch bessere Wärmeisolation) gerechnet, also bei
Referenzszenarien mit Atomausstieg. Man hat Äpfel mit Birnen
verglichen, was absolut kein Anzeichen einer
wissenschaftlichen Herangehensweise ist - ohne gleich Betrug
unterstellen zu wollen.
Die Studie würde in der Tat Äpfel mit Birnen vergleichen - wenn es denn ihre Zielsetzung wäre zu zeigen, dass Strom künftig ohne Kernkraft wesentlich mehr kosten würde als mit.
Nur: Das ist nicht ihre Zielsetzung. Die Studie untersucht vielmehr mehrere Szenarien darauf, in welcher Weise sie geeignet sind, u.a. bestimmte konkrete Klimaschutz- und Emissionsziele unter Berücksichtigung der Versorungssicherheit und der gemeinwirtschaftlichen Lasten zu erreichen. Dementsprechend umfassen die Szenarien keineswegs ausschließlich Laufzeitverlängerungen, sondern eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen (Forcierung der Energieeffizienz, Elektromobilität, usw.) sowie gesamtwirtschaftliche Entwicklungen, die sich aus diesen Maßnahmen ergeben. Hierzu werden die Szenarien nicht nur gegen ein Referenzszenario - welches da heißt „Business as usual“, wozu zum damaligen Zeitpunkt eben auch der rot-grüne Atomausstieg gehörte -, sondern auch untereinander abgeglichen werden. Dabei steht die Kernenergie noch nicht einmal im Vordergrund. Unter den Schlußfolgerungen der Studie, die auf sieben Seiten zusammengefaßt sind, nimmt die Kernkraft gerade einmal einige wenige Sätze ein …
Allerdings muß man sich in der Tat die Frage stellen, weshalb unter den untersuchten, ehrgeizigen Zielszenarien kein einziges ohne Laufzeitverlängerung ist. Offenbar ist man von vornherein mit der Prämisse in die Untersuchung gegangen, die ehrgeizigen Ziele seien ohne Kernenergie nicht zu erreichen. Das halte ich in der Tat für eine fragwürdige Schwäche der Studie. An den sogleich zu erläuternden Tatsachen ändert das aber nichts.
Übrigens: das mit der Untersuchung beauftragte Institut für
Energiewirtschaft der Universität Köln wird zur Hälfte von der
Atomwirtschaft finanziert.
Wenn Du eine neutrale Quelle brauchst, empfehle ich zur Lektüre den im Januar veröffentlichten Bericht des Bundeskartellamts über die Ergebnisse der Sektoruntersuchung zu Stromerzeugung und Stromgroßhandel. Das Amt hat fast drei Jahre lang die Marktverhältnisse auf dem deutschen Strommarkt untersucht und kommt u.a. zu dem Ergebnis, dass die längere Laufzeit der Kernkraftwerke strompreisdämpfend wirkt. Das ist - wenn man die Mechanismen, nach denen sich der Strompreis bildet, verstanden hat - auch völlig logisch. Welchen Umfang die Preiswirkung hat, prognostiziert das Amt allerdings nicht. Hierzu eine belastbare Einschätzung abzugeben, halte ich auch für ausgesprochen schwierig.
Und wenn das noch nicht reicht, dann sei darüber hinaus ein Blick auf die Kursentwicklung z.B. der Cal-12 German Power Futures - d.h. der Preis für Strom, der in einem Jahr geliefert wird - bei der EEX empfohlen. Der ist bereits mit der Bekanntgabe des Moratoriums von heute auf morgen um rund 10% (!) gestiegen und steigt derzeit munter weiter - und das, obwohl das Moratorium gar nicht alle Kernkraftwerke, sondern lediglich die sieben ältesten Meiler betrifft, und obwohl selbst diese vielleicht nach drei Monaten alle wieder am Netz sind. Das vermittelt einen ersten Eindruck davon, was uns blühen kann, wenn alle Kernkraftwerke auf Dauer vom Netz genommen werden …
- Herr Oettinger und diverse Medien zitieren die EU-Studie
„ROADMAP FOR MOVING TO A COMPETITIVE LOW-CARBON ECONOMY IN
2050“ nur bis zu dem Punkt, dass der Umstieg auf regenerative
Energien im Schnitt pro Jahr 270 Mrd. kosten wird. Im
weiteren, unterschlagenen Verlauf der Studie wird darauf
hingewiesen, dass „Ersparnisse durch eingesparte Brennstoffe
wie Öl, Kohle und Gas: zwischen 175 und 320 Milliarden Euro
pro Jahr“ betragen.
