Auf die Nachbarschaft gehen

Hallo!

habt ihr je so etwas gehört oder gesehen?

Ich gehe auf die Nachbarschaft. ( die Kombination von „Nachbar“, „Nachbarschaft“ und „auf“)

Das ist eine theoretische Frage, ob so etwas gibt und ob so etwas geschichtlich und sprachgeschichtlich überhaupt einen Sinn macht.

Danke sehr

Hallo Nadja,

„Ich gehe auf die Nachbarschaft“ gibt für mich keinen Sinn.
Hast vielleicht das Wörtchen „zu“ vergessen.
„Ich gehe auf die Nachbarschaft zu“ würde nämlich einen Sinn ergeben.
Beispielsweise, wenn der Kontakt zu den Nachbarn bis jetzt nicht so optimal war und man diesen Kontakt aufbessern möchte.

1 Like

Hallo

Je nach Gegend ist das im Rahmen des dortigen Dialekts in Ordnung - dort geht man auch ‚auf Schalke‘ (also zu einem Spiel des Fußballclubs Schalke) … aber es ist kein Schriftdeutsch

Gruß h

2 Like

Ich kenne die Bezeichnung „in die Nachbarschaft“.
Üblicherweise ist damit der engere Raum um die eigene Wohnung/das eigene Haus gemeint. Es wird auch genutzt, wenn man zu den Nachbarn geht (regional?).

Zu einem HEIMspiel. Der Ausdruck bezieht sich mE auf das Stadiongelände. Wenn Schalke auswärts verliert, ist man nicht auf Schalke.

Grüße,
Max

2 Like

Hi Max

du hast insofern Recht, dass hier mit Schalke das Stadion (ihres Fußballclubs) gemeint ist

Sprachlich gesehen kommt das „auf“ an Stelle von „zu“ oder „nach“ aus dem Bergmannsdialekt im Ruhrgebiet - dort geht man (heute mitunter noch) auch „auf Kirmes“, „auf Herne“ etc. zumindest redet meine Verwandtschaft noch so :wink:

Gruß h.

3 Like

Einerseits kenne ich das „auf“ in dieser Form aus meiner Herkunftsgegend und den dort noch lebenden Verwandten und Freunden auch. Aber andererseits kann ich mich an ein konkretes „auffe Nachbarschaft gehn“ weder aus eigener Kindheit noch aus besagtem Umfeld erinnern. Aber da ich gerade vorgestern mal wieder einen der bekannteren Ruhrgebiets-Literaten und -Künstler angeschrieben habe, um den eingeschlafenen Kontakt mal wieder zu reaktivieren, kann ich den ja vielleicht bald mal um Aufklärung bitten, ob ihm diese Formulierung bekannt ist.

Ich kenne das hauptsächlich bei "auf (die) Wanderschaft gehen)

… und natürlich auch bei diversen Fußballstadien. „Extrem“ ist es in Bielefeld. Da geht man „auf die Alm“. Verstehen heute nur noch die Einwohner, weil das Stadion seit einigen Jahren nicht mehr „Alm“ heißt. Die Assoziation ist halt eine vollkommen Andere.

Mit andern Worten: Du hast diesen Ausdruck selbst ebenfalls noch nie gehört oder gelesen. sondern selbst erfunden. Stimmt’s? :full_moon_with_face:

Gruß
Metapher

2 Like

@Nadja darf das, finde ich - sie ist an dieser Stelle sozusagen dem innersten deutschen Wesen auf der Spur: Schließlich geht man in diesem merkwürdigen Land auch unter die Leute und zieht zwar durch die Gemeinde, aber über die Dörfer. Letzteres auch dann, wenn man auf Stör geht.

Wieder ein Beleg für meine These, dass die deutsche Sprache nicht auf Regeln, sondern auf Ausnahmen gebaut ist.

Eine besondere Richtungsangabe hab ich heute früh schon privatim gegenüber @Hexerl zitiert: Im östlichen Seealemannisch, das in einigen Zügen dem Mittelhochdeutschen ähnelt, ist keine Wertung darin enthalten, wenn jemand fragt „Gäage wäm hot etz dui g’hîrat?“ (Gegen wen hat jetzt diese geheiratet?)

Schöne Grüße

MM

Servus,

Richtungsangaben wie

sind recht verbreitet. Hübsch ist es, wenn die Richtung „auf“ mit der Abwärtsbewegung in ein Tal „hinab“ verbunden ist - in meiner früheren Heimat fährt oder geht man uff Egna naa und uff Bembara naa = auf Ehingen hinab und auf Biberach hinab.

Schöne Grüße

MM

Vielleicht hat sie ja geschmökert in: Rehbein, Franz: Das Leben eines Landarbeiters:

Bis dahin konnten jene Räume überhaupt nicht geheizt werden; es war vielmehr von jeher üblich gewesen, daß sich die Knechte in ihrer freien Zeit – wenn sie nicht zu den Tagelöhnern auf Nachbarschaft gehen wollten – in den Stallungen aufhalten mußten.

oder hier (S 45):

grafik

(… und den Ausdruck gedanklich um „die“ ergänzt)? :wink:

Gruß
Kreszenz

4 Like

Ja, du zitierst gern deine eigene, auf einen Widerspruch in adjecto gebaute These :slight_smile:

Das Gemeinte scheint mir derweil auf einer schiefen Einschätzung der enorm reichenhaltigen und verzweigten diachronen Etymologie von Wörtern aus den Gebieten germanischer Sprachen und damit oft verursachten Sprüngen auch zu anderen Wartarten zu beruhen (z.B. von Präpositionen aus ursprünglichen Adverbien oder von Adverbien aus Substantiven usw.). Was immerhin dazu beitrug, daß im Deutschen sehr komplexe Inhalte in kompakten Ausdrucksweisen möglich sind, zu denen nur wenige andere Sprachen fähig sind.

Gruß
Metapher

3 Like

Sieht so aus :slight_smile: Wir wissen ja schon immer, daß es nichts gibt, was du nicht findest :slight_smile:

Allerdings deutet der @Nadja ihre Worterfindung (wegen des Artikels) eher darauf hin, daß sie es räumlich bzw. personal verstanden haben wollte. Grammatisch also als Präpositionalobjekt.

Dagegen ist in deinen Fundstücken „auf“ modal gemeint und der ganze Ausdruck daher ein Adverbial. Zumindest bei uns im Rheinischen wäre das „auf“ z.B. in „einen auf Nachbarschaft machen“ durchaus möglich. Analog zu „einen auf Freundschaft machen“ oder „einen auf freundlich tun“ mit der Bedeutung „heuchlerisch vorgeben, daß“ oder „zweckorientiert so tun als ob“. Oder z.B. „er macht einen auf Clown“, was bedeutet, er bemüht sich vergeblich, lustig zu erscheinen.

Gruß
Metapher

3 Like

Vielleicht lässt @Nadja uns ja noch wissen, was sie sich konkret vorstellen könnte unter „auf die Nachbarschaft gehen“ / in welchen Kontext dieser Ausdruck passen würde / was der Auslöser war für diese

Gruß
Kreszenz

2 Like

Ja - vielleicht kann ich damit die Zahl der einschlägigen Fundstellen so vermehren, dass sie populär wird!

1 Like

Okay nun zum Auslöser

im Deutschen hat das Land, „die Ukraine“ einen Artikel. Man sagt " man fährt in die Ukraine"
In einer Diskussionsrude wurde erörtert, dass man in anderen Regionen in der Nähe der Ukraine „man fährt auf die Ukraine“ sagt. Früher war die Ukraine und alle Landesteile in der Nähe ein Teil Russlands. Könnte es sein, dass man deshalb sagte oder immer noch sagt/schreibt, „ich fahre auf die Ukraine“? Und damit war die Idee von „auf Nachbarschaft“ geboren. Es wurde geboren aus „Nachbarschaft“, „Nähe“, „Zugehörigkeit“ und „Teil des Landes zu sein“.
Von daher war die Frage, ob man im Deutschen " Ich gehe auf Nachbarschaft" sagen und ob man sprachgeschichtlich dafür Belege finden kann. und sieh da, was man in euren Beiträgen alles dafür finden kann

auf Wanderschaft gehen

auf Schalke

auf Nachbarschaft gehen wollen

Es waren nicht alles Fantasien von mir :wink:

sieh hier unten

Grüße

Jetzt erinnere ich mich an eine Geschichte, von der ich gerade nicht mehr weiß, wo ich sie her habe: Die Sowjet-Republiken trugen keinen Artikel und dies gilt auch für die heutigen Teilstaaten der Russischen Föderation. Zur deutlichen Abgrenzung und Unterscheidung hiervon hat die Ukraine dann nach der Unabhängigkeit den Artikel zum Namen hinzugenommen und das hat sich dann auch grundsätzlich durchgesetzt. Nur in den alten Sowjet-Republiken hat man dies in der offiziellen Sprachregelung natürlich nicht umgesetzt. Und so ist der neue Name natürlich auch in der Bevölkerung nicht verbreitet.

Wobei der Witz natürlich im Zusammenhang mit der Verwendung im Deutschen darin liegt, dass man hier immer schon den Artikel verwendet hat, weshalb das Thema bei uns gar nicht aufgefallen ist.

Kann es sein, dass deine Fragestellung hiermit zusammenhängt, und dieses „auf“ eher einer Art von schlechter Verdeutlichung des Unterschieds in anderen Sprachen - vermutlich insbesondere Russisch - dienen sollte?

Das weiß ich nicht. Es war ein Blitzgedanke von mir. Vermutlich benutzen die Teilrepubliken „auf“ um die Zugehörgigkeit der Ukraine zu Russland zu verdeutlichen.

Man fährt in die Ukraine ( ein unabhängiges Land)

Man fährt auf die Ukraine ( ein Nachbarland und teil Russlands)

Das ist nur eine Vermutung. Deshalb suchte ich parallelen im Deutschen bzw. in der deutschen Vergangenheit um meine Vermutung zu untermauern. Die Sprache als ein politisches Instrument.

Grüße