Allein auf das Invest abzustellen, ist aber absolut in Ordnung.
Eingesparte Brennstoffkosten haben nämlich keinen Einfluß auf den Strompreis. Den Strompreis bestimmen vielmehr die kurzfristigen Grenzkosten (d.h. insb. Kosten für Brennstoffe und Emissionsrechte) der Kraftwerke, die zu diesem Zeitpunkt noch am Netz sind. Und für die Brennstoffkosten eines Kraftwerks, das noch erzeugt, ist es völlig gleichgültig, ob Milliarden dadurch frei werden, dass irgendwo anders in Deutschland ein paar Dutzend Kohle-, Erdgas- oder Ölkraftwerke stillgelegt werden und deshalb für diese keine Brennstoffe mehr eingekauft werden müssen.
Wenn die Stilllegung von Anlagen zu Preiseffekten beim Brennstoff führt, dann allenfalls dadurch, dass sie die betroffenen Brennstoffmärkte entlasten. Diese sind aber weltweite Commodity-Märkte. Mit Blick auf den massiv steigenden Energiebedarf des Rests der Welt, insb. der Schwellenländer (vor allem Indien, China) halte ich die Erwartung, die Preise auf diesen Märkten würden nennenswert dadurch beeinflusst (oder gar gedämpft), dass wir ein paar Kraftwerke stilllegen, für ziemlich lebensfremd.
Dagegen gehen die Investitionen in den Umbau der Stromwirtschaft tatsächlich in den Strompreis. Das gilt vor allem für die Netzausbaukosten. Diese Kosten werden komplett auf die Netzentgelte umgelegt und diese wiederum gehen voll in den Strompreis. Im übrigen werden Windmühlen und andere Anlagen für erneuerbare Energien - wie jedes konventionelle Kraftwerk auch - nur dann errichtet, wenn die Betreiber davon ausgehen, ihr Invest über den Stromabsatz wieder hereinholen zu können. Auch diese Investitionen werden wir daher im Strompreis wiederfinden - sei es, weil der Markt das hergibt, oder weil wir, wenn der Markt so wie jetzt das nicht tut, diese Anlagen fördern.
A) Sind auch die Uran-Vorräte der Welt begrenzt und mit
schwerer Erreichbarkeit wird auch dessen Gewinnung mehr Geld
kosten.
Da unsere Kernkraftwerke selbst unter Berücksichtigung der aktuellen Laufzeitverlängerung in spätestens 10-20 Jahren komplett vom Netz sind, müssen wir uns darüber wohl kaum Gedanken machen. Dies umso mehr, als derzeit nicht mal sicher ist, ob wir diese 10-20 Jahre überhaupt ausschöpfen werden. Und neue KKWs wird es bei uns gleich gar nicht geben.
B) Die Umweltfolgekosten der ‚Entsorgung‘ konnten bislang noch
gar nicht auf den Atom-Strompreis aufgeschlagen werden, da es
noch gar keine Endlösung gibt. Eine Endlagerung für Millionen
von Jahren (wer will das eigentlich gewährleisten???) ist doch
finanziell gar nicht überschaubar.
Diese Kosten werden auch in Zukunft nicht auf den Preis für Atomstrom aufgeschlagen werden können. Denn Atomstrom wird nahezu ausschließlich über die Börse vermarktet und dort wird Strom zu kurzfristigen Grenzkosten angeboten. Kosten einer etwaigen Entsorgung sind aber meines Wissens keine kurzfristigen Grenzkosten.
Das wird aber bei der „richtigen“ Regierung
wahrscheinlich wieder auf die Steuerzahler abgewälzt.
Wie kommst Du auf den Gedanken, der Staat würde eine derart teure Leistung wie die endgültige Lagerung atomaren Abfalls den Abfallerzeugern kostenlos überlassen, während selbst jede noch so kleine Gemeinde für die Benutzung ihrer Mülldeponie, ihrer Verbrennungsanlage, ihrer Kanalisation oder ihres Schwimmbads happige Gebühren vom Benutzer kassiert? Die Annahme ist lebensfremd.
C) Umweltschäden durch ausgetretene Strahlung und Giftstoffe
sind nicht kalkulierbar und daher auch nicht reell auf den
Strompreis angerechnet.
Sie würden aber auch dann nicht auf den Preis für Atomstrom aufgeschlagen, wenn sie kalkulierbar wären, und zwar aus dem gerade erwähnten Grund.